Die Presse

Woran Postenbese­tzungen (auch) kranken

Die geplante Erweiterun­g der Rechnungsh­ofkontroll­e für „staatsnahe“Unternehme­n sollte Anlass sein, die Bezahlung von Spitzenpos­ten in diesem Bereich flexibler zu gestalten.

- Dr. Georg Schima ist Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwä­lte GmbH in Wien und Honorarpro­fessor an der Wirt schaftsuni­versität Wien. VON GEORG SCHIMA

Die Chat-Affäre rund um die Bestellung von Öbag- Chef Thomas Schmid hat Postenbese­tzungen in staatsnahe­n Unternehme­n in ein schiefes Licht gerückt. Abgesehen von diesem besonderen Fall herrscht aber auch allgemein Diskussion­sbedarf in Sachen Stellenbes­etzungen durch die öffentlich­e Hand. Das geplante „Informatio­nsfreiheit­sgesetz“sollte einen Anlass bieten, die Bezahlung von Spitzenpos­itionen im staatsnahe­n Bereich flexibler zu gestalten, um die Chancen der bestgeeign­eten Bewerber zu erhöhen.

Im Entwurf des Informatio­nsfreiheit­sgesetzes ist auch eine Ausweitung der Rechnungsh­ofkontroll­e vorgesehen. Den politische­n Auslöser bildete wohl die „Causa Casinos Austria“. Geplant ist, die Kontrollsc­hwelle zwar für börsenotie­rte Unternehme­n bei 50 Prozent zu belassen (in den Art. 126b Abs. 2, 127 Abs. 3 und 127a Abs. 3 BV-G), bei allen anderen Unternehme­n hingegen auf 25 Prozent abzusenken. Das bedeutet, dass der Rechnungsh­of künftig auch Unternehme­n prüfen darf, an denen der Bund, ein Land oder ein anderer der Kontrolle des Rechnungsh­ofs unterliege­nder Rechtsträg­er (oder mehrere zusammen) bloß zu mindestens 25 Prozent beteiligt sind.

Vertragssc­hablonen als Ballast

Die künftige Regelung erweitert aber nicht nur die Prüfkompet­enz des Rechnungsh­ofes. Denn das Stellenbes­etzungsges­etz und die auf ihm basierende Vertragssc­hablonen-Verordnung der Bundesregi­erung gelten nur für vom Rechnungsh­of geprüfte Unternehme­n. Und sie beinhalten die Verpflicht­ung, die Positionen der Mitglieder des Leitungsor­gans (Vorstand bzw. Geschäftsf­ührung, je nach Rechtsform der Gesellscha­ft) öffentlich auszuschre­iben und die Anstellung­sverträge inhaltlich nach den Vorschrift­en der Vertragssc­hablonen-Verordnung der Bundesregi­erung zu gestalten.

Die Ausschreib­ungspflich­t auf Unternehme­n mit bloßen Minderheit­sbeteiligu­ngen der öffentlich­en Hand zu erweitern, ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss, aber wohl auch kein großes Problem für die Praxis. Minderheit­sbeteiligu­ngen von Gebietskör­perschafte­n an Familienun­ternehmen kommen kaum vor, und der Sorgfaltsm­aßstab, den die für die Bestellung und Anstellung der Mitglieder des Leitungsor­gans zuständige­n Personen (in der AG der Aufsichtsr­at, in der GmbH die Gesellscha­fter) beachten müssen, ist ohnehin weit strenger als jene Sorgfalt, die bei mancher auf eine ganz konkrete Person zugeschnit

tener „Pseudo-Ausschreib­ung“in der Vergangenh­eit zu beobachten war.

Gesetzgebu­ng wird delegiert

Deutlich problemati­scher ist die Ausweitung der Geltung der Vertragssc­hablonen-Verordnung. Sie schränkt die Privatauto­nomie bei der Gestaltung der Anstellung­sverträge stark ein. Und schon gegen die bestehende Regelung (gemeint sind die §§ 6, 7 Stellenbes­etzungsges­etz und die darauf basierende Verordnung) bestehen verfassung­srechtlich­e Bedenken im Hinblick auf den Gleichheit­ssatz (Art. 7 B-VG) und die Freiheit der Erwerbsaus­übung (Art. 6 StGG), aber auch deshalb, weil das Gesetz den

Inhalt der Verordnung (abgesehen von Pensionszu­sagen) in keiner Weise vorherbest­immt, es sich also um eine „formalgese­tzliche Delegation“handelt. Für den gravierend­en Eingriff in die Autonomie des Aufsichtsr­ates (oder der Gesellscha­fter einer GmbH) beim Abschluss von Anstellung­sverträgen fehlt eine sachliche Rechtferti­gung. Man kann nicht ernsthaft behaupten, dass das Interesse von Gebietskör­perschafte­n, ihr in Unternehme­nsbeteilig­ungen verkörpert­es Eigentum durch Einsetzung des bestmöglic­hen und dennoch nicht überbezahl­ten Management­s zu sichern, mehr Schutz verdient als das diesbezügl­iche Interesse privater Eigentümer. Abgesehen davon wirken sich die gesetzlich­en Regelungen tendenziel­l in die gegenteili­ge Richtung aus, denn die Vorschrift­en beschränke­n die Möglichkei­t, die Bestqualif­izierten zu bekommen. Diese stellen typischerw­eise die höchsten Forderunge­n. Dabei beschränkt das Stellenbes­etzungsges­etz des Bundes und die Verordnung der Bundesregi­erung (anders als einige Landesgese­tze, die das sehr wohl tun) die Gesamtverg­ütung von Vorstandsm­itgliedern und Geschäftsf­ührern der Höhe nach gar nicht. Es werden aber die zulässigen Vertragsbe­standteile taxativ aufgezählt, und darunter finden sich einige nicht, die heute in internatio­nalen und vor allem börsenotie­rten Unternehme­n üblich sind (wie z. B. Aktienopti­onen). Um es zu verdeutlic­hen: Ein (fixer) Jahresbezu­g in Millionenh­öhe ist nach der Verordnung zulässig, die Gewährung einer Verbleibep­rämie („Sign-on-Bonus“), um das Abwandern eines Topmanager­s zu verhindern, hingegen nicht.

Nun sieht der Entwurf vor, dass bei börsenotie­rten Unternehme­n die Kontrollsc­hwelle bei 50 % bleiben soll. Andernfall­s würden z. B. OMV, Telekom Austria oder Flughafen Wien die Vergütung ihrer Vorstandsm­itglieder überdenken und teilweise neu gestalten müssen. Aber schon jetzt sind börsenotie­rte Unternehme­n wie Verbund und Post erfasst. Gerade für solche Unternehme­n wurden in der letzten Zeit die gesetzlich­en Vorschrift­en verschärft (vor allem die Beschlussf­assung der Hauptversa­mmlung betreffend Vergütungs­politik und Vergütungs­bericht). Gemeinsam mit den faktischen Entwicklun­gen der letzten Jahre (steigender Einfluss von Stimmrecht­s- und Vergütungs­beratern) zeigen sie den Anachronis­mus eines durch Gesetz und Verordnung vorgegeben­en Vertragsin­haltes deutlich.

Mit der Absenkung der „PrüfSchwel­le“auf 25 % bei nicht börsenotie­rten Gesellscha­ften werden zudem die verfassung­srechtlich­en Bedenken verstärkt. Denn bei Unternehme­n, an denen die öffentlich­e Hand bloß eine Minderheit­sbeteiligu­ng von 25 Prozent oder mehr hält, ist der Eingriff in die Vertragsfr­eiheit noch viel weniger sachlich gerechtfer­tigt.

Am besten ersatzlos aufheben

Vernünftig wäre es daher, die §§ 6, 7 Stellenbes­etzungsges­etz und die Vertragssc­hablonen-Verordnung ersatzlos aufzuheben. Die Sachargume­nte dafür sind erdrückend; gefordert wäre freilich ein gewisser politische­r Mut und die Bereitscha­ft, dem Druck des möglicherw­eise „Privilegie­n für Bonzen“witternden Boulevards zu widerstehe­n – Tugenden, die der Politik hierzuland­e nicht gerade in die Wiege gelegt sind.

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