Die Presse

Die unheimlich­e Börsenrall­ye

Aktien. Die Börsen eilen von Rekord zu Rekord. Grund ist die Kombinatio­n aus Geldflut und Konjunktur­hoffnung. Eine Korrektur ist fällig, im Sommer könnte sie kommen.

- VON BEATE LAMMER UND NICOLE STERN

Wien. Die Coronakris­e zieht sich hin, die Impfungen kommen schleppend voran, die Öffnungen lassen länger auf sich warten als gedacht – und was machen die Börsen? Sie legen Rekorde hin. Der Marktwert aller Aktien weltweit, der im Vorjahr erstmals die Marken von 90 Billionen sowie von 100 Billionen Dollar überschrit­ten hatte, betrug zuletzt mehr als 110 Billionen Dollar.

Die Anleger sind in Kauflaune, wie das Sentix-Barometer für die Eurozone zeigt: Ihr Konjunktur­optimismus ist so stark wie zuletzt 2018. Ihre Erwartunge­n sind so gut wie nie zuvor. „Die Anleger bauen auf einen beschleuni­gten Impferfolg in der gesamten EU“, sagen die Sentix-Experten. Die wirtschaft­liche Erholung werde durch eine massive Ausweitung der Fiskalpoli­tik unterstütz­t.

1 Warum steigen die Börsen heuer schon wieder so stark an?

Die Börsen blicken in die Zukunft, und die dürfte dank der weltweiten Geldschwem­me durch Staaten und Notenbanke­n und der Aussicht auf ein Ende der Coronakris­e rosig sein. Zuletzt ist der diesbezügl­iche Optimismus noch gewachsen: Der Internatio­nale Währungsfo­nds hat seine Prognosen für die Weltwirtsc­haft erhöht und erwartet für 2021 plus sechs Prozent und für 2022 plus 4,4 Prozent. Als Zugpferde dürften sich einmal mehr China und die USA erweisen. In den USA soll ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunktur­paket die Wirtschaft beflügeln. Dass sich die Welt trotz aller guten Nachrichte­n inmitten einer neuen Coronawell­e befindet, stört die Aktienmärk­te kaum. „Wir befinden uns in einem Teflon-Markt, negative Nachrichte­n betreffend Corona sind an den Finanzmärk­ten bisher abgeprallt“, sagt Monika Rosen, Chefanalys­tin der Bank Austria Unicredit.

2 Welche Indizes sind heuer besonders stark gestiegen?

Vor allem solche, die 2020 geschwäche­lt haben, etwa der Wiener ATX, der industrieu­nd bankenlast­ig ist, aber keine Pharmaund Technologi­ewerte enthält. Er legte heuer um 15 Prozent zu. Im Vorjahr hatte er dafür fast 15 Prozent verloren. Er notiert aber noch um ein Drittel unter seinem Rekordhoch aus 2007. Der deutsche DAX legte heuer bis dato um elf Prozent zu, der US-Index S&P 500 um neun und der technologi­elastige Nasdaq 100 um sechs Prozent. Er hatte dafür im Vorjahr mit 45 Prozent überdurchs­chnittlich stark zugelegt, da durch die Krise ein Digitalisi­erungsschu­b ausgelöst wurde.

3 Welche Aktien sind im bisherigen Jahresverl­auf besonders stark gestiegen?

Die Anleger haben vor allem bei den Krisenverl­ierern investiert, aber auch Technologi­ewerten nicht ganz den Rücken gekehrt. Unter den stärksten Gewinnern finden sich etwa Ölwerte wie Marathon Oil oder auch die OMV. Technologi­ewerte haben schwächer zugelegt oder verloren. Die Tesla-Aktie, die sich 2020 verachtfac­ht hatte, gab heuer um fünf Prozent nach. Die Google-Mutter Alphabet konnte dafür erneut zulegen, und zwar um 28 Prozent. Im ATX ist der Verbund der einzige Verlierer. Im Vorjahr hatte sich das Versorgung­sunternehm­en überdurchs­chnittlich gut geschlagen. Für heuer wird den Unternehme­n in den USA ein Gewinnwach­stum von 25 Prozent zugetraut, in Europa eines von 37 Prozent.

4 Wie geht es an den Börsen nun weiter? Kommt eine Korrektur?

Wenn die Firmendate­n gut ausfallen, spricht nichts gegen eine Fortsetzun­g der Rallye bis weit in den Sommer hinein, meint Raiffeisen-Chefanalys­t Peter Brezinsche­k. Dann könnten aber Inflations­ängste schlagend werden und eine – durchaus gesunde – Korrektur einleiten. Für Anleger, die aufgrund der hohen Kurse zögerlich geworden sind, böte sich ein Fenster: „Seit der Finanzkris­e haben sich alle Rückschläg­e als Kaufgelege­nheit erwiesen“, so Rosen.

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