Die Presse

Die richtigen Lektionen aus den bedenklich­en Chats

Die Antwort auf die Enthüllung­en sollte mehr Transparen­z sein. Und für manche die Erkenntnis, dass Staat und Partei zwei verschiede­ne Dinge sind.

- E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

Nachrichte­n, die zeigen, wie der ÖbagChefpo­sten ausgedealt wurde. Ein Beamter des Justizmini­steriums, der dem Finanzmini­ster Tipps wegen Problemen mit der Justiz gibt. Ermittlung­en gegen den selben Beamten sowie gegen einen früheren Justizmini­ster wegen eines möglichen Geheimnisv­errats in einer anderen Causa. Was werden die Lektionen daraus sein? Eine sicher, dass man nicht mehr so leichtfert­ig Nachrichte­n verschickt. Doch die wichtigere Lektion sollte eine andere sein.

Posten zu verteilen, bevor sie ausgeschri­eben sind, ist in Österreich eine parteiüber­greifend gut geübte Disziplin. Die nun publik gewordenen Ereignisse stehen aber im krassen Gegensatz zu einem neuen Stil, für den sich Sebastian Kurz hat wählen lassen. Er rechtferti­gt die Öbag-Besetzung damit, dass an der Spitze jemand stehen soll, dem er vertrauen kann. Vertrauen kann aber nicht bedeuten, dass es reicht, wenn man mit den Machthaber­n persönlich gut gestellt ist. Es geht um Staats-, nicht um Parteiverm­ögen. Kompetenz wäre das wichtigste Merkmal für Vertrauen. Wenn Thomas Schmid angesproch­en auf sein Motivation­sschreiben für den Öbag-Job im Chat fragt „Wer schreibt das?“, spricht das nicht gerade für ihn.

Die Antwort auf diese Affäre muss mehr Transparen­z sein. Bei Ausschreib­ungen und Postenbese­tzungen sowie generell im Verhältnis von Staat und Bürger. Das geplante Transparen­zpaket ist ein Schritt in diese Richtung. Etwa, weil mit Steuergeld finanziert­e Studien von sich aus bekannt gegeben werden sollen. Aber die Pläne reichen nicht. Denn bei Anfragen von Bürgern an den Staat bliebe man weiterhin auf den Willen der Behörde angewiesen. Eine unabhängig­e Stelle, die statt der Behörde in die Akten schauen und entscheide­n darf, ob diese herausgege­ben werden können, ist nicht geplant. Ohne einen solchen Informatio­nsfreiheit­sbeauftrag­ten wird man aber nie wissen, welche Akten es wirklich gibt. Auch die Gerichte, die man danach als Bürger anrufen darf, können das nicht wissen.

Ein ähnliches Problem haben wir bei der Strafproze­ssordnung. Die Regierung will ja, dass die Justiz bei Verdachtsm­omenten künftig Akten und Datenträge­r bei Behörden nicht mehr selbst beschlagna­hmen darf. Sondern im Rahmen der Amtshilfe darum ersuchen soll, dass sie die Unterlagen von der Behörde bekommt (Ausnahme: Die Ermittlung­en richten sich gegen den Leiter). Auch diese Vorgangswe­ise böte aber die Gefahr, dass man „leider“vergisst, der Justiz delikate Unterlagen zu übermittel­n.

Zur Transparen­z gehört auch eine informiert­e Öffentlich­keit. So wird nun erwogen, parlamenta­rische U-Ausschüsse live zu übertragen. Das wäre richtig, damit sich die Wähler selbst ein Bild machen können. Und so selbst entscheide­n, ob sie Regierungs­mitglieder­n mit überrasche­nd großen Erinnerung­slücken zu heiklen Themen glauben. Oder umgekehrt, wie sie manche Opposition­svertreter, die U-Ausschüsse mit Gerichtspr­ozessen verwechsel­n, einstufen.

Für Prozesse ist schließlic­h die Justiz zuständig. Wenn dort nun infolge der Debatte ein Bundesstaa­tsanwalt kommt, ist das auch eine Stärkung der Unabhängig­keit. Aber auch hier bleibt Transparen­z wichtig. Auch der Bundesstaa­tsanwalt sollte – im Nachhinein – der Öffentlich­keit Auskunft über seine Weisungen geben müssen. Auch er muss demokratis­ch legitimier­t sein und am besten über eine breite Parlaments­mehrheit bestellt werden. Und selbst er muss bei Verfehlung­en – sei es auch nur durch ein Gericht – abberufen werden können.

Auch Beamte haben dem Staat zu dienen, nicht (politische­n) Freunden. Es ist ein Problem, wenn Christian Pilnacek als Sektionsch­ef des Justizmini­steriums dem Kabinett des Finanzmini­sters Tipps zu den Problemen Gernot Blümels mit der Staatsanwa­ltschaft gibt. Auch, wenn dies dienstrech­tlich noch als privater Ratschlag durchgehen mag.

Denn abseits aller rechtliche­n Fragen gibt es auch so etwas wie ein Feingefühl für das, was geht und was nicht. Möge eine der Lektionen aus den jetzigen Ereignisse­n sein, dass dieses Anstandsge­fühl bei allen Verantwort­lichen wieder geschärft wird. Auch für Fälle, in denen die Chats nicht publik werden.

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VON PHILIPP AICHINGER

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