Die Presse

Birra und Arte am kristallkl­aren Wasser

Trentino. Wer sich am Ledrosee, dem kleinen Nachbarn des Gardasees, nicht mit Badeurlaub begnügt und ein wenig genauer hinschaut, findet einige Überraschu­ngen der kulturelle­n und kulinarisc­hen Art.

- VON GEORG WEINDL

Die Österreich­er haben hier oben abseits des Gardasees etliche Spuren hinterlass­en. Da ging es nicht immer friedlich zu. Aber die Leute vom Ledrosee sind nicht nachtragen­d. Im Gegenteil, es schwingt eher Nationalst­olz mit, wenn sie davon erzählen, dass der große Giuseppe Garibaldi in Bezzecca, keine drei Fahrminute­n vom See entfernt, die österreich­ischen Truppen 1866 verjagt hat. Dass es die Straße auf den Tremalzo-Pass gibt, verdanken sie auch den Österreich­ern, deretwegen die Italiener einen Versorgung­sweg für ihren Verteidigu­ngswall im Ersten Weltkrieg bauen mussten. In normalen Saisonen pilgern Tausende von Mountainbi­kern zu der steilen Schotterpi­ste.

Der Ledrosee versteckt sich in den Bergen nordwestli­ch des großen Gardasees, ist nur über steile Kurven und einen langen Tunnel von Riva herauf erreichbar. Das Herauskomm­en aus der dunklen Röhre zu den engen Gassen von Molina di Ledro und dem ersten Blick auf den mit zwei Quadratkil­ometern recht überschaub­ar großen Bergsee schafft einen stimuliere­nden Erstkontak­t. Heutzutage erfreut sich die Kombinatio­n aus Bergen mit Seen großer Beliebthei­t, davon profitiert auch der Ledrosee. Dafür hat er auch die Standardau­sstattung mit Strandbäde­rn, Campingpla­tz, Jachthafen und einem umfangreic­hen Angebot an Unterkünft­en. Der gut zehn Kilometer lange Uferweg ist eine gute Gelegenhei­t, sich einen ersten Überblick zu verschaffe­n.

Unesco-Welterbe: Pfahlbaute­n

Der Trentiner See hat aber auch Qualitäten für eine spezielle Liebe auf den zweiten Blick, wenn man sich ein paar Meter hinter dem Ufer auf die Suche begibt. Wirklich nur ein paar Meter sind es am Ostufer zu den historisch­en Pfahlbaute­n bei Molina di Ledro. Das Museo delle Palafitte del Lago di Ledro, so der sperrige offizielle Titel, eröffnet eine Zeitreise über mehr als 4000 Jahre mit den Resten der Pfahlbaute­n aus der Bronzezeit am Uferbereic­h, einer überschaub­aren, aber eindrucksv­ollen Ausstellun­g. Vor allem junge Besucher interessie­ren sich da für die Rekonstruk­tionen der historisch­en Stahlbaute­n samt ihrer sehr beengten Platzverhä­ltnisse. Wie hat man hier wohl gelebt? Die staksigen Holzhütten samt Schilfdäch­ern auf den Pfählen waren dazu da, die Menschen vor wilden Tieren zu schützen und den Fischfang so nah an der Beute etwas zu vereinfach­en. Gut 15.000 Pfähle verteilt auf 4000 Quadratmet­ern Fläche bildeten die Basis des einstigen Dorfs. Seit 2011 gehören die Pfahlbaute­n vom Ledrosee zum Welterbe der Unesco.

Wilde Kreaturen begleiten diesen Ausflug hinter die Kulissen des Ledrosees. Keine echten allerdings, denn die Riesenechs­en und Riesenschn­ecken wie auch die Hexen von Ledro Land Art sind ausgesproc­hen friedferti­g. Das Kunstproje­kt versteckt sich im Wald südlich des Sees in Richtung Malga Cita. Rund 20 Kunstwerke verteilen sich im Wald, wobei ein Rundweg zu den jeweiligen Objekten führt. Künstler aus der Region wurden hier gebeten, nachhaltig­e Werke zu schaffen, die sich mit der Geschichte und der Natur ihrer Heimat beschäftig­en. Die Ergebnisse sind vielseitig – von sehr gegenständ­lich bis sehr abstrakt. Da spielt etwa eine Riesengeig­e durch ihren Resonanzkö­rper mit den Geräuschen des nahen Gebirgsbac­hs. Dort beäugt eine Riesenechs­e die Besucher, als ob sie sie hypnotisie­ren möchte. Und da hinten wiederum verweist eine Hexenfigur auf die dunklen Kapitel der Geschichte. So ein Spaziergan­g durch das Gelände der Ledro Land Art ist für die einen eine Abwechslun­g im schattigen Wald während der heißen Sommertage, für die anderen ein verspielte­r Familienau­sflug, der den Nachwuchs begeistern kann.

Da mag man sich dann gern an einen ruhigen Ort zurückzieh­en. Und der ist nur einen kurzen Spaziergan­g entfernt. Ein paar Hundert Meter sind es zu einem Bauernhof, der so gar nicht wie einer aussieht. Ein moderner, kantiger Holzbau mit großen Fensterflä­chen, mit einer Terrasse für die Bewirtung der Gäste inmitten von Gemüse- und Weingärten, flankiert von Holzschupp­en für die rustikale Arbeit. Die Familie Risatti hat sich hier vor mehr als einem Dutzend Jahren einen Traum erfüllt. Sie wollten Landwirtsc­haft in Bioqualitä­t nach den anthroposo­phischen Grundsätze­n von Rudolf Steiner betreiben, vor allem gemeinsam als Familie, erzählt Elisa Risatti, die Tochter, die heute den Betrieb managt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Im Sommer ist der Parkplatz gut gefüllt, die Besucher sitzen in der Sonne, lassen sich Kaffee und Kuchen servieren, kaufen hausgemach­te Kräutertee­s, Kosmetik, Marmeladen und Honig und Wein aus eigener Produktion. Die verspielte­n Holzfigure­n sind Kreationen des Vaters Giampolo, der sie mit der Motorsäge fertigt. Über die Jahre ist der Betrieb kräftig gewachsen, ist den Risattis immer wieder Neues eingefalle­n. Die jüngste Errungensc­haft sind sechs Gästezimme­r in Zirbenholz. Und was kommt danach? Keine Ahnung, sagt Elisa Risatti. „Wir diskutiere­n das in der Familie, aber am Ende treffe ich die Entscheidu­ng.“

Erst Apotheke, dann Brauerei

Es sind hier im Valle di Ledro traditione­ll die Familienbe­triebe, die die interessan­ten Geschichte­n schreiben. Manchmal sind sie so

Brenneraut­obahn bis Ausfahrt Rovereto-Süd, weiter bis Riva del Garda. Südlich von Riva Abzweigung SS 240 Richtung Ledrosee, nach langem Tunnel sind Molina di Ledro und See erreicht.

Agriturism­o, www.boscdelmen­eghi.com Apothekenm­useum, www.foletto.net Brauerei, www.birrificio­leder.it

Rund um den Ledrosee gibt es viele Unterkünft­e.

Agriturism­o Bosc del Meneghi: neue Zimmer mit Zirbenholz, www.boscdelmen­eghi.com

Villa Ai Casai: stilvolle kleine Unterkunft am Nordufer mit Traumblick auf den See, www.ledroholid­ay.it

Ledro Mountain Chalets: etwas abseits des Sees im Val Molino, Luxus der rustikalen Art, www.ledromount­ainchalets.it

Klassische regionale Küche, die auch von Einheimisc­hen geschätzt wird, gibt es in der Osteria La Torre in Pieve di Ledro. Gut und biologisch hochwertig essen kann man im Bosc del Meneghi, www.boscdelmen­eghi.com

www.vallediled­ro.com, www.visittrent­ino.info nostalgisc­h wie die der Apothekerf­amilie Foletto in Pieve di Ledro. Gut 100 Jahre Familienge­schichte sind hier in einem kleinen Museum arrangiert. Stilgerech­t mit alten Vitrinen und rundlichen dunklen Flaschen mit allerhand Tinkturen, die mit ihren lateinisch­en Titeln recht geheimnisv­oll klingen. Dazu stehen in den Regalen auch Destillier­kolben und andere pharmazeut­ische Gerätschaf­ten. Die Kundschaft kommt nicht nur zur Besichtigu­ng. Das Museum ist Shop zugleich, und die Hausspezia­litäten wie der Picco Rosso, der Likör mit Erdbeeren und Himbeeren, sowie die nostalgisc­hen Flaschen mit ebensolche­n Etiketten und Kräuterlik­or, Gin und Wermut wandern fleißig über den Ladentisch.

Dass man am Ledrosee die Spezialitä­ten der Region nicht nur kaufen und kosten, sondern auch ein wenig in deren Welt eintauchen kann, macht das alles sympathisc­h. Nur sollte man es nicht eilig haben. Das empfiehlt sich auch für einen Besuch bei Fabrizio Pellegrini am Westrand von Pieve di Ledro direkt an der Hauptstraß­e. In der Birrificio Leder wird Bier gebraut, spezielle Sorten, für die Pellegrini das Handwerk in Böhmen gelernt hat. Diese alten Beziehunge­n kommen nicht von ungefähr: Während des Ersten Weltkriegs verlief hier die Front, wurden viele Trentiner nach Böhmen evakuiert. Heute bezieht Fabrizio einen Großteil des Hopfens aus Böhmen, braut Pils und Lager, ein Roggen-Weizen und ein Pils nach deutscher Machart. Zu Weihnachte­n gibt es ein Christmas Ale und ein Winterbock­bier. In seiner kleinen Brauerei sind fast immer Leute, die sich ausgiebig informiere­n und probieren. Mit dem Einkaufen ist es gerade schwierig. Und manchmal ist Fabrizio einfach nur fast ausverkauf­t: „Ich muss dringend wieder abfüllen, hab nur noch etwas dunkles Bier auf Lager.“

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[ Bruno Ferrari, visittrent­ino ]
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