Auf der Suche nach dem Gleichschritt in der K-Frage
Deutschland. Laschet hat die CDU-Führung hinter sich, doch CSU-Chef Söder gibt nicht auf.
Bei den Schwesterparteien CDU und CSU spitzte sich der Entscheidungsprozess darüber, wer die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl am
26. September führen soll, am Montag zu. Die CDU-Führungsgremien stellten sich ebenso geschlossen hinter Armin Laschet wie jene der CSU hinter Markus Söder. Während erste CDU-Granden den Chef der ungleich kleineren CSU zum Verzicht aufriefen, will Söder Zeit gewinnen und die Entscheidung erst Ende der Woche fällen. Getreue brachten eine Mitgliederbefragung ins Spiel, Söder tritt für eine Mitsprache der Fraktion ein. Er rechnet sich dabei bessere Chancen aus. Robert Habeck, Co-Chef der Grünen, reagierte gelassen: „Wir nehmen es, wie es kommt.“
Berlin. In seuchenfreien Zeiten pulsiert Berlin. Aber noch verharrt es im Dornröschenschlaf. Wer kann, ist auch in der Hauptstadt angehalten, im Home-Office zu arbeiten. Vor der CDU-Zentrale aber herrscht Montagfrüh Betrieb. Spitzenpolitiker aus dem ganzen Land eilten ins Konrad-Adenauer-Haus im wolkenverhangenen Berlin. Die Angelegenheit ist zu wichtig, um sie in virtueller Runde zu besprechen. Es geht um die K-Frage, die Kanzlerkandidatenfrage. Der Hausherr und CDU-Chef, Armin Laschet, will Merkel beerben, aber CSUChef Markus Söder will das auch.
Keine 24 Stunden ist es her, dass Söder, nur ein paar Kilometer entfernt im Berliner Regierungsviertel, erzählte, dass ihn „unglaublich viele“Menschen auf eine Kandidatur angesprochen hätten, dass er deshalb nicht „kneifen“könne und nun als Kanzlerkandidat bereitstehe.
Im Konrad-Adenauer-Haus sitzen am Vormittag die Schwergewichte der CDU zusammen. Söder hat erklärt, dass er nur kandidiert, falls die CDU ihn „breit unterstützt“. Also ihn ruft. Im CDU-Präsidium ruft an diesem Vormittag niemand nach Söder. Kein Politiker von Rang wagt ein Plädoyer für den Bayern. Das ist auch nicht erwartet worden.
Volker Bouffier tritt hernach vor die Presse. Das Präsidium habe Laschet seine Unterstützung ausgesprochen. Und zwar klar und einmütig. Der Rheinländer sei als Kanzlerkandidat „außergewöhnlich geeignet“. In diesen Tagen werden gern Parallelen gezogen zum berüchtigten Wolfratshauser Frühstück. Damals, 2002, hat die CDU-Chefin, Angela Merkel, dem CSU-Chef, Edmund Stoiber, bei Orangensaft und Kaffee die Kanzlerkandidatur angetragen. Aber der Vergleich hinkt. 2002 hat sich der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch auf die Seite des CSUManns geschlagen. Jetzt verkündet sein Nachfolger Bouffier, dass es CDU-Chef Laschet werden soll.
Im größeren CDU-Vorstand gibt es am Montag gleichfalls viel Zuspruch für Laschet, auch aus jenem Lager, das im Kampf um den CDU-Vorsitz nicht ihm, sondern Friedrich Merz zugeneigt war. Als Laschet dann selbst vor die Medien tritt, hält er eine kleine Wahlkampfrede. So, als wäre er schon Kanzlerkandidat. Und er drängt nun auf eine „sehr schnelle“Entscheidung im Einvernehmen mit Söder. Der CSU-Chef wollte ja ein „Meinungsbild“, sagt Laschet sinngemäß. Jetzt habe er es. Laschet will Söder noch am Montag anrufen. Erste Kommentatoren orakeln über eine Vorentscheidung.
CSU will Fraktion einbinden
Stunden später und 500 Kilometer südlich tagen im Franz-JosefStrauß-Haus in München die CSUGremien. Jetzt ist Söder am Zug. Die Frage lautet: Dreht der Bayer bei? Söder hat ja gesagt, er wolle nicht „auf Biegen und Brechen“Kanzlerkandidat werden, und gegen die CDU-Oberen lässt sich eine Wahlschlacht kaum führen. Aber Söder weicht nicht zurück. Nicht an diesem Montag. Das CSU-Präsidium unterstützt ihn einstimmig als Kanzlerkandidaten. Sein Landtagsfraktionschef, Thomas Kreuzer, bringt eine Mitgliederbefragung in CDU und CSU ins Spiel. Die Idee wird später einkassiert. Aber Söder will die Bundestagsfraktion einbinden und dort am Dienstag zur Sitzung erscheinen. Laschet hat das Stunden zuvor für sich abgelehnt.
Man muss dazu wissen: Laschet hat viele CDU-Obere auf seiner Seite, Söder die Mehrheit der Deutschen und auch der CDU-Mitglieder. Und der Franke hat auch Unterstützer in der CDU/CSUFraktion. Dort fürchten einige Abgeordnete um ihr Mandat, falls der umfrageschwache Laschet die Union in die Wahl führt.
Laschet drückt aufs Tempo, Söder bremst. Der Bayer will eine Klärung der K-Frage bis Freitag: „Das Ganze geht nicht in einem Hauruckverfahren“, sagt Söder – und führt in allen Facetten aus, was ihn von Laschet abhebt. Die guten Umfragen zum Beispiel: „Wir können uns nicht abkoppeln von einer Mehrheit der Menschen im Land.“Die Stimmung an der CDU-Basis: Söder erwähnt mehrfach Meldungen aus Landesverbänden, wo es wegen der Aussicht auf einen Spitzenkandidaten Laschet an der Basis rumore. Und in der Fraktion, sagt Söder, gebe es „Diskussionsbedarf“. Er erinnert die Abgeordneten daran, dass zwei, drei Prozentpunkte auf oder ab am Wahltag über politische Existenzen entscheiden.
In diesen Tagen betont jeder CDU/CSU-Politiker, der in ein Mikro spricht, die nötige Geschlossenheit der Union. Bouffier sagte, CDU und CSU müssten „ganz eng beieinander“bleiben. Das könnte nun schwierig werden.
Das sind jetzt keine einfachen Tage, aber es geht um eine entscheidende Weichenstellung.
Markus Söder, CSU-Chef