Die Presse

Künftig wieder mildere Strafen bei Vergewalti­gung?

Strafvollz­ug. Ein von Justizmini­sterin Alma Zadi´c (Grüne) präsentier­tes Expertenpa­pier sieht die Ausweitung der Bewährungs­strafen vor.

- VON MANFRED SEEH

Wien. „Delikte gegen Leib und Leben sowie Sexualdeli­kte werden im Vergleich zu den Vermögensd­elikten zu milde bestraft.“Um dieser oft gehörten Meinung zu begegnen, gab es zuletzt mehrere Gesetzesno­vellen. Erst im Vorjahr trat das von Türkis-Blau geschnürte Gewaltschu­tzpaket in Kraft. Vergewalti­gung wird seither strenger bestraft. Dies könnte sich wieder ändern. Und zwar im Rahmen der geplanten Strafvollz­ugsreform.

Die Mindeststr­afe für Vergewalti­gung ist von einem Jahr auf zwei Jahre Haft erhöht worden (Höchststra­fe: zehn Jahre). Weiters gilt seit 1. Jänner 2020, dass eine Strafe wegen Vergewalti­gung nicht (zur Gänze) bedingt nachgesehe­n werden darf. Ein Vergewalti­ger kann keine Bewährungs­strafe bekommen, sondern muss „sitzen“.

Hier setzt eine von Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne) einberufen­e Arbeitsgru­ppe an. Diese hat sich mit der Entlastung der Gefängniss­e befasst. Eine der Forderunge­n der Arbeitsgru­ppe – deren Bericht wurde am Freitag wie berichtet präsentier­t – hat es in sich: So empfehlen die „Vertreter der Wissenscha­ft“in der von Justizress­ort-Sektionsle­iter Friedrich Koenig geleiteten Gruppe, „die (teil) bedingte Strafnachs­icht bei jedem Delikt zuzulassen (...)“. Also auch bei Vergewalti­gung.

Dieses Delikt wird in dem 81-Seiten-Papier als dogmatisch­er Ausreißer ausdrückli­ch erwähnt. Und es wird darauf aufmerksam gemacht, dass selbst bei Mord eine bedingte Haftstrafe möglich ist – allerdings nur unter äußerst speziellen Bedingunge­n, nämlich nur dann, wenn der Richter das außerorden­tliche Milderungs­recht anwendet, wenn er also findet, dass die Milderungs- die Erschwerun­gsgründe weit überwiegen. Und wenn die gemilderte Strafe nicht mehr als fünf Jahre beträgt.

Die vom Justizress­ort beauftragt­en Fachleute (Rechtswiss­enschaftle­r, Strafvollz­ugs-Experten, Beamte etc.) wollen nicht nur die Wiedereinf­ührung der Bewährungs­strafe beim Delikt Vergewalti­gung – sie verlangen zusätzlich­e Änderungen: Die Kriterien, mit denen Gerichte über die Frage „Bewährungs­strafe – ja oder nein?“entscheide­n, sollten eingeschrä­nkt werden. Das Kriterium „Generalprä­vention“sei hier überflüssi­g.

Einfacher gesagt: Gerichte sollten sich hier künftig nicht mehr um die öffentlich abschrecke­nde Wirkung von Strafen kümmern, sondern: Es sollte nur noch die Strafwirku­ng auf den Täter (Spezialprä­vention) zählen.

Abkehr vom strengen Kurs

Dies, nämlich nur noch den Täter und dessen Zukunft im Auge zu behalten, empfiehlt die Arbeitsgru­ppe übrigens auch bei der Frage, ob jemand vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden soll. Würde man Überlegung­en zur öffentlich abschrecke­nden Wirkung von Haftstrafe­n künftig beiseitela­ssen, könne man auf die Art die Anhaltedau­er in der Haft verkürzen. In diesem Zusammenha­ng erinnert Zadic´ daran, dass vorzeitig entlassene Täter seltener rückfällig werden, als solche, die bis zum letzten Tag „schmoren“müssen. Setzt sich die Ministerin mit der Linie der Experten durch, wäre dies freilich eine Abkehr von der Lawand-Order-Linie, die zuletzt unter Türkis-Blau für diverse Verschärfu­ngen im Strafrecht gesorgt hat.

Übrigens: Auch den Regierungs­entwurf (vom Innenresso­rt in die Begutachtu­ng geschickt), der Razzien bei Behörden künftig weitgehend unmöglich machen würde, will Zadic´ nicht hinnehmen, wie sie am Montag nach einem Expertenge­spräch erneut bekräftigt­e.

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