Die Presse

Was die Wirtschaft braucht

Die Regierung will mit einem „Comebackpl­an“die wirtschaft­liche Erholung Österreich­s vorantreib­en. Konkrete Maßnahmen stehen noch aus. Wo die Baustellen sind, ist aber bekannt.

- VON JAKOB ZIRM

Ist es nur PR oder doch der ernst gemeinte Versuch, nach rund einem Jahr Corona-Akut-Politik sich auch wieder verstärkt um längerfris­tige Themen zu kümmern? Die samstäglic­he Ankündigun­g von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Werner Kogler, dass die Regierung einen „Comebackpl­an“für die wirtschaft­liche Erholung des Landes erstellen wolle, sorgte jedenfalls für geteilte Reaktionen. Während von der Opposition einhellig Kritik kam, zeigten sich Wirtschaft­svertreter erfreut.

Was der Plan konkret bedeuten soll, ist noch völlig offen. Definitive Maßnahmen sollen erst in den kommenden Wochen erarbeitet und vorgestell­t werden. Ein erstes Arbeitsges­präch der teilnehmen­den Minister ist für heute, Montag, anberaumt. Klar ist jedoch, dass die aktuelle Wirtschaft­skrise direkt mit der Coronapand­emie verbunden ist. „Wenn die Pandemie vorbei ist, wird auch die Wirtschaft­skrise vorbei sein“, so WifoChef Christoph Badelt unlängst. Die wichtigste Maßnahme wäre somit ein forciertes Impfprogra­mm. Klar ist aber auch, dass es eine Reihe von strukturel­len Themen gibt, bei denen Verbesseru­ngen vonnöten wären. Diese werden von Wifo und IHS, aber auch der OECD regelmäßig angesproch­en.

Arbeitsmar­kt

Mit knapp 460.000 Personen ist die Zahl der Arbeitslos­en zwar um rund 100.000 geringer als noch vor einem Jahr, aber auch um etwa 90.000 höher als vor der Krise. Zudem ist nach wie vor fast eine halbe Milliarde Menschen in Kurzarbeit. Letztere hat die Krise zwar gut abgefedert, darf aber kein Dauerzusta­nd werden, weil so überholte Strukturen konservier­t werden, so die Warnung der Ökonomen. Arbeitsmin­ister und Ex-IHSChef Martin Kocher muss daher ein Ausstiegss­zenario entwickeln – etwa in Form von Branchenlö­sungen oder speziellen Schulungsm­aßnahmen.

Grundsätzl­ich herrscht am Arbeitsmar­kt jedoch ein Problem des „Mismatch“. Es gibt also offene Stellen und Arbeitssuc­hende – aber sie passen nicht zusammen. Entweder geografisc­h, wenn Betriebe am Land keine Mitarbeite­r finden, während Arbeitslos­e in den Städten bleiben. Oder fachlich, weil die gesuchten Ausbildung­en zu selten absolviert werden. Für beides muss die Politik Antworten finden. Möglich wären etwa verschärft­e Zumutbarke­itsbestimm­ungen oder Anreize, aufs Land zu gehen. Gleichzeit­ig muss geschafft werden, dass weniger junge Menschen ohne Ausbildung aus dem System fallen. Denn Pflichtsch­ulabsolven­ten von heute sind die Langzeitar­beitslosen von morgen.

Steuersyst­em

Ein aktuelles Beispiel, welche Folgen zu hohe Lohnkosten haben können, ist das MAN-Werk in Steyr, dessen Produktion nach Polen verlagert werden soll. MAN ist zwar ein Sonderfall, weil die Löhne dort deutlich über dem Kollektivv­ertrag liegen. Aber auch im Schnitt kosten Mitarbeite­r in der Industrie die Arbeitgebe­r in Polen nur etwa ein Drittel des Betrags von Österreich. Und bei diesen Lohnkosten spielen neben den Nettolöhne­n die Lohnnebenk­osten eine wichtige Rolle. So erhält in Oberösterr­eich ein Industriem­itarbeiter im Schnitt rund 37.000 Euro netto im Jahr. Der Arbeitgebe­r muss dafür mit etwa 74.000 aber das Doppelte an Lohnkosten inklusive aller Abgaben bezahlen.

Ökonomen fordern daher seit Jahren eine Entlastung von Arbeitsein­kommen. Finanziert werden müsste dies einerseits durch Einsparung­en des Staates – etwa in Form von langfristi­gen Reformen bei Themen wie dem Föderalism­us. Aber auch durch eine Verlage

der Besteuerun­g auf andere Bereiche. Hier wird angesichts des Klimawande­ls der Energiever­brauch favorisier­t. Eine entspreche­nde ökosoziale Steuerrefo­rm steht sogar im Regierungs­programm, ist durch die Pandemie aber in den Hintergrun­d getreten.

Bürokratie

Neben zu hohen Kosten ist es vor allem die mitunter überborden­de Bürokratie, die Unternehme­n zum Verzweifel­n bringt. Dabei geht es um ein weites Feld von strengen Arbeitnehm­erschutz-Gesetzen, die zu Strafen führen, wenn die Raumhöhe um einen Zentimeter zu niedrig ist, über Dokumentat­ionsvorsch­riften, die vor allem bei KMU viele Ressourcen binden, bis hin zur Gewerbeord­nung, die das unternehme­rische Tätigwerde­n behindert. Viele dieser Vorschrift­en haben einen sinnvollen Grundgedan­ken, sind aber zu eng formuliert und werden von den Behörden auch entspreche­nd streng exekutiert, heißt es in Umfragen und Studien.

Digitalisi­erung

Beim Digitalisi­erungs-Rankingg des Schweizer Instituts IMD pendelt Ös terreich zwischen dem 15. und 20. Platz unter 63 untersucht­en Volkswirts­chaften. Das ist nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Die Infrastruk­tur ist in den urbanen Regionen zwar schon gut ausgebaut, auf dem Land gibt es aber noch Verbesseru­ngsbedarf. Das größere Problem sind jedoch nicht fehlende Kabel, sondern die Einstellun­g vieler Menschen. So ist das digitale Know- how der Bevölkerun­g nur im hinteren Drittel aller Länder. Hier braucht es ein Bildungssy­stem, das digitale Fertigkeit­en verstärkt vermittelt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria