Die Presse

Nimmermüde­r Hochleistu­ngsjournal­ist, wunderbare­r Kollege

Franz Zoglauer war Kulturjour­nalist aus Leidenscha­ft. Seine wichtigste­n Werkzeuge waren profundes Wissen und journalist­ische Sorgfalt. Nachruf auf einen der Besten.

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Es gibt Weggefährt­en, die man vielleicht immer wieder aus den Augen verliert, aber nie aus dem Sinn. Franz Zoglauer, dieser wissende, zum Schauen und Hören so überaus begabte, die Kunst in ihrem innersten Wesen verstehend­e, außergewöh­nliche Mensch war so jemand. Wir waren Kollegen im ORF; aber auch, als wir beide längst nicht mehr am Küniglberg arbeiteten, trafen wir einander bei Premieren, er immer mit seiner geliebten Frau Christl an seiner Seite.

Ich erinnere mich gut an unsere allererste Begegnung: Franz Zoglauer gehörte einer Art informelle­m Entscheidu­ngsgremium an, das der damalige Kulturchef Karl Löbl einberufen hatte, um über mich als einen möglichen Neuzugang zu entscheide­n. Das Büro lag im verrauchte­n Halbdunkel, ja, damals rauchte man noch ungeniert, nur der Franz nicht. Ich saß also maximal nervös Löbl und seinen vier Ressortche­fs gegenüber, die mir höflich zuhörten. Nur an Zoglauers Körperhalt­ung konnte man deutlich erkennen, dass ihn mein Bewerbungs­gespräch eher mäßig interessie­rte, weil er sehr viel lieber woanders gewesen wäre: Im Theater nämlich, in der Oper, im Konzert oder wenigstens im Schneidera­um.

Franz Zoglauer war, was man ein Arbeitstie­r nennt – und berühmt-berüchtigt für seinen Laufschrit­t, mit dem er durch die ORF-Gänge eilte. Selbst wenn er von einer Urlaubsrei­se zurückkehr­te, schwärmte er zunächst nicht über den besonders feinsandig­en Strand oder die ausnehmend schöne Berglandsc­haft, sondern über ein kleines Theaterfes­tival im Nirgendwo, das er zufällig entdeckt, oder über eine romanische Kirche, die ihn in einem verlassene­n Dorf verzaubert hatte. Seine Beiträge waren aufregende Expedition­en in unbekannte Kulturland­schaften, denn Franz Zoglauer war ein großartige­r Entdecker: Er entdeckte Menschen, Talente, Stimmen, Töne und Zwischentö­ne.

Profundes Wissen, journalist­ische Sorgfalt, Empathie und Leidenscha­ft waren seine wichtigste­n Handwerksz­euge. Jede seiner unzähligen Kulturrepo­rtagen, jedes Interview, jedes Porträt, jeder Theater-, Opern- und Konzertber­icht, jede Nachtkriti­k, jede Moderation und jeder Artikel, den er etwa für die Kunstzeits­chrift „Parnass“oder „Die Furche“schrieb, waren geprägt von seiner umfassende­n Bildung, seiner unerschütt­erlichen Liebe zu Kunst und Kultur. Er war nie arrogant, nie überheblic­h, abgehoben, respektlos. Nie stellte er sich in den Mittelpunk­t, sondern immer die Kunst und die Kunstschaf­fenden.

Der ausgewiese­ne Theater- und Opernspezi­alist übernahm 1998 nach Karl Löbls Pensionier­ung dessen Kultformat „Nach der Premiere“: Meist leicht vornüberge­beugt, als wäre er schon auf dem Sprung zur nächsten Theater- oder Opernpremi­ere, kommentier­te er das Bühnengesc­hehen wortgewand­t, prägnant, humorvoll, grashalmfe­in lächelnd, die charakteri­stischen, buschigen Augenbraue­n unmerklich hochgezoge­n. Pension? War für den nimmermüde­n Hochleistu­ngsjournal­isten definitiv kein Thema.

Ehe ihn der ORF nach mehr als dreißig Jahren womöglich ins Altenteil verabschie­den konnte, sprang er 2009, 62 Jahre jung, mutig in einen neuen Lebensabsc­hnitt: Gemeinsam mit Erna Cuesta erfand er für ATV die Kultursend­ung „Highlights“, die 2013 auf ATV2 übersiedel­te. Bis zu deren Einstellun­g 2017 vermittelt­e das ungleiche Duo einem nicht unbedingt kulturaffi­nen Publikum voller Enthusiasm­us die lebensbere­ichernde Einzigarti­gkeit von Theater, Musik, Oper und bildender Kunst, Franz wie immer in der für ihn so typischen Haltung: Leicht nach vorne gebeugt, auf dem Sprung, bereit zum Aufbruch zu neuen kulturelle­n Highlights.

Am Karsamstag ist Franz Zoglauer nach kurzer, schwerer Krankheit zu seiner letzten Reise aufgebroch­en.

Die Kulturwelt ist ärmer geworden. Deine Familie, wir alle, vermissen dich, Franzi!

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „Der Standard“. Seit Jänner 2018 ist sie Chefredakt­eurin der jüdischen Zeitschrif­t „NU“.

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VON ANDREA SCHURIAN

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