Droht ein Krieg um das Nilwasser?
Ägypten/Äthiopien. Der Streit um den Großen RenaissanceDamm am Blauen Nil könnte in eine Militäraktion münden.
Der ägyptische Präsident, Abdel Fattah El-Sisi, sprach das Wort „Krieg“nicht aus. Aber seine Warnung war unmissverständlich: „Ich sage unseren Brüdern in Äthiopien: Lasst uns nicht den Punkt erreichen, an dem ihr auch nur einen Tropfen des Nilwassers anrührt, der Ägypten zusteht. Denn alles ist möglich, alle Optionen sind offen.“
Es ist die neueste Eskalation im Streit um das Nilwasser zwischen Ägypten, Äthiopien und dem Sudan, der in einem militärischen Konflikt enden könnte, falls die Weltgemeinschaft nicht aktiver als Vermittler auftritt. Stein des Anstoßes ist der in Äthiopien vollendete, riesige „Große RenaissanceDamm“am Blauen Nil, der, so fürchten die Ägypter, ihnen buchstäblich das Wasser abgraben könnte. Die Warnung des Präsidenten stammt von voriger Woche, als Gespräche im kongolesischen Kinshasa, die Kairo „letzte Chance“nannte, gescheitert waren.
Afrikas größtes Kraftwerk
Äthiopien hat die Warnung bisher nicht öffentlich kommentiert. Es setzt alle Hoffnungen seiner Entwicklung auf den „Grand Renaissance Dam“, mit dessen Hilfe das Land (rund 110 Millionen Einwohner) Strom produzieren will. Am Ende sollen die Turbinen 6,45 Gigawatt produzieren. Das ist das größte Wasserkraftwerk in Afrika und das siebtgrößte in der Welt.
Ägypten am Nil-Unterlauf fürchtet, dass das Wasser für seine etwa 100 Millionen Menschen durch den Damm knapp werden könnte. Auch der Sudan, wo sich der Blaue Nil mit dem Weißen Nil (er entspringt in Ruanda und Burundi) vereinigt, hat die Sorge, dass das äthiopische Megaprojekt den Flusslauf ändern könnte.
Im Kern geht es bei dem Streit darum, wie schnell man den Stausee vor dem Damm füllt. Äthiopien möchte das schnell machen, um möglichst rasch viel Strom zu erzeugen. Kairo fordert, dass die Dammfüllung sich möglichst in die Länge zieht. Ägypten hängt fast zu 90 Prozent vom Nilwasser ab.
Äthiopien schafft bisher einfach Fakten und hat 2020 während der Regenzeit im Sommer ohne Absprache mit der Füllung begonnen. Heuer im Juli soll das weitergehen. Ägypten und der Sudan möchten dagegen ein international bindendes Abkommen über das Timing beim Füllen des Dammes und die Menge des durchgelassenen Wassers erreichen.
Alle Gespräche gescheitert
Alle Verhandlungen sind bisher gescheitert, Kairos höchster Frustrationspunkt war mit jenen im Kongo überschritten. Die staatlich gelenkten ägyptischen Medien sprachen von einem möglichen Krieg. El-Sisi warnte vor dem Preis einer militärischen Operation für alle Seiten und appellierte, diese zu verhindern. Der Damm werde die ganze Region destabilisieren, sollte es keinen Vertrag geben.
Unterdessen möchten Ägypten und der Sudan, dass die EU, die USA und der UN-Sicherheitsrat vermitteln. Sie wollen die Verhandlungen internationalisieren, was Äthiopien bisher ablehnt. Addis Abeba kritisiert Ägypten und den Sudan dafür, die Causa „außerhalb Afrikas“lösen zu wollen.
Nun wächst in Kairo scheinbar die Überzeugung, dass es eines begrenzten Schlages bedarf, um die Aufmerksamkeit der Internationalen Gemeinschaft zu erlangen. Oder dass zumindest eine Drohkulisse errichtet werden muss.
Erste Interventionen
Hinter den Kulissen scheinen sich das US-Außenamt und einige Länder Europas eingeschaltet zu haben, berichtet die unabhängige ägyptische Nachrichtenplattform Mada Misr unter Berufung auf eine ägyptische Regierungsquelle. Jake Sullivan, Nationaler Sicherheitsberater in Washington, mahnte am Donnerstag in einem Telefonat mit Äthiopiens Premierminister Demeke Mekonnen zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes und Dialog – ein Hinweis, dass die USA aktiver werden könnten. Darauf wurden die Kriegstrommeln in Kairo leiser.
„Krieg ist eine schwierige Entscheidung und wir hoffen, dass es nicht so weit kommt“, sagte Bewässerungsminister Adel Aaaty am Samstag im TV. „Gleichzeitig schloss Sudans Außenministerin Mariam Al-Sadiq im Moment eine militärische Lösung aus. Der Nervenkrieg ums Wasser geht weiter.