Stoppt die Priorisierung!
Gastbeitrag. Es wäre sinnvoll, jetzt jegliche Priorisierung zu lassen und die Impfstoffe jedem zu verabreichen, der sich meldet.
EIs wird schön langsam peinlich, dass die niedergelassene und impfwillige Ärzteschaft in Wien auf die notwendigen Covid-Impfstoffe für die Bevölkerung noch immer nicht zugreifen kann und in den Ordinationen keine Patienten geimpft werden können.
Laufende Vertröstungen bezüglich Impfstoffverteilung führen zu großem Ärger bei Ärzteschaft sowie Patientinnen und Patienten und schädigen das Vertrauen in die Verantwortlichen! Dazu einige Überlegungen: Die Corona-Infektionen entwickeln sich abseits der Beherrschbarkeit.
IDer Erfolg der Lockdowns ist mäßig.
IDie Impflogistik funktioniert nicht (wie auch schon bei der Influenzaimpfung ).
IDie Präventionsmöglichkeiten sind beschränkt.
IDie Geduld und Bereitschaft der Bevölkerung sinkt rapide.
Wie in allen Dingen erreicht man mit geringem Aufwand einen Großteil der Ziele. Für den Rest muss unverhältnismäßig hoher Aufwand getätigt werden!
Bisher wurden nur einige Risikogruppen der Bevölkerung zumindest teilweise mit Impfungen versorgt. Den Rest an Risikopatienten erreicht man nur mit großem logistischen Aufwand, wobei impfassoziierte medizinische Probleme zusätzlichen Impfwiderstand erzeugen. Auch wollen die Leute nicht in einem weit entfernten und schwer erreichbaren anonymen Zentrum geimpft werden, sondern bei ihrem nahen und vertrauten Hausarzt.
Geimpft werden sollen alle
Es wäre meiner Ansicht nach daher sinnvoll, jegliche Priorisierung fallen zu lassen und die Impfstoffe jedem zu verabreichen, der sich meldet. Es sollen ja möglichst alle Leute geimpft werden.
Dies soll nach dem Subsidiaritätsprinzip erfolgen, also Abgabe der Impfstoffe an die Großhändler, Weitergabe an die Apotheken und hier Verteilung an die lokale Ärzteschaft, die nach der Reihe die Impfungen appliziert.
Auf diese Weise könnten in kurzer Zeit große Teile der Bevölkerung immunisiert werden.
Weitere Priorisierungen sind auszuschließen, da administrativ viel zu aufwendig und fraglich in der Sinnhaftigkeit.
Wer vor die Nadel kommt, soll geimpft werden!
Impfstoff nicht verwerfen
Die Vernichtung übrig gebliebener Impfstoffe jedenfalls, so die Meldungen darüber stimmen, stellt eine schwere Verfehlung dar, die bei Impfstoffmangel nicht tolerierbar ist. Irgendjemanden zu impfen ist besser, als den Impfstoff zu verwerfen – es ist ja geradezu unfassbar, dass so etwas überhaupt passieren kann, es ist Ausdruck einer zutiefst unfähigen Bürokratie von kafkaeskem Ausmaß.
Unabhängig von den zu impfenden Personen sollen so viele Leute geimpft werden wie möglich, ohne Ansehen von Alter, Beruf oder öffentlicher Funktion.
Auch Politiker dürfen dran
Auch Politiker dürfen geimpft werden, weil der Staat funktionsfähig bleiben muss und nicht Teile der Regierung ihre Geschäfte aus der Quarantäne oder von der Intensivstation aus führen können.
Ich erwarte, dass Impfstoff, der im niedergelassenen Bereich handhabbar ist, jetzt endlich an die niedergelassenen Ärzte in Wien verteilt wird und nicht nur an die großen Zentren und Schnupfenboxen geht!
OMR Dr. Wolfgang Werner ist Arzt für Allgemeinmedizin und Präsident ÖHV-Wien (Österreichischer Hausärzteverband, Landesorganisation Wien).
E-Mails an: debatte@diepresse.com