Die richtigen Lektionen aus den bedenklichen Chats
Die Antwort auf die Enthüllungen sollte mehr Transparenz sein. Und für manche die Erkenntnis, dass Staat und Partei zwei verschiedene Dinge sind.
Nachrichten, die zeigen, wie der ÖbagChefposten ausgedealt wurde. Ein Beamter des Justizministeriums, der dem Finanzminister Tipps wegen Problemen mit der Justiz gibt. Ermittlungen gegen den selben Beamten sowie gegen einen früheren Justizminister wegen eines möglichen Geheimnisverrats in einer anderen Causa. Was werden die Lektionen daraus sein? Eine sicher, dass man nicht mehr so leichtfertig Nachrichten verschickt. Doch die wichtigere Lektion sollte eine andere sein.
Posten zu verteilen, bevor sie ausgeschrieben sind, ist in Österreich eine parteiübergreifend gut geübte Disziplin. Die nun publik gewordenen Ereignisse stehen aber im krassen Gegensatz zu einem neuen Stil, für den sich Sebastian Kurz hat wählen lassen. Er rechtfertigt die Öbag-Besetzung damit, dass an der Spitze jemand stehen soll, dem er vertrauen kann. Vertrauen kann aber nicht bedeuten, dass es reicht, wenn man mit den Machthabern persönlich gut gestellt ist. Es geht um Staats-, nicht um Parteivermögen. Kompetenz wäre das wichtigste Merkmal für Vertrauen. Wenn Thomas Schmid angesprochen auf sein Motivationsschreiben für den Öbag-Job im Chat fragt „Wer schreibt das?“, spricht das nicht gerade für ihn.
Die Antwort auf diese Affäre muss mehr Transparenz sein. Bei Ausschreibungen und Postenbesetzungen sowie generell im Verhältnis von Staat und Bürger. Das geplante Transparenzpaket ist ein Schritt in diese Richtung. Etwa, weil mit Steuergeld finanzierte Studien von sich aus bekannt gegeben werden sollen. Aber die Pläne reichen nicht. Denn bei Anfragen von Bürgern an den Staat bliebe man weiterhin auf den Willen der Behörde angewiesen. Eine unabhängige Stelle, die statt der Behörde in die Akten schauen und entscheiden darf, ob diese herausgegeben werden können, ist nicht geplant. Ohne einen solchen Informationsfreiheitsbeauftragten wird man aber nie wissen, welche Akten es wirklich gibt. Auch die Gerichte, die man danach als Bürger anrufen darf, können das nicht wissen.
Ein ähnliches Problem haben wir bei der Strafprozessordnung. Die Regierung will ja, dass die Justiz bei Verdachtsmomenten künftig Akten und Datenträger bei Behörden nicht mehr selbst beschlagnahmen darf. Sondern im Rahmen der Amtshilfe darum ersuchen soll, dass sie die Unterlagen von der Behörde bekommt (Ausnahme: Die Ermittlungen richten sich gegen den Leiter). Auch diese Vorgangsweise böte aber die Gefahr, dass man „leider“vergisst, der Justiz delikate Unterlagen zu übermitteln.
Zur Transparenz gehört auch eine informierte Öffentlichkeit. So wird nun erwogen, parlamentarische U-Ausschüsse live zu übertragen. Das wäre richtig, damit sich die Wähler selbst ein Bild machen können. Und so selbst entscheiden, ob sie Regierungsmitgliedern mit überraschend großen Erinnerungslücken zu heiklen Themen glauben. Oder umgekehrt, wie sie manche Oppositionsvertreter, die U-Ausschüsse mit Gerichtsprozessen verwechseln, einstufen.
Für Prozesse ist schließlich die Justiz zuständig. Wenn dort nun infolge der Debatte ein Bundesstaatsanwalt kommt, ist das auch eine Stärkung der Unabhängigkeit. Aber auch hier bleibt Transparenz wichtig. Auch der Bundesstaatsanwalt sollte – im Nachhinein – der Öffentlichkeit Auskunft über seine Weisungen geben müssen. Auch er muss demokratisch legitimiert sein und am besten über eine breite Parlamentsmehrheit bestellt werden. Und selbst er muss bei Verfehlungen – sei es auch nur durch ein Gericht – abberufen werden können.
Auch Beamte haben dem Staat zu dienen, nicht (politischen) Freunden. Es ist ein Problem, wenn Christian Pilnacek als Sektionschef des Justizministeriums dem Kabinett des Finanzministers Tipps zu den Problemen Gernot Blümels mit der Staatsanwaltschaft gibt. Auch, wenn dies dienstrechtlich noch als privater Ratschlag durchgehen mag.
Denn abseits aller rechtlichen Fragen gibt es auch so etwas wie ein Feingefühl für das, was geht und was nicht. Möge eine der Lektionen aus den jetzigen Ereignissen sein, dass dieses Anstandsgefühl bei allen Verantwortlichen wieder geschärft wird. Auch für Fälle, in denen die Chats nicht publik werden.