Es gibt ein Leben nach der Politik
Wie sich ehemalige Spitzenpolitiker zeigen – von eher stumm bis sehr aktiv.
Es war ein bemerkenswerter Auftritt am Mittwochabend in der Sendung „Pro & Contra“auf Puls4: Eva Glawischnig, ehemals Grünen-Chefin und seit ihrem Ausstieg aus der Politik nicht mehr oft gesehen, sprach offen über die Kränkungen, die ihr ihre eigene Partei, für die sich sich abgerackert habe, zugefügt habe. Darüber, wie schwer es gewesen sei, nach ihrem politischen Ausscheiden wieder einen Job zu finden. Und darüber, wie sie dann auch aus Groll gegenüber ihrer Partei ausgerechnet zum Glücksspielkonzern Novomatic gewechselt sei. Sie habe sich gedacht: „Ich breche die Brücken ab, zünde alles an“, sagte Glawischnig. Mittlerweile ist sie bei Novomatic wieder ausgeschieden und macht sich nun als Beraterin selbstständig.
Auch der ehemalige ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner war in der Fernsehsendung zu Gast. Er wiederum arbeitete sich vorzugsweise an seinem Nachfolger Sebastian Kurz ab – ohne ihn allzu direkt mit Namen zu adressieren. Eine Abrechnung mit dem Kanzler hatte Mitterlehner vor zwei Jahren auch schon in Buchform vorgelegt.
Politiker nach der Politik. Ein eigenes Kapitel. Verkürzt und zusammengefasst könnte man diese exemplarisch in die hier folgenden Typen unterteilen:
Das Modell Faymann
Der Schweiger. Der ehemalige SPÖ-Kanzler Werner Faymann hat sich seit seinem mehr oder weniger unfreiwilligen Abgang überhaupt nicht mehr öffentlich geäußert – nicht zur Politik, auch nicht zu anderen Themen. Bislang passte auch Eva Glawischnig in dieses Schema. Faymann ist heute als Berater selbstständig, kümmert sich um Immobilienprojekte, macht unter anderem Geschäfte mit China. Faymann zieht auch im Hintergrund nicht mehr die Fäden (siehe Modell Gusenbauer), wiewohl er den Aufstieg des ihm nahestehenden Michael Ludwig zum Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeister – jedenfalls gedanklich – sicher wohlwollend begleitet haben wird.
Das Modell Busek/Androsch
Die Plauderer. Auch wenn es mittlerweile ruhiger um sie geworden ist – die beiden Ex-Vizekanzler Erhard Busek und Hannes Androsch waren viele Jahre die auffälligsten Vertreter der sogenannten BalkonMuppet-Fraktion. Sie haben sich in schöner Regelmäßigkeit zu allem und jedem zu Wort gemeldet, immer wieder auch mit guten Ratschlägen für die Nachfolger. Auch Heinrich Neisser gehört(e) in diese Gruppe. Wobei jeder das freilich auch in seinem Selbstverständnis als Homo politicus tat – als jemand, der weiterhin Anteil an den Angelegenheiten des Staates nimmt und auch eine Meinung dazu hat.
Das Modell Schüssel
Der Altkanzler wählte einen moderaten Mittelweg. Er schwieg grundsätzlich zur Tagespolitik, machte allerdings auch immer wieder einmal Ausnahmen – bei größeren Anlässen oder wenn „Die Presse am Sonntag“bei ihm anklopfte. Schüssel schrieb auch eine Kolumne in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Er legte den Fokus weg von der Innen- zur Weltpolitik und gab den abgeklärten Elder Statesman. Darüber hinaus nahm er in diversen Aufsichtsräten Platz und war willkommener Gesprächspartner auch international aktiver Politiker – bis hin zu Wladimir Putin.
Das Modell Gusenbauer
Der umtriebige rote Altkanzler, nunmehr ebenfalls Geschäftsmann, bestens vernetzt, vor allem in Ländern der ehemaligen Sowjetunion, zog nach seinem Abschied aus der Politik auch weiter gern die Fäden im Hintergrund. Sowohl innenpolitisch – Christian Kern brachte er etwa Tal Silberstein nahe – als auch außenpolitisch. Aus den nun publik gewordenen Chats des früheren Novomatic-Chefs Harald Neumann ging hervor, dass er Alfred Gusenbauer gebeten habe, seine Kontakte in Italien für das Unternehmen spielen zu lassen. Zudem wurde kolportiert, dass Gusenbauer nun auch bei der Anbahnung von RotPink in Wien seine Finger mit im Spiel gehabt haben könnte.
Das Modell Kern
Der Ex-SPÖ-Kanzler ist zwar ganz aus der Politik ausgestiegen, ganz los lässt sie ihn offensichtlich nicht. Vorzugsweise auf Twitter kommentiert er das politische Geschehen – wie bei Mitterlehner ist der Fokus recht eindeutig. Noch ausgeprägter ist er nur noch bei Frau und Sohn. Allerdings twittert Kern auch noch zu anderen Dingen – wie Fußball oder Musik.
Das Modell Klima
Das ist wirklich selten geworden: Ein Politiker ist nach seinem Ausstieg aus einem Regierungsamt so begehrt, dass sich Weltkonzerne um ihn reißen. Und er dann in diesem Unternehmen noch die größere Karriere macht als zuvor als Politiker. Viktor Klima, eher glückloser Kanzler der SPÖ, heuerte beim Autokonzern VW an und wurde Chef des Unternehmens für Südamerika. Nun sind zwar auch Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern wirtschaftlich erfolgreich, nur mussten sich diese dafür selbstständig machen bzw. ist Kern in die Firma seiner Frau eingestiegen.
Das Modell Anschober
Wie genau das aussehen wird, weiß man noch nicht. Vielleicht endet Rudolf Anschober tatsächlich als Schriftsteller. Er will jetzt jedenfalls einmal einen Roman schreiben, hat er bei seiner Ab-schiedspressekonferenz diese Woche angekündigt. Da der bisherige grüne Gesundheitsminister bei diesem Auftritt allerdings auch nicht „Adieu“, sondern „Auf Wiedersehen“gesagt hat, ist nicht ganz auszuschließen, dass er nicht vielleicht doch eines Tages in die Politik zurückkehrt. Eventuell sogar als grüner Bundespräsidentschaftskandidat. Das wäre dann das Modell Van der Bellen.
Das Modell Van der Bellen
Was Winston Churchill (mehrfach) vorexerziert hat wie kaum ein Zweiter: das Comeback nach dem (vermeintlichen) Aus. Churchill saß schon zu Hause, malte, schrieb Bücher – und kehrte doch wieder in führender Funktion zurück. In Österreich wandelte Alexander Van der Bellen auf seinen Spuren. Auf den Ausstieg folgte der Aufstieg. Erst tat sich Van der Bellen durchaus schwer mit dem Loslassen: Nach seinem Rücktritt als Grünen-Chef saß er noch im Nationalrat, danach sogar noch im Wiener Gemeinderat. Dann hörte er auf. Allerdings nicht endgültig. 2017 wurde er Bundespräsident.
Es war auch Groll dabei – gegenüber meiner eigenen Partei. Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt. Mir gedacht: Jetzt breche ich die Brücken ab, zünde alles an.
Eva Glawischnig