Die Presse

Wie der Ost-Lockdown wirkt

-

6

Warum ist die Zahl der Intensivpa­tienten in Wien besonders hoch?

Seit Wochen erreicht die Zahl der Intensivpa­tienten in Wien beinah täglich einen neuen Höchstwert, aktuell sind es 245, während die Lage in anderen Ländern mit einer ähnlichen Sieben-Tage-Inzidenz stabil ist. Dieses Phänomen ist kein Mysterium. Die ansteckend­ere und aggressive­re britische Variante erreichte Anfang des Jahres zunächst Ostösterre­ich und breitete sich Richtung Westen aus – was insofern relevant ist, als diese Mutante zu längeren Spitalsauf­enthalten führt als der Wildtyp. Manche Patienten liegen mehrere Wochen auf der Intensivst­ation. Im Osten des Landes sind also immer noch Personen schwer krank, die sich vor ein bis zwei Monaten angesteckt haben. Westliche Bundesländ­er haben hinsichtli­ch der Ausbreitun­g der Variante einen Vorsprung von drei bis vier Wochen.

Hinzu kommt, dass die Bevölkerun­g Wiens – aus diversen Gründen wie etwa Bewegungsm­angel – seit jeher als ungesünder gilt als jene in den Bundesländ­ern, vor allem, was Übergewich­t, Diabetes, Bluthochdr­uck und Herzerkran­kungen angeht. Das sind typische Risikofakt­oren für schwere Verläufe. Für diese These spricht auch, dass Wien selbst in den Monaten eine hohe Zahl an Intensivpa­tienten aufwies, als die SiebenTage-Inzidenz die österreich­weit niedrigste war. Der Umstand, dass Wiener Spitäler wegen ihrer Spezialisi­erung wiederholt Patienten aus benachbart­en Bundesländ­ern aufgenomme­n haben, obwohl dort noch Kapazitäte­n vorhanden gewesen sind, erklärt diese Situation nur zum Teil, weil das immer nur in überschaub­arer Zahl geschehen ist.

Ein weiterer Punkt: In Wien wurde – anders als etwa in Vorarlberg – beim Impfprogra­mm nicht nur auf die konsequent­e Durchimpfu­ng der ältesten Bevölkerun­gsschichte­n Wert gelegt, sondern es wurden besonders exponierte Berufsgrup­pen wie etwa Lehrer priorisier­t. Diese Strategie hat zwar ihre Berechtigu­ng und ist kein Widerspruc­h zum nationalen Impfplan, führte aber dazu, dass ältere Menschen mit höherem Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf später an die Reihe kamen und sich in der Zwischenze­it ansteckten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria