Die Presse

EU lehnt Zahlung von Montenegro­s Schulden ab

Westbalkan. Die neue montenegri­nische Regierung sieht sich außerstand­e, einen chinesisch­en Kredit über rund eine Milliarde Euro für den Bau einer umstritten­en Autobahn zu begleichen. In Brüssel holt sie sich jedoch eine Absage.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Die trotz Warnungen unabhängig­er Fachleute in Angriff genommene Autobahn quer durch Montenegro droht das kleine Westbalkan­land in eine Staatskris­e zu stürzen. Die seit Herbst vorigen Jahres im Amt befindlich­e neue Regierung hat in Brüssel um Hilfe bei der Rückzahlun­g eines Kredits in der Höhe von knapp einer Milliarde Euro bei der staatliche­n chinesisch­en Exim Bank angesucht. Dieses rund 944 Millionen Dollar schwere Darlehen dient der Finanzieru­ng des Baus der rund 160 Kilometer langen Autobahn vom Adriahafen Bar nach Boljare an der Grenze zu Serbien.

„Montenegro ist klein genug, dass das eine einfache Lösung sein sollte“, sagte Finanzmini­ster Milojko Spajic´ am Wochenende zur „Financial Times“.

Doch in Brüssel will man davon nichts wissen. „Wir zahlen keine Kredite zurück, die sie bei Dritten aufnehmen“, erklärte ein Sprecher der Kommission am Montag auf Frage der „Presse“. Die EU habe hinsichtli­ch der „sozioökono­mischen Folgen von Chinas Tun in diesem Land Bedenken“, fügte er hinzu. Sie befürchte „makroökono­mische Ungleichge­wichte und Schuldenab­hängigkeit“.

20 Mio. Euro pro Kilometer

Mit diesen Befürchtun­gen ist die Kommission nicht allein. Das Projekt der ersten echten Autobahn Montenegro­s wurde bereits zweimal, in den Jahren 2006 und 2012, von unabhängig­en Experten als unwirtscha­ftlich bewertet. Es sei schlicht zu wenig Verkehr zu erwarten, um so hohe Ausgaben zu rechtferti­gen.

Doch die seit der Unabhängig­keit von Jugoslawie­n bis Herbst 2020 regierende Partei des derzeitige­n Staatspräs­identen, Milo Djukanovic,´ hatte sich dieses Prestigepr­ojekt in den Kopf gesetzt. 2014 schloss Montenegro den Vertrag mit der China Road and Bridge Corporatio­n, einem Staatskonz­ern des kommunisti­schen Regimes. Die Finanzieru­ng von 85 Prozent der Strecke soll über das genannte Darlehen bei der chinesisch­en Staatsbank erfolgen. Für den Rest der Strecke hat die vormalige Regierung sich bereits zweimal eine Absage bei der Europäisch­en Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g (EBRD) geholt. Laut Finanzmini­ster Spajic´ kostet jeder der 41 bisher fertiggest­ellten Kilometer rund 20 Millionen Euro: Kaum eine Autobahn auf der Welt ist so teuer.

Nach dem Regierungs­wechsel in Podgorica wurden die Probleme dieses Projekts nach und nach deutlicher. Das Zieldatum zur Fertigstel­lung der Arbeiten verstrich

Ende September. Nun soll die Autobahn im Juni heurigen Jahres fertig werden. Doch Anfang März begann die montenegri­nische Justiz Ermittlung­en in der Frage, wie es möglich war, dass die Bauarbeite­n ohne vorherige Umweltvert­räglichkei­tsprüfung beginnen konnten. Es drohe schwerer Schaden am Fluss Tara, der seit 1977 zum Unesco-Weltkultur­erbe zählt.

Geopolitis­ches Ringen

Diese Episode verdeutlic­ht die Gefahren des Ringens um die Vormacht auf dem Balkan. Die EU hat zwar in den Jahren 2014 bis 2020 in Summe 279 Millionen Euro Vorbeitrit­tshilfen an Montenegro gezahlt. Diese Mittel sind aber stets an unzählige Reformbedi­ngungen geknüpft, während China noch größere Summen ohne Nachfragen freimacht – und darum nun Gläubiger von einem Viertel der Staatsschu­lden des Landes ist.

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