Birra und Arte am kristallklaren Wasser
Trentino. Wer sich am Ledrosee, dem kleinen Nachbarn des Gardasees, nicht mit Badeurlaub begnügt und ein wenig genauer hinschaut, findet einige Überraschungen der kulturellen und kulinarischen Art.
Die Österreicher haben hier oben abseits des Gardasees etliche Spuren hinterlassen. Da ging es nicht immer friedlich zu. Aber die Leute vom Ledrosee sind nicht nachtragend. Im Gegenteil, es schwingt eher Nationalstolz mit, wenn sie davon erzählen, dass der große Giuseppe Garibaldi in Bezzecca, keine drei Fahrminuten vom See entfernt, die österreichischen Truppen 1866 verjagt hat. Dass es die Straße auf den Tremalzo-Pass gibt, verdanken sie auch den Österreichern, deretwegen die Italiener einen Versorgungsweg für ihren Verteidigungswall im Ersten Weltkrieg bauen mussten. In normalen Saisonen pilgern Tausende von Mountainbikern zu der steilen Schotterpiste.
Der Ledrosee versteckt sich in den Bergen nordwestlich des großen Gardasees, ist nur über steile Kurven und einen langen Tunnel von Riva herauf erreichbar. Das Herauskommen aus der dunklen Röhre zu den engen Gassen von Molina di Ledro und dem ersten Blick auf den mit zwei Quadratkilometern recht überschaubar großen Bergsee schafft einen stimulierenden Erstkontakt. Heutzutage erfreut sich die Kombination aus Bergen mit Seen großer Beliebtheit, davon profitiert auch der Ledrosee. Dafür hat er auch die Standardausstattung mit Strandbädern, Campingplatz, Jachthafen und einem umfangreichen Angebot an Unterkünften. Der gut zehn Kilometer lange Uferweg ist eine gute Gelegenheit, sich einen ersten Überblick zu verschaffen.
Unesco-Welterbe: Pfahlbauten
Der Trentiner See hat aber auch Qualitäten für eine spezielle Liebe auf den zweiten Blick, wenn man sich ein paar Meter hinter dem Ufer auf die Suche begibt. Wirklich nur ein paar Meter sind es am Ostufer zu den historischen Pfahlbauten bei Molina di Ledro. Das Museo delle Palafitte del Lago di Ledro, so der sperrige offizielle Titel, eröffnet eine Zeitreise über mehr als 4000 Jahre mit den Resten der Pfahlbauten aus der Bronzezeit am Uferbereich, einer überschaubaren, aber eindrucksvollen Ausstellung. Vor allem junge Besucher interessieren sich da für die Rekonstruktionen der historischen Stahlbauten samt ihrer sehr beengten Platzverhältnisse. Wie hat man hier wohl gelebt? Die staksigen Holzhütten samt Schilfdächern auf den Pfählen waren dazu da, die Menschen vor wilden Tieren zu schützen und den Fischfang so nah an der Beute etwas zu vereinfachen. Gut 15.000 Pfähle verteilt auf 4000 Quadratmetern Fläche bildeten die Basis des einstigen Dorfs. Seit 2011 gehören die Pfahlbauten vom Ledrosee zum Welterbe der Unesco.
Wilde Kreaturen begleiten diesen Ausflug hinter die Kulissen des Ledrosees. Keine echten allerdings, denn die Riesenechsen und Riesenschnecken wie auch die Hexen von Ledro Land Art sind ausgesprochen friedfertig. Das Kunstprojekt versteckt sich im Wald südlich des Sees in Richtung Malga Cita. Rund 20 Kunstwerke verteilen sich im Wald, wobei ein Rundweg zu den jeweiligen Objekten führt. Künstler aus der Region wurden hier gebeten, nachhaltige Werke zu schaffen, die sich mit der Geschichte und der Natur ihrer Heimat beschäftigen. Die Ergebnisse sind vielseitig – von sehr gegenständlich bis sehr abstrakt. Da spielt etwa eine Riesengeige durch ihren Resonanzkörper mit den Geräuschen des nahen Gebirgsbachs. Dort beäugt eine Riesenechse die Besucher, als ob sie sie hypnotisieren möchte. Und da hinten wiederum verweist eine Hexenfigur auf die dunklen Kapitel der Geschichte. So ein Spaziergang durch das Gelände der Ledro Land Art ist für die einen eine Abwechslung im schattigen Wald während der heißen Sommertage, für die anderen ein verspielter Familienausflug, der den Nachwuchs begeistern kann.
Da mag man sich dann gern an einen ruhigen Ort zurückziehen. Und der ist nur einen kurzen Spaziergang entfernt. Ein paar Hundert Meter sind es zu einem Bauernhof, der so gar nicht wie einer aussieht. Ein moderner, kantiger Holzbau mit großen Fensterflächen, mit einer Terrasse für die Bewirtung der Gäste inmitten von Gemüse- und Weingärten, flankiert von Holzschuppen für die rustikale Arbeit. Die Familie Risatti hat sich hier vor mehr als einem Dutzend Jahren einen Traum erfüllt. Sie wollten Landwirtschaft in Bioqualität nach den anthroposophischen Grundsätzen von Rudolf Steiner betreiben, vor allem gemeinsam als Familie, erzählt Elisa Risatti, die Tochter, die heute den Betrieb managt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Im Sommer ist der Parkplatz gut gefüllt, die Besucher sitzen in der Sonne, lassen sich Kaffee und Kuchen servieren, kaufen hausgemachte Kräutertees, Kosmetik, Marmeladen und Honig und Wein aus eigener Produktion. Die verspielten Holzfiguren sind Kreationen des Vaters Giampolo, der sie mit der Motorsäge fertigt. Über die Jahre ist der Betrieb kräftig gewachsen, ist den Risattis immer wieder Neues eingefallen. Die jüngste Errungenschaft sind sechs Gästezimmer in Zirbenholz. Und was kommt danach? Keine Ahnung, sagt Elisa Risatti. „Wir diskutieren das in der Familie, aber am Ende treffe ich die Entscheidung.“
Erst Apotheke, dann Brauerei
Es sind hier im Valle di Ledro traditionell die Familienbetriebe, die die interessanten Geschichten schreiben. Manchmal sind sie so
Brennerautobahn bis Ausfahrt Rovereto-Süd, weiter bis Riva del Garda. Südlich von Riva Abzweigung SS 240 Richtung Ledrosee, nach langem Tunnel sind Molina di Ledro und See erreicht.
Agriturismo, www.boscdelmeneghi.com Apothekenmuseum, www.foletto.net Brauerei, www.birrificioleder.it
Rund um den Ledrosee gibt es viele Unterkünfte.
Agriturismo Bosc del Meneghi: neue Zimmer mit Zirbenholz, www.boscdelmeneghi.com
Villa Ai Casai: stilvolle kleine Unterkunft am Nordufer mit Traumblick auf den See, www.ledroholiday.it
Ledro Mountain Chalets: etwas abseits des Sees im Val Molino, Luxus der rustikalen Art, www.ledromountainchalets.it
Klassische regionale Küche, die auch von Einheimischen geschätzt wird, gibt es in der Osteria La Torre in Pieve di Ledro. Gut und biologisch hochwertig essen kann man im Bosc del Meneghi, www.boscdelmeneghi.com
www.vallediledro.com, www.visittrentino.info nostalgisch wie die der Apothekerfamilie Foletto in Pieve di Ledro. Gut 100 Jahre Familiengeschichte sind hier in einem kleinen Museum arrangiert. Stilgerecht mit alten Vitrinen und rundlichen dunklen Flaschen mit allerhand Tinkturen, die mit ihren lateinischen Titeln recht geheimnisvoll klingen. Dazu stehen in den Regalen auch Destillierkolben und andere pharmazeutische Gerätschaften. Die Kundschaft kommt nicht nur zur Besichtigung. Das Museum ist Shop zugleich, und die Hausspezialitäten wie der Picco Rosso, der Likör mit Erdbeeren und Himbeeren, sowie die nostalgischen Flaschen mit ebensolchen Etiketten und Kräuterlikor, Gin und Wermut wandern fleißig über den Ladentisch.
Dass man am Ledrosee die Spezialitäten der Region nicht nur kaufen und kosten, sondern auch ein wenig in deren Welt eintauchen kann, macht das alles sympathisch. Nur sollte man es nicht eilig haben. Das empfiehlt sich auch für einen Besuch bei Fabrizio Pellegrini am Westrand von Pieve di Ledro direkt an der Hauptstraße. In der Birrificio Leder wird Bier gebraut, spezielle Sorten, für die Pellegrini das Handwerk in Böhmen gelernt hat. Diese alten Beziehungen kommen nicht von ungefähr: Während des Ersten Weltkriegs verlief hier die Front, wurden viele Trentiner nach Böhmen evakuiert. Heute bezieht Fabrizio einen Großteil des Hopfens aus Böhmen, braut Pils und Lager, ein Roggen-Weizen und ein Pils nach deutscher Machart. Zu Weihnachten gibt es ein Christmas Ale und ein Winterbockbier. In seiner kleinen Brauerei sind fast immer Leute, die sich ausgiebig informieren und probieren. Mit dem Einkaufen ist es gerade schwierig. Und manchmal ist Fabrizio einfach nur fast ausverkauft: „Ich muss dringend wieder abfüllen, hab nur noch etwas dunkles Bier auf Lager.“