Die unheimliche Börsenrallye
Aktien. Die Börsen eilen von Rekord zu Rekord. Grund ist die Kombination aus Geldflut und Konjunkturhoffnung. Eine Korrektur ist fällig, im Sommer könnte sie kommen.
Wien. Die Coronakrise zieht sich hin, die Impfungen kommen schleppend voran, die Öffnungen lassen länger auf sich warten als gedacht – und was machen die Börsen? Sie legen Rekorde hin. Der Marktwert aller Aktien weltweit, der im Vorjahr erstmals die Marken von 90 Billionen sowie von 100 Billionen Dollar überschritten hatte, betrug zuletzt mehr als 110 Billionen Dollar.
Die Anleger sind in Kauflaune, wie das Sentix-Barometer für die Eurozone zeigt: Ihr Konjunkturoptimismus ist so stark wie zuletzt 2018. Ihre Erwartungen sind so gut wie nie zuvor. „Die Anleger bauen auf einen beschleunigten Impferfolg in der gesamten EU“, sagen die Sentix-Experten. Die wirtschaftliche Erholung werde durch eine massive Ausweitung der Fiskalpolitik unterstützt.
1 Warum steigen die Börsen heuer schon wieder so stark an?
Die Börsen blicken in die Zukunft, und die dürfte dank der weltweiten Geldschwemme durch Staaten und Notenbanken und der Aussicht auf ein Ende der Coronakrise rosig sein. Zuletzt ist der diesbezügliche Optimismus noch gewachsen: Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognosen für die Weltwirtschaft erhöht und erwartet für 2021 plus sechs Prozent und für 2022 plus 4,4 Prozent. Als Zugpferde dürften sich einmal mehr China und die USA erweisen. In den USA soll ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket die Wirtschaft beflügeln. Dass sich die Welt trotz aller guten Nachrichten inmitten einer neuen Coronawelle befindet, stört die Aktienmärkte kaum. „Wir befinden uns in einem Teflon-Markt, negative Nachrichten betreffend Corona sind an den Finanzmärkten bisher abgeprallt“, sagt Monika Rosen, Chefanalystin der Bank Austria Unicredit.
2 Welche Indizes sind heuer besonders stark gestiegen?
Vor allem solche, die 2020 geschwächelt haben, etwa der Wiener ATX, der industrieund bankenlastig ist, aber keine Pharmaund Technologiewerte enthält. Er legte heuer um 15 Prozent zu. Im Vorjahr hatte er dafür fast 15 Prozent verloren. Er notiert aber noch um ein Drittel unter seinem Rekordhoch aus 2007. Der deutsche DAX legte heuer bis dato um elf Prozent zu, der US-Index S&P 500 um neun und der technologielastige Nasdaq 100 um sechs Prozent. Er hatte dafür im Vorjahr mit 45 Prozent überdurchschnittlich stark zugelegt, da durch die Krise ein Digitalisierungsschub ausgelöst wurde.
3 Welche Aktien sind im bisherigen Jahresverlauf besonders stark gestiegen?
Die Anleger haben vor allem bei den Krisenverlierern investiert, aber auch Technologiewerten nicht ganz den Rücken gekehrt. Unter den stärksten Gewinnern finden sich etwa Ölwerte wie Marathon Oil oder auch die OMV. Technologiewerte haben schwächer zugelegt oder verloren. Die Tesla-Aktie, die sich 2020 verachtfacht hatte, gab heuer um fünf Prozent nach. Die Google-Mutter Alphabet konnte dafür erneut zulegen, und zwar um 28 Prozent. Im ATX ist der Verbund der einzige Verlierer. Im Vorjahr hatte sich das Versorgungsunternehmen überdurchschnittlich gut geschlagen. Für heuer wird den Unternehmen in den USA ein Gewinnwachstum von 25 Prozent zugetraut, in Europa eines von 37 Prozent.
4 Wie geht es an den Börsen nun weiter? Kommt eine Korrektur?
Wenn die Firmendaten gut ausfallen, spricht nichts gegen eine Fortsetzung der Rallye bis weit in den Sommer hinein, meint Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. Dann könnten aber Inflationsängste schlagend werden und eine – durchaus gesunde – Korrektur einleiten. Für Anleger, die aufgrund der hohen Kurse zögerlich geworden sind, böte sich ein Fenster: „Seit der Finanzkrise haben sich alle Rückschläge als Kaufgelegenheit erwiesen“, so Rosen.