Maria Callas – bestohlen, missbraucht, betrogen
Biografie. Zeigen bisher unveröffentlichte Briefe der Sängerin Details ihres tragischen Lebens in neuem Licht?
Heute würde man es als „date rape“bezeichnen, sagt Lyndsy Spence, Autorin einer im Juni erscheinenden Callas-Biografie, in einem Interview im „Guardian“: Ein naher Freund der großen Sängerin erzähle in seinem Tagebuch davon, wie Aristoteles Onassis die als Diva gefeierte Sängerin unter Drogen gesetzt habe – vor allem, so Spence, „aus sexuellen Gründen“.
Es sind aber vor allem bisher unveröffentlichte Briefe, die Spence zufolge Callas’ Beziehung zu ihrem Ehemann Battista Meneghini, zu ihrem späteren Partner Onassis sowie zu ihrer Mutter in einem noch düsteren Licht zeigen als bisher.
Die Briefe sind Teil von drei Sammlungen mit bisher unveröffentlichtem Material, die 2019 an mehrere Archive gingen. Ein Brief an Callas’ Anwalt zeige, so Lyndsy Spence, dass ihr Ehemann, der italienische Unternehmer Meneghini, „ein Drittel ihres Vermögens gestohlen hat“.
Maria Callas war 25 Jahre alt, als sie Meneghini heiratete. Die Geschichte ihrer Trennung zehn Jahre später ist legendär: 1959 lud der schwerreiche, verheiratete griechisch-argentinische Reeder Aristoteles Onassis sie zu einer Party auf seine Jacht ein. Danach ließ Maria Callas sich scheiden. Briefe an ihre beste Freundin, so Spence, erzählen von der Qual dieser Beziehung, vor allem 1966, als Onassis Gewalttätigkeit für sie lebensbedrohlich geworden sei.
Neue Details zeigen die Briefe auch in Bezug auf Callas’ Beziehung zu ihrer Mutter. „Callas hasste ihre Mutter, die während des Kriegs als Prostituierte arbeitete, weil sie versuchte, sie an Nazisoldaten zu verkaufen“, sagt Lyndsy Spence.
Erwähnt ist in den Briefen auch die Rache des Direktors eines der renommiertesten Konservatorien weltweit, der Juilliard School in New York – weil Callas seine Avancen zurückgewiesen hatte. Der Leiter brachte Spence zufolge das Lehrpersonal gegen sie auf und verhinderte weitere Lehrtätigkeiten ihrerseits an seinem Institut.
Maria Callas starb 1977 im Alter von 53 Jahren. Das bisher unveröffentlichte Material gebe auch neue Einblicke in Callas’ Gesundheitsprobleme und ihre Medikamentenabhängigkeit, sagt Spence. In den 1960er-Jahren litten ihre Auftritte zusehends darunter, mehrere Male verlor sie ihre Stimme. „Ich habe den Neurologen gesprochen, der Callas kurz vor ihrem Tod behandelt hat“, sagt die Biografin: „Callas litt an einer neuromuskulären Erkrankung, deren Symptome in den 1950erJahren begannen.“Aber Ärzte hätten das als „Verrücktheit“abgetan. Für Lyndsy Spence war Maria Callas auch „ein Opfer medizinischer Vernachlässigung“und falscher Behandlungen, wie sie in einem Beitrag in der Onlinezeitschrift „Culturall“schreibt. (sim)