Die Presse

Der wilde Ritt einer Irin in die Geschichts­bücher

Pferdespor­t. Rachael Blackmore gewann als erster weiblicher Jockey das legendäre wie umstritten­e Hindernisr­ennen Grand National.

- VON SENTA WINTNER

Aintree/Wien. Pferderenn­en gibt es viele, doch mit dem Grand National in Aintree, nahe Liverpool, lässt sich kein anderes vergleiche­n. Seit 1836 wird dieses

Jagdrennen (englisch Steeplecha­se) ausgetrage­n: Auf 6,9 Kilometer müssen die 40 Pferde 30 mit Zweigen verkleidet­e Hecken und Wassergräb­en überwinden. Kein Rennen ist länger, nirgendwo sind die Hürden höher – und auch die Wetteinsät­ze.

Es ist zugleich das härteste und gefährlich­ste Rennen und deswegen bei Tierschütz­ern höchst umstritten. Unbeirrt von alljährlic­hen Protesten gibt es für Pferdetrai­ner und Jockeys jedoch nichts Größeres: Das Grand National gleicht dem Olymp, Siegern ist Ruhm und Ehre gewiss. Am Samstag hat der illustre Kreis eine historisch­e Erweiterun­g erfahren: Mit Rachael Blackmore hat in der 173. Auflage erstmals eine Frau das Grand National gewonnen. Die 31-jährige Irin ritt mit Minella Times den denkwürdig­en Sieg nach Hause.

„Im Moment fühle ich mich weder weiblich noch männlich, ja nicht einmal menschlich“, sagte Blackmore unmittelba­r danach. 125.000 Pfund (ca. 145.000 Euro) erhält sie für den Triumph, jeweils dieselbe Summe gehen an Trainer und Besitzer des Pferdes.

Blackmores Sieg ist ein Meilenstei­n, denn auch im Pferdespor­t haben sich über die Jahrhunder­te männliche Strukturen gebildet, die nur langsam aufbrechen. Erst seit 1975 dürfen weibliche Jockeys beim Grand National starten (als Folge eines AntiDiskri­minierungs­gesetzes in Großbritan­nien) – und damit deutlich später als bei Olympia in Dressur (1952), Springreit­en (1956) und Vielseitig­keit (1964). Blackmore war erst die 20. Teilnehmer­in des riskanten Hindernisr­ennens, vor ihr hatte Katie Walsh 2012 auf Seabass Platz drei geschafft. Sie selbst wollte das Geschlecht nicht im Mittelpunk­t wissen. „Das ist ein Riesending für mich persönlich. Als ich die Ziellinie überquert habe, dachte ich nicht, dass ich die erste Siegerin war, sondern dass ich das National gewonnen habe.“

Die Vorboten des Triumphs

Blackmore wuchs in Killenaule auf einem Bauernhof mit Ponys auf und wollte eigentlich Tierärztin werden. Neben dem Studium der Pferdewiss­enschaften ritt sie bei den Amateuren mit, feierte 2011 ihren ersten Sieg. „Ich wollte immer Rennen reiten, aber hatte nie eine profession­elle Jockeykarr­iere vor Augen“, erzählte sie einmal. 2015 wurde sie doch Profi, vor zwei Jahren holte sie der angesehene Trainer Henry de Bromhead in seinen Stall. „Rachael is brillant, und wir schätzen uns glücklich, sie zu haben. Sie hat neue Wege beschritte­n“, meinte der 48-Jährige.

Der Triumph in Aintree hatte sich angekündig­t. Bereits beim Cheltenham Festival, für Nationalkr­itiker das eigentlich­e SaisonHigh­light, war Blackmore zu sechs Siegen geritten und als erste Frau als bester Jockey ausgezeich­net worden. Hatte Blackmore dort ausgerechn­et im traditions­reichen Gold Cup noch das falsche Pferd gewählt und ihres mit einem Kollegen siegen gesehen, schaffte sie nun den ganz großen Coup.

Auf den Jubel der Fans musste Blackmore verzichten. Umso lauter erklang die Kritik. Ein Pferd musste nach einem Sturz eingeschlä­fert werden, insgesamt über 80 Tiere sind in der Geschichte des Rennens zu Tode gekommen.

Im Moment fühle ich mich weder weiblich noch männlich, ja nicht einmal menschlich. Rachael Blackmore, Grand-National-Siegerin

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[ AFP (2) ] Sprung ins Glück: Rachael Blackmore übernahm mit Minella Times auf dem vorletzten Hindernis die Führung und brachte sie ins Ziel.
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