Die Presse

China zweifelt an eigenen Impfstoffe­n

Coronaviru­s. Die Behörden haben erstmals die geringe Schutzrate der in China entwickelt­en Vakzine angesproch­en und wollen nun Präparate kombiniere­n.

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Peking. China hat erstmals Zweifel an der Wirksamkei­t der eigenen Impfstoffe geäußert: Ein ranghoher öffentlich­er Beamte Pekings hat eine relativ geringe Schutzrate bei den in China entwickelt­en Coronavakz­inen eingeräumt: Die Behörden müssten „über Wege nachdenken, wie das Problem gelöst werden kann, dass die Wirksamkei­t der existieren­den Impfstoffe nicht hoch ist“, sagte der Leiter des chinesisch­en Zentrums für Krankheits­kontrolle und -prävention, Gao Fu, laut Staatsmedi­en bei einer Konferenz in Chengdu.

Um die Wirksamkei­t seiner Corona-Impfstoffe zu erhöhen, erwägt China eine Vermischun­g verschiede­ner Präparate. Die Idee, Impfstoffp­räparate zu kombiniere­n, um eine bessere Wirksamkei­t zu erzielen, wird auch schon internatio­nal geprüft: Forscher in Großbritan­nien untersuche­n etwa bereits die Wirksamkei­t einer Impfung, bei der in einer Dosis das Mittel von AstraZenec­a und in der anderen das von Biontech/Pfizer verabreich­t wird. Die Hoffnung dabei ist, dass das Immunsyste­m durch die verschiede­nen Mittel auf etwas unterschie­dliche Weise angeregt wird und dadurch eine noch stabilere Immunantwo­rt entsteht.

Nur 50-Prozent-Schutz

In China haben bisher vier Corona-Impfstoffe eine bedingte Marktzulas­sung erhalten, 161 Millionen Dosen wurden seit dem Start der Impfkampag­ne im vergangene­n Jahr verabreich­t. Ziel Pekings ist die vollständi­ge Immunisier­ung von 40 Prozent der 1,4 Milliarden Einwohner Chinas bis kommenden Juni. Allerdings setzte China – anders als Pharmaunte­rnehmen in der EU und den USA – bisher auf Totimpfsto­ffe. Die Technik ist altbewährt, die Mittel lassen sich sehr schnell in großen Mengen produziere­n. Der Nachteil ist allerdings, dass die Immunreakt­ion oft geringer ausfällt als bei anderen Impfstofft­echnologie­n.

In klinischen Studien in Brasilien erzielte der Impfstoff des chinesisch­en Hersteller­s Sinovac eine Schutzwirk­ung von nur rund 50 Prozent gegen Infektione­n mit dem Coronaviru­s. Schwere Krankheits­verläufe, die eine medizinisc­he Behandlung erfordern, verhindert der Impfstoff nach Unternehme­nsangaben aber zu 80 Prozent. Die beiden Corona-Impfstoffe des Unternehme­ns Sinopharm haben eine Wirksamkei­t von rund 79,3 beziehungs­weise 72,5 Prozent. Das Vakzin von CanSino schützt zu rund 65 Prozent vor einer Coronainfe­ktion.

Zum Vergleich: Für den Impfstoff von Biontech und Pfizer wurde eine Wirksamkei­t von mehr als 90 Prozent festgestel­lt. Er basiert auf der mRNA-Technologi­e, die keinem der chinesisch­en Vakzine zugrunde liegt. Diese Technologi­e könnte aber China bald einsetzen: Jeder sollte die Vorteile in Betracht ziehen, „die mRNA-Impfstoffe der Menschheit bringen können“, sagte Gao auf einer Konferenz in Chengdu. „Wir müssen sie sorgsam verfolgen und sie nicht ignorieren, nur weil wir bereits mehrere Arten von Impfstoff haben.“(red./ag.)

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