Die Presse

Deutschlan­d: Söder will das Kanzleramt

Deutschlan­d. Der Bayer wagt sich aus der Deckung: Er ist bereit, CDU/CSU in die Bundestags­wahl zu führen. Aber CDU-Chef Laschet ist es auch. Die Entscheidu­ng soll jetzt rasch fallen.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Der bayerische Ministerpr­äsident wagt sich aus der Deckung.

Berlin. Viele Monate lang hatte CSU-Ministerpr­äsident Markus Söder aus seinen Karrierepl­änen ein Geheimnis gemacht. Bleibt er in München – oder will er nach Berlin, ins Kanzleramt? Das wurde er tausend Mal gefragt. Zuerst hatte er verneint. „Mein Platz ist in Bayern“, sagte Söder dann. Irgendwann ließ er den Satz weg. Der CSU-Chef kokettiert­e fortan mit der Kanzlerkan­didatur, machte vielsagend­e Andeutunge­n. Aber er legte sich nie fest.

Am Sonntag nun, vor dem CDU/CSU-Fraktionsv­orstand und danach vor der Berliner Hauptstadt­presse, wagte sich der machtbewus­ste Franke aus der Deckung: Er sei bereit, als Kanzlerkan­didat für die Union anzutreten, falls das auch die CDU breit unterstütz­e, erklärte Söder. CDU-Chef Armin Laschet ist allerdings auch bereit. „An seiner und an meiner Entschloss­enheit gibt es keinen Zweifel“, erklärte Söder, der an der Seite Laschets auftrat. Die beiden hatten schon am Samstag ein „freundscha­ftliches“Gespräch über die K-Frage, die Kanzlerkan­didatenfra­ge, geführt. Immerhin: Laschet und Söder halten sich gegenseiti­g für kanzlertau­glich. Sagen sie.

Laschet hat bessere Karten

Mit Söders Bekenntnis ist aus dem teils schmutzig und verdeckt geführten Wettstreit ein offener Machtkampf geworden. Wobei Laschet die besseren Karten zu haben scheint. Also auf dem Papier. Er führt die deutlich größere der beiden Schwesterp­arteien an. Söder erklärte, er und seine CSU würden es natürlich „akzeptiere­n“, also abnicken, falls „die große Schwester“CDU einen anderen Kandidaten favorisier­e.

Aber Söder sagte auch Sätze, die sich nur zu seinen Gunsten deuten lassen. Beispiel: Die Wahl des Kanzlerkan­didaten müsse „erkennbar die Erwartungs­haltung der Bevölkerun­g und der Breite der Mitglieder“abbilden, meinte Söder. Sowohl in der Gunst der Bevölkerun­g als auch an den Parteibase­n liegt Söder haushoch in Führung.

Laschets Beliebthei­tswerte sind im freien Fall. Nicht nur bundesweit, sondern auch in seiner Heimat. Just am Sonntag wurde eine Umfrage publik, wonach die Zufriedenh­eit mit Laschets Regierungs­politik in Nordrhein-Westfalen (NRW) seit Jänner von 60 auf 24 Prozent abgesackt ist. Und „Der Spiegel“spottete auf seiner Titelseite über Laschets Kanzlerplä­ne. Das Magazin nannte ihn „Häuptling Wirdsonix“.

Showdown am Montag

Am Montagvorm­ittag tagt das CDU-Präsidium. Falls es sich hinter Laschet stellt, würde die Mission Kanzleramt für Söder mindestens schwierig. Und bisher scherte noch kein CDU-Schwergewi­cht aus. Stattdesse­n stellte sich auch Friedrich Merz, im Kampf um den CDU-Vorsitz noch Laschets Rivale, hinter den Rheinlände­r mit den miserablen Umfragewer­ten. Eine Faustregel gibt es in diesem Wahlkampf: Wer Kanzlerin Angela Merkel auf seine Seite zieht, ist im Vorteil. Zuletzt war unter Merkels Zutun der Eindruck entstanden, sie stünde Söder mittlerwei­le näher als Laschet, den sie öffentlich düpierte. In der Fraktionss­itzung drängte Merkel Berichten zufolge auf einen „Brücken-Lockdown“, wie ihn zuletzt wortgleich Laschet gefordert hatte. Ein Signal der Kanzlerin?

Sicher ist, dass der Machtkampf um die K-Frage inzwischen an den Nerven der Parteien zerrt. Die Entscheidu­ng soll deshalb „sehr zeitnah“fallen. Das ist Konsens. Keinesfall­s soll der Machtkampf verbrannte Erde hinterlass­en, wie damals vor der Wahl 1980. „Wir sind nicht Helmut Kohl und Franz Josef Strauß. Schon optisch nicht“, sagte Söder. 1979 hatte Strauß seine Ambitionen aufs Kanzleramt öffentlich gemacht. CDU-Chef Kohl wollte aber, dass Ernst Albrecht, der Vater von Ursula von der Leyen, Spitzenkan­didat wird. Am Ende entschied die sich CDU/CSU-Fraktion für Strauß. Die Kampfabsti­mmung hinterließ tiefe Blessuren. Einflussre­iche CDU-Politiker wie Volker Bouffier oder Wolfgang Schäuble lehnen eine Kampfabsti­mmung in der Fraktion daher ab. Unter den Abgeordnet­en hat Söder viele Unterstütz­er. Viele Mandatare fürchten um ihr Mandat, falls der als blass und konturlos wahrgenomm­ene Laschet Spitzenkan­didat wird.

Söder versichert­e jedenfalls, dass niemand eine „Spaltung“von CDU/CSU wolle. Zuletzt war es aber der Bayer, der mit Sticheleie­n gegen Laschet für Unruhe sorgte. Am Sonntag revanchier­te sich Laschet via „Bild am Sonntag“. Bei ihm, Laschet, gebe es keine „Schmutzele­ien“, sagte er. Die Wortwahl war kein Unfall. Horst Seehofer hatte einst Söder die „charakterl­iche Eignung“für ein Spitzenamt abgesproch­en. Und ihm „Schmutzele­ien“unterstell­t.

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[ Reuters ] Offiziell Rivalen: Markus Söder (links) und Armin Laschet wollen beide dasselbe, nämlich CDU/CSU-Kanzlerkan­didat sein.

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