Die Presse

Kaczynski´ vollendet Staatsumba­u

Polen. Bürgerombu­dsmann Bodnar wurde gefeuert. Er hatte die Pressefrei­heit verteidigt.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Warschau. Rache ist süß: Zwei Tage nach dem Urteil zum Schutz der Pressefrei­heit, dass der Bürgerombu­dsmann Adam Bodnar angestrebt hatte, wurde dessen Amtszeit beendet. Der Menschenre­chtler hatte sein fünfjährig­es Amt kurz vor dem ersten Wahlsieg der rechtskons­ervativen Kaczyn´skiPartei „Recht und Gerechtigk­eit“(PiS) angetreten. Seine Amtszeit endete im September 2020. Doch da sich die beiden Parlaments­kammern nicht auf einen Nachfolger einigen konnten, übte er sein Amt weiterhin aus. So war es bisher immer in Polen seit der demokratis­chen Wende von 1989 üblich.

Der als kritisch geltende Bürgerombu­dsmann, ehemaliger Leiter des Warschauer Büros der Helsinki-Menschenre­chtsstiftu­ng, war der PiS schon lange ein Dorn im Auge. Erst Anfang der Woche hatte er der De-facto-Verstaatli­chung von 120 Lokalzeitu­ngen und Onlineport­alen per Gerichtsur­teil einen Riegel vorgeschob­en. PiS

Abgeordnet­e hatten davor schon das Verfassung­sgericht angerufen. Das nach Kaczyn´skis Machtübern­ahme auf Parteilini­e gebrachte Gericht urteilte nun wenig überrasche­nd im Sinne der PiS.

Letzte unabhängig­e Instanz

Das Verfassung­sgericht befand, die Amtszeit des Bürgerombu­dsmanns sei seit dem 9. September 2020 abgelaufen. Dies gelte auch für andere Ämter, etwa den Obersten Rechnungsp­rüfungshof NIK, der gerade von einem aufmüpfige­n PiS-Politiker geleitet wird. Der Störenfrie­d Nummer eins, Adam Bodnar, muss nun sein Amt spätestens drei Monate nach Urteilspub­likation verlassen.

Die von der PiS dominierte Sejm, Polens Große Kammer, wurde aufgerufen, schnell ein Gesetz zu verabschie­den, um einen von der Regierung ernannten Kommissar als „vorübergeh­enden Bürgerombu­dsmann“einzuführe­n. PiS wünscht sich für den Posten Bartlomiej Wroblewski.´ Doch der Kaczyn´ski-Anhänger wird vom Senat nicht unterstütz­t. Dort hat PiS seit den Wahlen von 2019 keine Mehrheit mehr.

Das Amt des Bürgerombu­dsmanns war bisher die letzte noch unabhängig­e Verfassung­sinstanz in dem von Kaczyn´ski seit Ende 2015 radikal umgebauten Staat. Sämtliche Gerichte, Ämter, Regierungs­agenturen, aber auch das Staatsradi­o und -TV hat PiS bereits mit loyalen eigenen Parteigäng­ern besetzt. Kaczyn´ski nutzte dabei schlechte Gewohnheit­en der liberalen und linken Vorgängerr­egierungen aus, die diese an sich unabhängig angelegten Institutio­nen ebenso kontrollie­rten oder darauf Einfluss nehmen wollten.

Diese Machtallür­en machen den polnischen Staat seit 1989 schwach. Doch niemand war bisher so radikal vorgegange­n wie PiS. Erklärtes Vorbild von PiS-Parteigrün­der Jaroslaw Kaczyn´ski ist dabei Viktor Orban´ in Ungarn.

Der abgesetzte Menschenre­chtler Bodnar hat in einer ersten Stellungna­hme versproche­n, die verbleiben­den drei Monate wie bisher weiter als unabhängig­er Bürgerombu­dsmann tätig zu sein.

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