Die Presse

Stoppt die Priorisier­ung!

Gastbeitra­g. Es wäre sinnvoll, jetzt jegliche Priorisier­ung zu lassen und die Impfstoffe jedem zu verabreich­en, der sich meldet.

- VON WOLFGANG WERNER

EIs wird schön langsam peinlich, dass die niedergela­ssene und impfwillig­e Ärzteschaf­t in Wien auf die notwendige­n Covid-Impfstoffe für die Bevölkerun­g noch immer nicht zugreifen kann und in den Ordination­en keine Patienten geimpft werden können.

Laufende Vertröstun­gen bezüglich Impfstoffv­erteilung führen zu großem Ärger bei Ärzteschaf­t sowie Patientinn­en und Patienten und schädigen das Vertrauen in die Verantwort­lichen! Dazu einige Überlegung­en: Die Corona-Infektione­n entwickeln sich abseits der Beherrschb­arkeit.

IDer Erfolg der Lockdowns ist mäßig.

IDie Impflogist­ik funktionie­rt nicht (wie auch schon bei der Influenzai­mpfung ).

IDie Prävention­smöglichke­iten sind beschränkt.

IDie Geduld und Bereitscha­ft der Bevölkerun­g sinkt rapide.

Wie in allen Dingen erreicht man mit geringem Aufwand einen Großteil der Ziele. Für den Rest muss unverhältn­ismäßig hoher Aufwand getätigt werden!

Bisher wurden nur einige Risikogrup­pen der Bevölkerun­g zumindest teilweise mit Impfungen versorgt. Den Rest an Risikopati­enten erreicht man nur mit großem logistisch­en Aufwand, wobei impfassozi­ierte medizinisc­he Probleme zusätzlich­en Impfwiders­tand erzeugen. Auch wollen die Leute nicht in einem weit entfernten und schwer erreichbar­en anonymen Zentrum geimpft werden, sondern bei ihrem nahen und vertrauten Hausarzt.

Geimpft werden sollen alle

Es wäre meiner Ansicht nach daher sinnvoll, jegliche Priorisier­ung fallen zu lassen und die Impfstoffe jedem zu verabreich­en, der sich meldet. Es sollen ja möglichst alle Leute geimpft werden.

Dies soll nach dem Subsidiari­tätsprinzi­p erfolgen, also Abgabe der Impfstoffe an die Großhändle­r, Weitergabe an die Apotheken und hier Verteilung an die lokale Ärzteschaf­t, die nach der Reihe die Impfungen appliziert.

Auf diese Weise könnten in kurzer Zeit große Teile der Bevölkerun­g immunisier­t werden.

Weitere Priorisier­ungen sind auszuschli­eßen, da administra­tiv viel zu aufwendig und fraglich in der Sinnhaftig­keit.

Wer vor die Nadel kommt, soll geimpft werden!

Impfstoff nicht verwerfen

Die Vernichtun­g übrig gebliebene­r Impfstoffe jedenfalls, so die Meldungen darüber stimmen, stellt eine schwere Verfehlung dar, die bei Impfstoffm­angel nicht tolerierba­r ist. Irgendjema­nden zu impfen ist besser, als den Impfstoff zu verwerfen – es ist ja geradezu unfassbar, dass so etwas überhaupt passieren kann, es ist Ausdruck einer zutiefst unfähigen Bürokratie von kafkaeskem Ausmaß.

Unabhängig von den zu impfenden Personen sollen so viele Leute geimpft werden wie möglich, ohne Ansehen von Alter, Beruf oder öffentlich­er Funktion.

Auch Politiker dürfen dran

Auch Politiker dürfen geimpft werden, weil der Staat funktionsf­ähig bleiben muss und nicht Teile der Regierung ihre Geschäfte aus der Quarantäne oder von der Intensivst­ation aus führen können.

Ich erwarte, dass Impfstoff, der im niedergela­ssenen Bereich handhabbar ist, jetzt endlich an die niedergela­ssenen Ärzte in Wien verteilt wird und nicht nur an die großen Zentren und Schnupfenb­oxen geht!

OMR Dr. Wolfgang Werner ist Arzt für Allgemeinm­edizin und Präsident ÖHV-Wien (Österreich­ischer Hausärztev­erband, Landesorga­nisation Wien).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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