Künftig wieder mildere Strafen bei Vergewaltigung?
Strafvollzug. Ein von Justizministerin Alma Zadi´c (Grüne) präsentiertes Expertenpapier sieht die Ausweitung der Bewährungsstrafen vor.
Wien. „Delikte gegen Leib und Leben sowie Sexualdelikte werden im Vergleich zu den Vermögensdelikten zu milde bestraft.“Um dieser oft gehörten Meinung zu begegnen, gab es zuletzt mehrere Gesetzesnovellen. Erst im Vorjahr trat das von Türkis-Blau geschnürte Gewaltschutzpaket in Kraft. Vergewaltigung wird seither strenger bestraft. Dies könnte sich wieder ändern. Und zwar im Rahmen der geplanten Strafvollzugsreform.
Die Mindeststrafe für Vergewaltigung ist von einem Jahr auf zwei Jahre Haft erhöht worden (Höchststrafe: zehn Jahre). Weiters gilt seit 1. Jänner 2020, dass eine Strafe wegen Vergewaltigung nicht (zur Gänze) bedingt nachgesehen werden darf. Ein Vergewaltiger kann keine Bewährungsstrafe bekommen, sondern muss „sitzen“.
Hier setzt eine von Justizministerin Alma Zadic´ (Grüne) einberufene Arbeitsgruppe an. Diese hat sich mit der Entlastung der Gefängnisse befasst. Eine der Forderungen der Arbeitsgruppe – deren Bericht wurde am Freitag wie berichtet präsentiert – hat es in sich: So empfehlen die „Vertreter der Wissenschaft“in der von Justizressort-Sektionsleiter Friedrich Koenig geleiteten Gruppe, „die (teil) bedingte Strafnachsicht bei jedem Delikt zuzulassen (...)“. Also auch bei Vergewaltigung.
Dieses Delikt wird in dem 81-Seiten-Papier als dogmatischer Ausreißer ausdrücklich erwähnt. Und es wird darauf aufmerksam gemacht, dass selbst bei Mord eine bedingte Haftstrafe möglich ist – allerdings nur unter äußerst speziellen Bedingungen, nämlich nur dann, wenn der Richter das außerordentliche Milderungsrecht anwendet, wenn er also findet, dass die Milderungs- die Erschwerungsgründe weit überwiegen. Und wenn die gemilderte Strafe nicht mehr als fünf Jahre beträgt.
Die vom Justizressort beauftragten Fachleute (Rechtswissenschaftler, Strafvollzugs-Experten, Beamte etc.) wollen nicht nur die Wiedereinführung der Bewährungsstrafe beim Delikt Vergewaltigung – sie verlangen zusätzliche Änderungen: Die Kriterien, mit denen Gerichte über die Frage „Bewährungsstrafe – ja oder nein?“entscheiden, sollten eingeschränkt werden. Das Kriterium „Generalprävention“sei hier überflüssig.
Einfacher gesagt: Gerichte sollten sich hier künftig nicht mehr um die öffentlich abschreckende Wirkung von Strafen kümmern, sondern: Es sollte nur noch die Strafwirkung auf den Täter (Spezialprävention) zählen.
Abkehr vom strengen Kurs
Dies, nämlich nur noch den Täter und dessen Zukunft im Auge zu behalten, empfiehlt die Arbeitsgruppe übrigens auch bei der Frage, ob jemand vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden soll. Würde man Überlegungen zur öffentlich abschreckenden Wirkung von Haftstrafen künftig beiseitelassen, könne man auf die Art die Anhaltedauer in der Haft verkürzen. In diesem Zusammenhang erinnert Zadic´ daran, dass vorzeitig entlassene Täter seltener rückfällig werden, als solche, die bis zum letzten Tag „schmoren“müssen. Setzt sich die Ministerin mit der Linie der Experten durch, wäre dies freilich eine Abkehr von der Lawand-Order-Linie, die zuletzt unter Türkis-Blau für diverse Verschärfungen im Strafrecht gesorgt hat.
Übrigens: Auch den Regierungsentwurf (vom Innenressort in die Begutachtung geschickt), der Razzien bei Behörden künftig weitgehend unmöglich machen würde, will Zadic´ nicht hinnehmen, wie sie am Montag nach einem Expertengespräch erneut bekräftigte.