Diktator Kim warnt vor „harten Zeiten“
Nordkorea. Machthaber Kim Jong-un schwört seine Landsleute auf einen „beschwerlichen Weg“und eine Hungersnot ein. Doch Kritik am Regierungskurs kann nur er selbst üben: Ein skeptischer Erziehungsexperte wurde hingerichtet.
Tokio. Solche Signale kommen sehr selten aus Pjöngjang. Vor Parteikadern schwor Diktator Kim Jong-un seine Genossen auf harte Zeiten ein. Alle Gremien – vom Zentralkomitee bis hinunter an die Basis – werden aufgefordert, „einen weiteren, noch schwierigeren und beschwerlichen Weg zu gehen, um unser Volks von den Problemen zu entlasten“. Zuvor hatte der Machthaber in dieser Woche bereits davon gesprochen, dass sich sein Land in der „schlimmsten Situation seiner Geschichte befinde und „beispiellos viele Herausforderungen“zu überwinden seien.
Das sind laute Alarmglocken. Aufhorchen lässt vor allem auch der Begriff „beschwerlicher Weg“. Mit diesem Euphemismus hatte das nordkoreanische Regime schon einmal in den 1990er-Jahren die große Hungersnot umschrieben, der Hunderttausende zum Opfer fielen. Ursprünglich hatte den Begriff der Staatsgründer und erste Diktator Kim Il-sung als Kampfslogan gegen die japanische Besatzung geprägt.
„Eigenen Weg gehen“
Damals halfen die Gesinnungsgenossen aus China. Darauf kann sich jetzt die Kim-Clique wohl nur noch um den Preis ihrer autarken Selbstbehauptung verlassen. Dau sagte Kim Jong-un folgende Worte: „Die Partei erwartet nie, dass uns andere den Weg ebnen. Es gibt nichts, auf das wir uns verlassen oder worauf wir hoffen können.“So immerhin zitieren die Staatsmedien ihren Führer.
Der Machthaber rief wie üblich gleichzeitig die Parteibasis auf, die ideologische Schulung der Jugend zu verstärken und gegen „antisozialistische Praktiken“energisch vorzugehen. Also will Kim die eigene Bevölkerung noch stärker als bisher an die Kandare nehmen.
Was für Nordkoreas Diktatur recht ist, gilt eben noch lang nicht für alle anderen – nämlich Kritik. So darf Kim Jong-un kraft seines Amtes unzufrieden sein zum Beispiel mit mangelnden Fortschritten bei der Schuldigitalisierung. Die – amtlich verleugnete – Coronapandemie zwang nämlich auch das selbst ernannte „Paradies der Werktätigen“schon im vergangenen September, die meisten Bildungsstätten des Landes zu schließen. Aber kaum eine davon ist fit für den Fernunterricht und deshalb befahl der Machthaber schon im Juni letzten Jahres die Bildung einer Kommission zur besseren Digitalisierung vor allem der Universitäten.
Was dabei herauskam ist typisch nordkoreanisch: wenig Bewegung, statt dessen Klagen über zu viel Arbeit und vor allem zu wenig Ressourcen. Wie die von Exilnordkoreanern in Seoul betriebene Website „NK Daily“berichtet, ist Kim nun offenbar der Geduldsfaden gerissen. Eine „ideologische Untersuchung“durch die mächtige Abteilung für Organisation und Führung innerhalb der herrschenden Einheitspartei befand, dass diese Kommission nicht ausreichend gearbeitet habe und dass mehrere von deren Mitgliedern nicht auf der vorgegebenen Parteilinie marschieren.
Was war geschehen? Die amtlichen Bildungsreformer trafen sich nur unregelmäßig zu Meetings und wenn doch, dann beschwerten sich die meisten, dass die Universitäten mehr und bessere Ausrüstung benötigen würden, bevor ein Gesetz für die Fernausbildung überhaupt in Betracht gezogen werden könne. Ihr Kommissionschef, ein Mittfünfziger namens Park (mehr ist über ihn nicht bekannt), soll geäußert haben: „Ich verstehe nicht, wieso die (gemeint sind die Oberen der Parteiführung) dieses Gremium ins Leben rufen und damit viel beschäftigte Professoren von ihrer Arbeit fernhalten, wenn sie uns keine Mittel zur Verfügung stellen.“
Weil dieser Park die Ansicht vertrat, dass es unter diesen Bedingungen mit einem funktionierenden Distanzunterricht im Lande noch sehr lang dauern würde, empfahl er, stattdessen einfach mehr Lehrer auszubilden, um Klassen und Seminare aufzulockern. Allerdings stieß er mit dieser Forderung bei der Führung auf taube Ohren. Frustriert soll Park dann seinem Unmut freien Lauf gelassen und bei einer Kommissionssitzung geäußert haben: „Selbst wenn wir Vorschläge machen, sagen sie uns, wir sollten den Mund halten. Lasst uns einfach die Tagesordnung abarbeiten und dann nach Hause gehen.“
Drakonische Strafe
Das war wohl zu harte Kritik. Es klingt vielleicht vernünftig, aber nicht für die Kim-Clique. Der Machthaber erklärte die Hochschulreform jetzt zur Chefsache, entließ die Kommission, befahl künftig Videokonferenzen statt unregelmäßige Präsenzsitzungen. In einer handschriftlich verfassten Anweisung an das neu geformte Gremium teilte Kim Jong-un mit: „So wie ich Kommandeur im Kampf um die Wiederaufforstung unserer Wälder wurde, werde ich nun auch Kommandeur der weitsichtigen, großen Politik für nationale Bildung.“
Was beides miteinander zu tun hat, erklärte der Führer zwar nicht, aber er gab einen weiteren Befehl. Der aufsässige Bildungspolitiker Park wurde exekutiert.
Unser Land befindet sich in der schlimmsten Situation seiner Geschichte. Wir müssen viele Herausforderungen überwinden.
Diktator Kim Jong-un