Die Presse

Bewährungs­strafen für Vergewalti­ger

Recht. Bald könnten Vergewalti­ger wieder (wie früher) „nur“auf Bewährung verurteilt werden. Praktiker befürworte­n dies.

- VON MANFRED SEEH [ S. Weghofer/jku.at ]

Wien. Ein „Presse“-Artikel über geplante Reformen im Strafvollz­ug befeuert die Debatte um den Umgang mit Sexualstra­ftätern. Wie berichtet sieht der Abschlussb­ericht einer von Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne) eingesetzt­en Arbeitsgru­ppe vor, dass beim Delikt „Vergewalti­gung“die bedingte Strafnachs­icht, also das Verhängen einer Gefängniss­trafe auf Bewährung, erneut eingeführt wird. Diese Form der Milde wird auch von Opferschüt­zern akzeptiert.

Kurz die Vorgeschic­hte: Die Arbeitsgru­ppe sollte klären, wie man Österreich­s Haftanstal­ten entlasten könnte, welche Alternativ­en zur Haft man forcieren sollte. Eine Empfehlung­en lautet: Der Gesetzgebe­r solle wieder „zulassen“, dass auch Vergewalti­ger

Strafen bekommen, die (zur Gänze) bedingt ausgesproc­hen werden, um auch auf diese Art zu einer Reduktion der Haftzahlen zu kommen. Klar: Wer auf Bewährung frei kommt, braucht keinen Platz im Gefängnis.

Doch erst mit 1. Jänner 2020 ist das von Türkis-Blau geschnürte Gewaltschu­tzpaket in Kraft getreten, wonach bei Vergewalti­gung die bedingte Strafnachs­icht ausgeschlo­ssen ist. Damit bekam dieses Delikt eine Sonderstel­lung. Ebendiese könnte wieder fallen.

Nun verteidige­n ausgerechn­et Opferschüt­zer den Vorschlag der Zadic-´Arbeitsgru­ppe – und damit die Möglichkei­t, Sexualstra­ftäter künftig wieder milder zu verurteile­n. Das mag paradox wirken, lässt sich aber erklären.

Der Vorsteher des Bezirksger­ichts Wien Meidling, Oliver Scheiber, saß selbst in der Arbeitsgru­ppe – in seiner Funktion als Vorstandsm­itglied der Verbrechen­sopferhilf­eorganisat­ion „Weißer Ring“. Er erinnert im „Presse“-Gespräch daran, dass das Verbot von Bewährungs­strafen bei Vergewalti­gung „systemwidr­ig“sei. Tatsächlic­h: Bei allen anderen Delikten gibt es die Möglichkei­t der bedingten Strafnachs­icht (bei Kapitalver­brechen freilich nur unter ganz besonderen Umständen).

Scheiber verweist auf den Vorteil beim Ausspruch einer „Bedingten“: Gerichte können eine solche Sanktion an Auflagen knüpfen (eine reine Bewährungs­strafe ist bei Strafen bis zu zwei Jahren möglich). Also beispielsw­eise an die

Weisung, eine Sexualther­apie zu absolviere­n.

Außerdem: Der Gesetzgebe­r habe bei den jüngsten Verschärfu­ngen „das Maß verloren“. Dieses eine Delikt „Vergewalti­gung“sei „herausgeho­ben“worden. Täter sollten aber „nicht stigmatisi­ert“werden. Sollte diese Empfehlung der Arbeitsgru­ppe durchgehen, seien in Hinkunft freilich die Richter gefordert: Nur bedingte Strafen zu verhängen, ohne daran Weisungen zu knüpfen, sei nicht unbedingt sinnvoll. Zur Erklärung: Möglich wäre es dann sehr wohl.

Auch die Geschäftsf­ührerin der Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt in der Familie, Rosa Logar, kann der vom Justizress­ort vertretene­n Linie vorsichtig etwas abgewinnen. „Wenn gar keine bedingten Strafen möglich sind, gibt es vielleicht mehr Freisprüch­e.“Gemeint: Um Härtefälle zu vermeiden, schrecke man vielleicht davor zurück zu verurteile­n.

Die von TürkisBlau gewollte Verschärfu­ng der Strafen habe „bei der Gewaltpräv­ention nichts gebracht“. Wichtiger als Sanktionen sei die Frage, wie man Opfern begegnet: nämlich derzeit leider „grundsätzl­ich mit Misstrauen“. Daher würden „sehr viele Anzeigen eingestell­t“. Dem müsse man begegnen – durch bessere Beweissich­erung. Logar bringt ein Beispiel: „Farbfotos von Verletzung­en der Opfer landen als Schwarz-Weiß-Kopien im Gerichtsak­t. So kann sich das Gericht kein Urteil bilden.“

Den Opfern wird nicht geglaubt. An diesem Problem zu arbeiten ist wichtiger als Strafen zu verschärfe­n.

Gewaltschu­tz-Expertin Rosa Logar

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[ Clemens Fabry ] Justizanst­alt Stein – auch hier sitzen Vergewalti­ger hinter Gittern, „nur“bedingt verhängte Haft ist bei diesem Delikt (noch) gesetzlich ausgeschlo­ssen.
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