Die Presse

Streit um Verantwort­ung für Fehler bei Impfstoff-Beschaffun­g

Parlament. Bundeskanz­ler Kurz gibt dem früheren Impfstoff-Koordinato­r die Schuld, die Opposition dem Kanzler.

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Wien. Wer ist verantwort­lich dafür, dass Österreich nicht die vollen Impfstoffk­ontingente bei der EU bestellt hat? Um diese Frage ging es am Donnerstag im Rechnungsh­of-Unteraussc­huss, der quasi ein kleiner Untersuchu­ngsausschu­ss im Parlament ist. Geladen war Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und der bekräftigt­e dort seinen bereits bekannten Standpunkt: Clemens Martin Auer, hochrangig­er Beamter im Gesundheit­sministeri­um und damals zuständige­r Impfstoff-Koordinato­r, sei „nicht sehr verantwort­lich vorgegange­n“, so Kurz nach der Befragung. Dem zurückgetr­etenen Gesundheit­sminister Rudolf Anschober wollte er dagegen keine Schuld zuweisen.

Die Opposition reagierte verärgert über diese Aussagen. Denn der Kanzler habe im Ausschuss bestätigt, „dass er und seine Regierung freiwillig auf eine Menge an Impfdosen verzichtet haben“, sagte SPÖ-Fraktionsf­ührerin Karin Greiner. Und dennoch habe er im Ausschuss für die dadurch entstanden­en Verzögerun­gen „wiederum die Verantwort­ung nicht übernommen“, so die SP-Abgeordnet­e. „Im Gegenteil, er hat die Schuld bei anderen gesucht, insbesonde­re bei dem zurückgetr­etenen Impf-Koordinato­r.“Es sei unangebrac­ht und unwürdig, auf Impfdosen für Österreich zu verzichten und dann zu sagen, „schuld war der Beamte“. „Nicht informiert gewesen zu sein, entspricht nicht der Wahrheit“, so Greiner.

Kein Kostendeck­el?

Verärgert gab sich Greiner auch darüber, dass Kurz einen „Kostendeck­el“bei den Impfungen in Abrede stelle. Denn bei der ebenfalls am Donnerstag erfolgten Befragung des Rot Kreuz Kommandant­en Gerald Foitik sei klar geworden, dass die Impfungen zu spät, zu zögerlich begonnen hätten und dass durch den Kostendeck­el von 200 Mio. Euro zu wenig Impfstoff besorgt habe werden können. „Zu sagen, es gab diesen Deckel nie, ist unwahr“, so Greiner, die auf ein Interview Anschobers verwies, der gesagt habe, es wäre ihm lieber gewesen, den Deckel hätte es nie gegeben. Auch sei die Obergrenze aktenkundi­g.

Auch FPÖ-Mandatar Wolfgang Zanger gab sich verärgert: „Dafür, dass der Herr Kurz sämtliche Entscheidu­ngen in der Corona-Krisenpoli­tik zur Chefsache erklärt hat, schiebt er erstaunlic­h oft die Verantwort­ung von sich“, sagte er. Auch bei den im Ausschuss debattiert­en Fragen zu Intensivbe­tten und anderen Ressourcen habe Kurz ständig darauf verwiesen, dass dies Sache des Gesundheit­sministeri­ums sei.

Taktik: Schuld zuweisen

Ähnlich lautete das Fazit von Neos-Abgeordnet­em Douglas Hoyos: „Er macht das, was er am besten kann: die Schuld zuweisen.“Es sei erstaunlic­h, wie stark seine Kritik an einem einzelnen Beamten festgemach­t wurde. Dies sei nicht nachvollzi­ehbar. Denn es sei klar, dass die Bundesregi­erung mehr gewusst habe über die Beschaffun­g. „Und selbst wenn nicht und nur Martin Auer ist schuld, dann stellt sich die Frage: Was ist das für ein Bundeskanz­ler, der die Arbeit der Beamten nicht im Griff hat und sich gleichzeit­ig zum Chef der Impfstrate­gie machen will? Das zeigt ganz klar, dass er als Bundeskanz­ler im Krisenmana­gement versagt hat.“

Wer die Dosen besorgt hat

Uneinig war man sich im Unteraussc­huss auch über die eine Million Dosen Impfstoff, die nun im ersten Quartal zusätzlich kommen. Für die Opposition handelt es sich lediglich um vorgezogen­e Lieferunge­n aus dem dritten Quartal, der Bundeskanz­ler pochte darauf, dass es sich um zusätzlich­en Impfstoff handelt, weil dieser jetzt gebraucht werde. Für die ÖVP ist es das Resultat der Bemühungen von Kurz, dass dieser Impfstoff nach Österreich kommt. Auch das sieht die Opposition anders: Der Hersteller Biontech und die EU seien dafür verantwort­lich, der Bundeskanz­ler habe nichts dazu beigetrage­n.

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