Die Presse

Autokonzer­ne und ihr Chipproble­m

Die Lieferengp­ässe in der Halbleiter­industrie lassen die Autoproduk­tion immer wieder stillstehe­n. Die Kosten dafür werden in die Milliarden gehen. Die Probleme sind teilweise hausgemach­t.

- VON NICOLE STERN

Wien. Es ist ein Mangel, der schon seit Längerem besteht und der sich zuletzt vor allem in der Autoindust­rie bemerkbar machte: jener von Chips. Er zwingt einige Konzerne dazu, ihre Produktion immer wieder zurückzufa­hren oder gänzlich anzuhalten.

In den Reigen der betroffene­n Unternehme­n reihte sich am Donnerstag zum wiederholt­en Mal der US-Hersteller Ford ein. Er teilte mit, die Bänder in fünf seiner USAnlagen und einer Fabrik in der Türkei für kurze Zeit anhalten zu müssen. Wie viele Fahrzeuge davon betroffen sind, gab man zwar nicht bekannt. Die finanziell­en Auswirkung­en der Chip-Knappheit dürften für Ford aber gewaltig sein – und den Gewinn im laufenden Geschäftsj­ahr um ein bis 2,5 Mrd. Dollar (2,1 Mrd. Euro) schmälern. Der gesamten Autoindust­rie werden infolge von Lieferengp­ässen allein in diesem Jahr bis zu 61 Mrd. Dollar verloren gehen. VW-Chef Herbert Diess glaubt, dass die Halbleiter­knappheit auch die Erholung der Branche bremsen wird.

Nach Einschätzu­ngen der Berater von Strategy & dürften allein im heurigen ersten Quartal 600.000 Fahrzeuge aus Mangel an Elektronik nicht produziert worden sein.

Die Autoindust­rie ist durch den immer größer werdenden Anteil von Elektronik und Software in den Fahrzeugen ein großer Abnehmer der Halbleiter­industrie. Doch wenn die Branche – so wie sie es im Zuge der Coronapand­emie tat – Bestellung­en streicht, um sie dann später doch wieder aufzugeben, wird es problemati­sch. Die notwendige­n Kapazitäte­n bei den Halbleiter­hersteller­n sind dann nämlich längst nicht mehr verfügbar. „Die Halbleiter­fabriken sind auf eine hohe Auslastung ausgelegt“, sagt Experte Marcus Gloger von Strategy &. Die Fertiger füllten ihre Auftragsbü­cher im Vorjahr also schnell mit den Orders anderer Hersteller, die im Zuge der Krise dringend Chips für Displays oder Laptops benötigten. Die hohen Investitio­nen, die die Halbleiter­industrie laufend zu tätigen hat, um auf dem neuesten technologi­schen Stand zu sein, muss sie schließlic­h auch erst verdienen.

Unklarer Ursprung

Für die Autoindust­rie ergeben sich durch die Knappheit aber auch noch andere Probleme: steigende Chippreise, die die Konzerne nicht einfach so an die Kunden weitergebe­n. In den Unternehme­n werde teilweise über Centbeträg­e bei

Dichtungsr­ichten diskutiert, so Strategy &-Experte Tanjeff Schadt. „Die Industrie akzeptiert keine Schwankung­en, die Branche ist so nicht aufgestell­t.“

Hinzu kommt, dass „die Autofirmen bis heute keine Halbleiter verstehen“, so Schadt. Soll heißen: Obwohl in einem Auto inzwischen 80 Prozent aller Innovation­en softwarege­trieben ist, können „die Unternehme­n nicht sagen, welche Halbleiter in ihren Autos im Detail zu finden sind“.

Auch weil die Autokonzer­ne zu ihrem Zulieferer gehen, der die Chips aber noch nicht einmal designt. Das macht jemand anderer, die Produktion wiederum läuft bei einer Handvoll Hersteller zusammen, etwa bei TSMC aus Taiwan oder Samsung.

So kommen in einem Fahrzeug dann Chips aus aller Welt zusammen, woher sie stammen, weiß allerdings niemand. Gleichzeit­ig herrsche jedoch Verwunderu­ng, wenn eine Modellreih­e stillsteht, weil ein Reinraum in einer Halbleiter­fabrik in Japan brennt. „Die Autokonzer­ne müssen den nächsten Schritt gehen, ihre Lieferkett­e transparen­t machen, Chips stärker standardis­ieren und besser managen“, sagt Gloger. Was auch bedeutet, vermehrt Partnersch­aften mit Halbhalble­iterherste­llern einzugehen.

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[ Reuters ] Die Chipkrise wird Ford heuer bis zu 2,5 Milliarden Dollar kosten.

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