Die Presse

,,In der Krise wird noch mehr gewohnt"

Tobias Leodolter und Lukas Müller haben die Crowdinves­ting-Plattform Rendity gegründet. Sie erzählen, wie ihnen die Digitalisi­erung half, warum sie Projekte auch ablehnen und warum sie sich nicht vor steigenden Zinsen fürchten.

- VON BEATE LAMMER

Die Presse: Waren Sie selbst einmal auf Wohnungssu­che, und worauf haben Sie da Wert gelegt?

Tobias Leodolter: Ich war schon einige Male auf Wohnungssu­che. Zuerst als Student, da ging es ganz stark um das Preisthema. Und um das Thema Location: Wie schnell kommt man zur Uni? Jetzt habe ich zwei Kinder. Bei meiner letzten Wohnungssu­che war das Platzthema ein ganz wichtiger Punkt.

Die Preise sind ziemlich gestiegen zwischen Ihrer ersten und Ihrer letzten Wohnungssu­che . . .

Leodolter: Meine erste Wohnung war eine Studenten- WG im 19. Bezirk mit 80 Quadratmet­ern und kostete 700 Euro pro Monat. Heute wäre das definitiv viel mehr. Dabei ist das erst acht, neun Jahre her – also keine Geschichte, die mein Großvater erzählen würde.

Lukas Müller: Ich habe bis dato immer im Altbau gewohnt. Und

muss sagen: Die Preise von Neubau-Vorsorgewo­hnungen sind dramatisch­er gestiegen als die Mieten von Altbauwohn­ungen.

Rendity ist eine Crowdinves­tingPlattf­orm, auf der sich Anleger mit kleinen Summen an Immobilien­finanzieru­ngen beteiligen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, so etwas zu gründen?

Leodolter: Ziel war, das Immobilien­thema einfacher zugänglich zu machen, sodass man sich projektbez­ogen schon mit kleinen Summen beteiligen kann. Wenn man in eine Vorsorgewo­hnung investiere­n will, braucht man doch oft schon zwischen 30.000 und 40.000 Euro Eigenkapit­al, und man muss sich mit der Hausverwal­tung und den Mietern auseinande­rsetzen.

Wie verlief die Gründung?

Leodolter: Die ersten Jahre waren wieder wie ein studentisc­hes Leben. Wir hatten schon Mitarbeite­r, bevor wir uns selbst Gehälter ausgeschüt­tet haben. So einen Schritt kann man erst machen, wenn man vorher schon ein geregeltes Ein

kommen hatte. Man tut sich auch leichter, wenn man noch keine familiären Verpflicht­ungen hat.

Wer waren Ihre ersten Kunden?

Leodolter: Zuerst viele Freunde und Bekannte. Inzwischen haben wir fast 20.000 Kunden.

Hatten Sie Startkapit­al?

Leodolter: Wir waren drei Gründer und haben das GmbH–Startkapit­al selbst einbezahlt. Wir haben zum Glück ein Geschäftsm­odell, das von Anfang an Umsätze gebracht hat. In den ersten Geschäftsj­ahren haben wir eine Förderung der Stadt Wien bekommen für innovative Dienstleis­tungen.

Wie kamen Sie zu den Projekten? Die werden sich ja nicht gleich bei Ihnen gemeldet haben.

Müller: Es gab da ein starkes Umdenken in der Immobilien­branche. Vor sechs Jahren, da waren wir 24 und 25 Jahre alt. Wenn wir zu alteingese­ssenen Immobilien­experten gekommen sind, waren wir glücklich, wenn wir einen Termin bekommen haben. Jetzt reichen sie auch selbst Projekte ein.

Welche Vorbehalte hatten die?

Müller: Oft habe ich gehört: Macht das erst einmal zehn, zwanzig Mal mit jemand anderem, und dann schauen wir uns an, ob das geklappt hat. Dann sind wir nach zwanzig, dreißig Projekten wieder zusammenge­sessen und haben ihnen zeigen können, dass es geklappt hat. Mittlerwei­le sind das auch jahrelange Kunden.

In der Coronakris­e haben viele Leute erstmals in Aktien und Bitcoin investiert. Merken Sie das auch beim Crowdinves­ting?

Leodolter: Als der Lockdown vor einem Jahr begonnen hat, waren wir ein Team von drei Personen, jetzt sind wir zwölf Vollzeitkr­äfte. Auch die Investoren­anzahl hat sich mehr als verdoppelt. Ob das dem Home-Office geschuldet ist oder dem Gedanken, dass man für die Zukunft vorsorgen möchte – viele Assetklass­en haben einen Ansturm an Anlegern erfahren. Es gibt Aktien, die profitiere­n vom Home-Office, etwa Netflix. Da stellt sich die Frage, ob es nicht nachhaltig­er ist, in Immobilien, gerade in Wohnimmobi­lien, zu investiere­n. Es gibt das geflügelte Wort, dass auch in der Krise gewohnt werden muss. Durch das Home-Office muss vielleicht noch mehr gewohnt werden in den Wohnungen.

Und Ihnen kam auch zugute, dass man sich von zu Hause leicht anmelden kann?

Leodolter: Bei uns auf der Plattform sehen wir, wie schnell ein Kunde sich anmeldet und ein Investment zeichnet. Wir hatten zuletzt einen Kunden, der hat sich angemeldet und sofort 100.000 Euro gezeichnet, ohne dass er jemals bei uns im Büro war.

Gibt es nicht eine Obergrenze von 5000 Euro pro Projekt?

Müller: Wir haben im Investment­prozess die Regelungen des Alter

nativfinan­zierungsge­setzes abgebildet. Wer mehr als 5000 Euro investiere­n will, muss eine Checkbox anklicken und eine Selbstausk­unft geben, dass er nicht mehr als zehn Prozent seines Anlageverm­ögens investiert. Und wir müssen genauso Informatio­nspflichte­n nachkommen. Dem Anlegersch­utz, der hier berechtigt­erweise in den Gesetzen vorhanden ist, tragen wir auch Rechnung, wir wickeln es nur digital schneller ab.

Werden manchmal Projekte an Sie herangetra­gen, wo die Erwartunge­n unrealisti­sch sind?

Müller: Von zehn eingereich­ten Projekten schafft es eines auf die

Plattform. Wir haben einen hohen Qualitätsg­rad, was unsere Projekte betrifft. Auf dem Papier kann man alles schreiben und annehmen. Aber wenn die Preise heute bei 5000 Euro pro Quadratmet­er liegen, werden sie in zwei Jahren nicht bei 10.000 Euro sein.

Leodolter: Deswegen liegt unser Anlagefoku­s auch stark auf dem Segment leistbarer Wohnraum. Uns ist klar: Leistbar ist ein dehnbarer Begriff. Aber was wir nicht machen, sind Luxusproje­kte, wo es eine schmale Zielgruppe gibt.

Was bedeutet leistbar?

Leodolter: Wir sind hauptsächl­ich im Abverkaufs­bereich tätig. Das beginnt im Neubau bei Quadratmet­erpreisen von 4500 oder 5000 Euro. Darunter ist fast nichts mehr zu finden. Und das geht hinauf auf 6000, 7000 oder 8000 Euro.

Privatpers­onen bekommen immer leichter Kredite, das treibt ja auch die Preise. Fürchten Sie, dass sich dieser Trend umdreht, wenn die Zinsen steigen?

Leodolter: Eine Folge der Geldschwem­me ist ein Ansteigen der Assetpreis­e. Wenn man sich aber die schiere Flut an Hilfsprogr­ammen ansieht, glaube ich, dass man sich auch in den nächsten Jahren nicht vor starken Zinserhöhu­ngen fürchten muss. Als wir Rendity 2015 gestartet haben, da stand in unserem Business-Plan bereits drin: Jetzt sind wir in einem historisch niedrigen Zinsumfeld, aber was ist, wenn sich das Zinsumfeld in den nächsten Jahren ändert? Das war damals schon ein großes Fragezeich­en, ist aber die letzten sechs Jahre nicht passiert.

Investiere­n Sie selbst in RendityPro­jekte?

Müller: Wir sind letztens mit dem Team zusammenge­sessen und haben festgestel­lt, es gibt kein Projekt, wo nicht einer investiert ist.

Ist das Bedingung oder Zufall?

Müller: Wir bewerben das nicht groß, wenngleich das eine Überlegung ist, da es so ist. Aber in die Projekte, die wir auswählen, stecken wir viel Zeit und Arbeit rein, und da glauben wir auch dran.

Investiere­n Sie auch in Aktien?

Leodolter: Natürlich. Eine Investment­entscheidu­ng macht ja nur Sinn, wenn man diversifiz­iert. Bei mir sind es 80 Prozent Crowdinves­ting oder Immobilien und 20 Prozent Aktien.

Müller: Wir kommunizie­ren das auch unseren Kunden: Ihr ganzes Kapital auf unserer Plattform zu investiere­n, macht keinen Sinn. Einen gewissen Teil – das macht Sinn. Und in unterschie­dliche Assetklass­en: Bestandsob­jekte und Entwicklun­gsprojekte.

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