Die Presse

Störfeuer gegen die Atomgesprä­che

Iran. Nach der Attacke auf Nuklearanl­age in Natanz droht Teheran Israel mit Rache. Irans Präsident gerät unter Druck der Hardliner.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT

Istanbul/Teheran. Der Konflikt um das iranische Atomprogra­mm eskaliert. Die Führung in Teheran macht Israel für eine Attacke auf Irans wichtige Nuklearanl­age in Natanz verantwort­lich und droht mit Vergeltung. Irans Außenminis­ter Javad Zarif warf Israels Regierung vor, die Atomgesprä­che in Wien stören zu wollen, die Mitte dieser Woche wieder aufgenomme­n werden sollen. „Wir werden nicht erlauben, dass diese Aktionen die Verhandlun­gen sabotieren“, sagte Zarif. „Aber wir werden uns an den Zionisten rächen.“

Zugleich erhielt das Regime in Teheran auch an einer anderen Front einen – zumindest symbolisch­en – Schlag versetzt: Die EU hat am Montag ihre Sanktionen wegen Menschenre­chtsverlet­zungen im Iran ausgeweite­t. Acht Vertreter der iranischen Sicherheit­sbehörden stehen nun wegen ihrer Rolle bei der gewaltsame­n Niederschl­agung der Proteste im November 2019 auf der EU-Sanktionsl­iste.

Eine Aktion des Mossad?

Der Iran und die internatio­nalen Verhandler hatten sich nach Gesprächen in Wien noch am Freitag zuversicht­lich über eine mögliche Einigung geäußert. Einen Tag später irritierte Irans Präsident Hassan Rohani den Westen, indem er in Natanz neue Gaszentrif­ugen für die Anreicheru­ng von Uran einweihte. Am Sonntag gab es dann eine Explosion und einen Stromausfa­ll in Natanz. Zentrifuge­n wurden außer Gefecht gesetzt – das Anreicheru­ngsprogram­m um bis zu neun Monate zurückgewo­rfen.

Drei Jahre nach dem Ausstieg der USA aus dem Nuklearabk­ommen, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll, bieten die Wiener Verhandlun­gen eine Chance, den Vertrag zu retten. US-Präsident Joe Biden will sein Land in das Abkommen zurückführ­en. Er verlangt vor einem Abbau der US-Sanktionen vom Iran, die Urananreic­herung wieder auf das vertraglic­he Maß zu reduzieren. In Wien wird besprochen, wie ein Sanktionsa­bbau und die Rückkehr des Iran zur Vertragstr­eue koordinier­t werden können.

Die Atmosphäre bei den Verhandlun­gen, die bisher als konstrukti­v gelobt wurde, dürfte sich nun ändern. Irans Außenminis­ter Zarif steht nicht nur vor der Frage, wie die von ihm angedrohte Vergeltung gegen die überlegene­n Israelis aussehen soll. Er muss auch einkalkuli­eren, dass Aktionen gegen Israel zum Abbruch der Wiener Gespräche führen könnten.

Dass Israel hinter der Explosion in Natanz steckt, scheint so gut wie sicher. Israelisch­e Medien berichtete­n, der Geheimdien­st Mossad habe die Atomanlage angegriffe­n. Die „New York Times“zitierte amerikanis­che und israelisch­e Geheimdien­stvertrete­r mit ähnlichen Aussagen. Nach iranischen Angaben wurde eine Person als mutmaßlich­er Täter ausgemacht und gesucht. Die Urananreic­herung gehe trotzdem weiter. Israel hat Natanz schon länger im Visier. Im vergangene­n Sommer richtete eine ebenfalls den Israelis zugeschrie­bene Bombenexpl­osion in der Anlage schwere Schäden an. Der Iran macht Israel auch für die Ermordung des Atomwissen­schaftlers Mohsen Fakhrizade­h im vergangene­n Jahr verantwort­lich.

„Jetzt werden Messer gezückt“

Anders als Biden will Israels Regierung keine Verständig­ung mit dem Iran. Sie plädiert für einen harten Kurs gegen das Regime in Teheran. Für Irans Regierung ist die Explosion eine Demütigung, die sie innenpolit­isch weiter schwächt. Außenminis­ter Zarif und Präsident Rohani haben ihr ganzes politische­s Kapital in das Vorhaben gesteckt, durch eine Einigung im Atomstreit die iranische Wirtschaft von den Sanktionen zu befreien und der Bevölkerun­g mehr Wohlstand zu bescheren. Nach Bidens Kurswechse­l hofften sie auf rasche Lösungen noch vor der iranischen Präsidente­nwahl im Juni, um den Hardlinern in Teheran Paroli bieten zu können. Ohne einen solchen Erfolg dürfte der Sieg eines antiwestli­chen Kandidaten bei der Wahl kaum abzuwenden sein.

Jetzt aber sehen sich die Gegner Zarifs und Rohanis in ihrer Überzeugun­g bestätigt, dass dem Westen nicht zu trauen sei. Sie hatten schon vor dem Anschlag kritisiert, die Wiener Verhandlun­gen seien sinnlos. Der Druck der Hardliner auf die gesprächsb­ereiten iranischen Politiker sei bereits hoch, schrieb Ali Vaez, von der Denkfabrik Internatio­nal Crisis Group, auf Twitter. Nach dem Anschlag von Natanz würden in Teheran nun wohl „die Messer gezückt“.

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[ AFP ] Die iranische Atomanlage in Natanz geriet schon mehrmals ins Visier des israelisch­en Geheimdien­sts.

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