Autokonzerne und ihr Chipproblem
Die Lieferengpässe in der Halbleiterindustrie lassen die Autoproduktion immer wieder stillstehen. Die Kosten dafür werden in die Milliarden gehen. Die Probleme sind teilweise hausgemacht.
Wien. Es ist ein Mangel, der schon seit Längerem besteht und der sich zuletzt vor allem in der Autoindustrie bemerkbar machte: jener von Chips. Er zwingt einige Konzerne dazu, ihre Produktion immer wieder zurückzufahren oder gänzlich anzuhalten.
In den Reigen der betroffenen Unternehmen reihte sich am Donnerstag zum wiederholten Mal der US-Hersteller Ford ein. Er teilte mit, die Bänder in fünf seiner USAnlagen und einer Fabrik in der Türkei für kurze Zeit anhalten zu müssen. Wie viele Fahrzeuge davon betroffen sind, gab man zwar nicht bekannt. Die finanziellen Auswirkungen der Chip-Knappheit dürften für Ford aber gewaltig sein – und den Gewinn im laufenden Geschäftsjahr um ein bis 2,5 Mrd. Dollar (2,1 Mrd. Euro) schmälern. Der gesamten Autoindustrie werden infolge von Lieferengpässen allein in diesem Jahr bis zu 61 Mrd. Dollar verloren gehen. VW-Chef Herbert Diess glaubt, dass die Halbleiterknappheit auch die Erholung der Branche bremsen wird.
Nach Einschätzungen der Berater von Strategy & dürften allein im heurigen ersten Quartal 600.000 Fahrzeuge aus Mangel an Elektronik nicht produziert worden sein.
Die Autoindustrie ist durch den immer größer werdenden Anteil von Elektronik und Software in den Fahrzeugen ein großer Abnehmer der Halbleiterindustrie. Doch wenn die Branche – so wie sie es im Zuge der Coronapandemie tat – Bestellungen streicht, um sie dann später doch wieder aufzugeben, wird es problematisch. Die notwendigen Kapazitäten bei den Halbleiterherstellern sind dann nämlich längst nicht mehr verfügbar. „Die Halbleiterfabriken sind auf eine hohe Auslastung ausgelegt“, sagt Experte Marcus Gloger von Strategy &. Die Fertiger füllten ihre Auftragsbücher im Vorjahr also schnell mit den Orders anderer Hersteller, die im Zuge der Krise dringend Chips für Displays oder Laptops benötigten. Die hohen Investitionen, die die Halbleiterindustrie laufend zu tätigen hat, um auf dem neuesten technologischen Stand zu sein, muss sie schließlich auch erst verdienen.
Unklarer Ursprung
Für die Autoindustrie ergeben sich durch die Knappheit aber auch noch andere Probleme: steigende Chippreise, die die Konzerne nicht einfach so an die Kunden weitergeben. In den Unternehmen werde teilweise über Centbeträge bei
Dichtungsrichten diskutiert, so Strategy &-Experte Tanjeff Schadt. „Die Industrie akzeptiert keine Schwankungen, die Branche ist so nicht aufgestellt.“
Hinzu kommt, dass „die Autofirmen bis heute keine Halbleiter verstehen“, so Schadt. Soll heißen: Obwohl in einem Auto inzwischen 80 Prozent aller Innovationen softwaregetrieben ist, können „die Unternehmen nicht sagen, welche Halbleiter in ihren Autos im Detail zu finden sind“.
Auch weil die Autokonzerne zu ihrem Zulieferer gehen, der die Chips aber noch nicht einmal designt. Das macht jemand anderer, die Produktion wiederum läuft bei einer Handvoll Hersteller zusammen, etwa bei TSMC aus Taiwan oder Samsung.
So kommen in einem Fahrzeug dann Chips aus aller Welt zusammen, woher sie stammen, weiß allerdings niemand. Gleichzeitig herrsche jedoch Verwunderung, wenn eine Modellreihe stillsteht, weil ein Reinraum in einer Halbleiterfabrik in Japan brennt. „Die Autokonzerne müssen den nächsten Schritt gehen, ihre Lieferkette transparent machen, Chips stärker standardisieren und besser managen“, sagt Gloger. Was auch bedeutet, vermehrt Partnerschaften mit Halbhalbleiterherstellern einzugehen.