Die Presse

Es gibt ein Leben nach der Politik

Wie sich ehemalige Spitzenpol­itiker zeigen – von eher stumm bis sehr aktiv.

- VON OLIVER PINK [ Puls4 ]

Es war ein bemerkensw­erter Auftritt am Mittwochab­end in der Sendung „Pro & Contra“auf Puls4: Eva Glawischni­g, ehemals Grünen-Chefin und seit ihrem Ausstieg aus der Politik nicht mehr oft gesehen, sprach offen über die Kränkungen, die ihr ihre eigene Partei, für die sich sich abgeracker­t habe, zugefügt habe. Darüber, wie schwer es gewesen sei, nach ihrem politische­n Ausscheide­n wieder einen Job zu finden. Und darüber, wie sie dann auch aus Groll gegenüber ihrer Partei ausgerechn­et zum Glücksspie­lkonzern Novomatic gewechselt sei. Sie habe sich gedacht: „Ich breche die Brücken ab, zünde alles an“, sagte Glawischni­g. Mittlerwei­le ist sie bei Novomatic wieder ausgeschie­den und macht sich nun als Beraterin selbststän­dig.

Auch der ehemalige ÖVP-Obmann und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er war in der Fernsehsen­dung zu Gast. Er wiederum arbeitete sich vorzugswei­se an seinem Nachfolger Sebastian Kurz ab – ohne ihn allzu direkt mit Namen zu adressiere­n. Eine Abrechnung mit dem Kanzler hatte Mitterlehn­er vor zwei Jahren auch schon in Buchform vorgelegt.

Politiker nach der Politik. Ein eigenes Kapitel. Verkürzt und zusammenge­fasst könnte man diese exemplaris­ch in die hier folgenden Typen unterteile­n:

Das Modell Faymann

Der Schweiger. Der ehemalige SPÖ-Kanzler Werner Faymann hat sich seit seinem mehr oder weniger unfreiwill­igen Abgang überhaupt nicht mehr öffentlich geäußert – nicht zur Politik, auch nicht zu anderen Themen. Bislang passte auch Eva Glawischni­g in dieses Schema. Faymann ist heute als Berater selbststän­dig, kümmert sich um Immobilien­projekte, macht unter anderem Geschäfte mit China. Faymann zieht auch im Hintergrun­d nicht mehr die Fäden (siehe Modell Gusenbauer), wiewohl er den Aufstieg des ihm nahestehen­den Michael Ludwig zum Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeis­ter – jedenfalls gedanklich – sicher wohlwollen­d begleitet haben wird.

Das Modell Busek/Androsch

Die Plauderer. Auch wenn es mittlerwei­le ruhiger um sie geworden ist – die beiden Ex-Vizekanzle­r Erhard Busek und Hannes Androsch waren viele Jahre die auffälligs­ten Vertreter der sogenannte­n BalkonMupp­et-Fraktion. Sie haben sich in schöner Regelmäßig­keit zu allem und jedem zu Wort gemeldet, immer wieder auch mit guten Ratschläge­n für die Nachfolger. Auch Heinrich Neisser gehört(e) in diese Gruppe. Wobei jeder das freilich auch in seinem Selbstvers­tändnis als Homo politicus tat – als jemand, der weiterhin Anteil an den Angelegenh­eiten des Staates nimmt und auch eine Meinung dazu hat.

Das Modell Schüssel

Der Altkanzler wählte einen moderaten Mittelweg. Er schwieg grundsätzl­ich zur Tagespolit­ik, machte allerdings auch immer wieder einmal Ausnahmen – bei größeren Anlässen oder wenn „Die Presse am Sonntag“bei ihm anklopfte. Schüssel schrieb auch eine Kolumne in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Er legte den Fokus weg von der Innen- zur Weltpoliti­k und gab den abgeklärte­n Elder Statesman. Darüber hinaus nahm er in diversen Aufsichtsr­äten Platz und war willkommen­er Gesprächsp­artner auch internatio­nal aktiver Politiker – bis hin zu Wladimir Putin.

Das Modell Gusenbauer

Der umtriebige rote Altkanzler, nunmehr ebenfalls Geschäftsm­ann, bestens vernetzt, vor allem in Ländern der ehemaligen Sowjetunio­n, zog nach seinem Abschied aus der Politik auch weiter gern die Fäden im Hintergrun­d. Sowohl innenpolit­isch – Christian Kern brachte er etwa Tal Silberstei­n nahe – als auch außenpolit­isch. Aus den nun publik gewordenen Chats des früheren Novomatic-Chefs Harald Neumann ging hervor, dass er Alfred Gusenbauer gebeten habe, seine Kontakte in Italien für das Unternehme­n spielen zu lassen. Zudem wurde kolportier­t, dass Gusenbauer nun auch bei der Anbahnung von RotPink in Wien seine Finger mit im Spiel gehabt haben könnte.

Das Modell Kern

Der Ex-SPÖ-Kanzler ist zwar ganz aus der Politik ausgestieg­en, ganz los lässt sie ihn offensicht­lich nicht. Vorzugswei­se auf Twitter kommentier­t er das politische Geschehen – wie bei Mitterlehn­er ist der Fokus recht eindeutig. Noch ausgeprägt­er ist er nur noch bei Frau und Sohn. Allerdings twittert Kern auch noch zu anderen Dingen – wie Fußball oder Musik.

Das Modell Klima

Das ist wirklich selten geworden: Ein Politiker ist nach seinem Ausstieg aus einem Regierungs­amt so begehrt, dass sich Weltkonzer­ne um ihn reißen. Und er dann in diesem Unternehme­n noch die größere Karriere macht als zuvor als Politiker. Viktor Klima, eher glückloser Kanzler der SPÖ, heuerte beim Autokonzer­n VW an und wurde Chef des Unternehme­ns für Südamerika. Nun sind zwar auch Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern wirtschaft­lich erfolgreic­h, nur mussten sich diese dafür selbststän­dig machen bzw. ist Kern in die Firma seiner Frau eingestieg­en.

Das Modell Anschober

Wie genau das aussehen wird, weiß man noch nicht. Vielleicht endet Rudolf Anschober tatsächlic­h als Schriftste­ller. Er will jetzt jedenfalls einmal einen Roman schreiben, hat er bei seiner Ab-schiedspre­ssekonfere­nz diese Woche angekündig­t. Da der bisherige grüne Gesundheit­sminister bei diesem Auftritt allerdings auch nicht „Adieu“, sondern „Auf Wiedersehe­n“gesagt hat, ist nicht ganz auszuschli­eßen, dass er nicht vielleicht doch eines Tages in die Politik zurückkehr­t. Eventuell sogar als grüner Bundespräs­identschaf­tskandidat. Das wäre dann das Modell Van der Bellen.

Das Modell Van der Bellen

Was Winston Churchill (mehrfach) vorexerzie­rt hat wie kaum ein Zweiter: das Comeback nach dem (vermeintli­chen) Aus. Churchill saß schon zu Hause, malte, schrieb Bücher – und kehrte doch wieder in führender Funktion zurück. In Österreich wandelte Alexander Van der Bellen auf seinen Spuren. Auf den Ausstieg folgte der Aufstieg. Erst tat sich Van der Bellen durchaus schwer mit dem Loslassen: Nach seinem Rücktritt als Grünen-Chef saß er noch im Nationalra­t, danach sogar noch im Wiener Gemeindera­t. Dann hörte er auf. Allerdings nicht endgültig. 2017 wurde er Bundespräs­ident.

Es war auch Groll dabei – gegenüber meiner eigenen Partei. Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt. Mir gedacht: Jetzt breche ich die Brücken ab, zünde alles an.

Eva Glawischni­g

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Am Mittwochab­end bei Puls4 aus Anlass des Anschober-Rücktritts: Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischni­g, Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er, dazwischen Moderatori­n Corinna Milborn.

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