Störfeuer gegen die Atomgespräche
Iran. Nach der Attacke auf Nuklearanlage in Natanz droht Teheran Israel mit Rache. Irans Präsident gerät unter Druck der Hardliner.
Istanbul/Teheran. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm eskaliert. Die Führung in Teheran macht Israel für eine Attacke auf Irans wichtige Nuklearanlage in Natanz verantwortlich und droht mit Vergeltung. Irans Außenminister Javad Zarif warf Israels Regierung vor, die Atomgespräche in Wien stören zu wollen, die Mitte dieser Woche wieder aufgenommen werden sollen. „Wir werden nicht erlauben, dass diese Aktionen die Verhandlungen sabotieren“, sagte Zarif. „Aber wir werden uns an den Zionisten rächen.“
Zugleich erhielt das Regime in Teheran auch an einer anderen Front einen – zumindest symbolischen – Schlag versetzt: Die EU hat am Montag ihre Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen im Iran ausgeweitet. Acht Vertreter der iranischen Sicherheitsbehörden stehen nun wegen ihrer Rolle bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste im November 2019 auf der EU-Sanktionsliste.
Eine Aktion des Mossad?
Der Iran und die internationalen Verhandler hatten sich nach Gesprächen in Wien noch am Freitag zuversichtlich über eine mögliche Einigung geäußert. Einen Tag später irritierte Irans Präsident Hassan Rohani den Westen, indem er in Natanz neue Gaszentrifugen für die Anreicherung von Uran einweihte. Am Sonntag gab es dann eine Explosion und einen Stromausfall in Natanz. Zentrifugen wurden außer Gefecht gesetzt – das Anreicherungsprogramm um bis zu neun Monate zurückgeworfen.
Drei Jahre nach dem Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll, bieten die Wiener Verhandlungen eine Chance, den Vertrag zu retten. US-Präsident Joe Biden will sein Land in das Abkommen zurückführen. Er verlangt vor einem Abbau der US-Sanktionen vom Iran, die Urananreicherung wieder auf das vertragliche Maß zu reduzieren. In Wien wird besprochen, wie ein Sanktionsabbau und die Rückkehr des Iran zur Vertragstreue koordiniert werden können.
Die Atmosphäre bei den Verhandlungen, die bisher als konstruktiv gelobt wurde, dürfte sich nun ändern. Irans Außenminister Zarif steht nicht nur vor der Frage, wie die von ihm angedrohte Vergeltung gegen die überlegenen Israelis aussehen soll. Er muss auch einkalkulieren, dass Aktionen gegen Israel zum Abbruch der Wiener Gespräche führen könnten.
Dass Israel hinter der Explosion in Natanz steckt, scheint so gut wie sicher. Israelische Medien berichteten, der Geheimdienst Mossad habe die Atomanlage angegriffen. Die „New York Times“zitierte amerikanische und israelische Geheimdienstvertreter mit ähnlichen Aussagen. Nach iranischen Angaben wurde eine Person als mutmaßlicher Täter ausgemacht und gesucht. Die Urananreicherung gehe trotzdem weiter. Israel hat Natanz schon länger im Visier. Im vergangenen Sommer richtete eine ebenfalls den Israelis zugeschriebene Bombenexplosion in der Anlage schwere Schäden an. Der Iran macht Israel auch für die Ermordung des Atomwissenschaftlers Mohsen Fakhrizadeh im vergangenen Jahr verantwortlich.
„Jetzt werden Messer gezückt“
Anders als Biden will Israels Regierung keine Verständigung mit dem Iran. Sie plädiert für einen harten Kurs gegen das Regime in Teheran. Für Irans Regierung ist die Explosion eine Demütigung, die sie innenpolitisch weiter schwächt. Außenminister Zarif und Präsident Rohani haben ihr ganzes politisches Kapital in das Vorhaben gesteckt, durch eine Einigung im Atomstreit die iranische Wirtschaft von den Sanktionen zu befreien und der Bevölkerung mehr Wohlstand zu bescheren. Nach Bidens Kurswechsel hofften sie auf rasche Lösungen noch vor der iranischen Präsidentenwahl im Juni, um den Hardlinern in Teheran Paroli bieten zu können. Ohne einen solchen Erfolg dürfte der Sieg eines antiwestlichen Kandidaten bei der Wahl kaum abzuwenden sein.
Jetzt aber sehen sich die Gegner Zarifs und Rohanis in ihrer Überzeugung bestätigt, dass dem Westen nicht zu trauen sei. Sie hatten schon vor dem Anschlag kritisiert, die Wiener Verhandlungen seien sinnlos. Der Druck der Hardliner auf die gesprächsbereiten iranischen Politiker sei bereits hoch, schrieb Ali Vaez, von der Denkfabrik International Crisis Group, auf Twitter. Nach dem Anschlag von Natanz würden in Teheran nun wohl „die Messer gezückt“.