Kärntner Bank an Oligarchen?
Raiffeisen. Die Kärntner Posojilnica Bank wurde von der Raiffeisen vor der Pleite gerettet und soll nun an eine Londoner Investmentfirma verkauft werden, die einem russischen Oligarchen gehört. Doch die Aufsicht legt sich quer.
Die Kärntner Posojilnica Bank soll an eine Investmentfirma verkauft werden, die einem russischen Oligarchen gehört.
Wien. Eine kleine Raiffeisenbank der slowenischen Minderheit in Kärnten, die wegen einer missglückten Expansion am Balkan vor der Insolvenz gerettet wurde und nun von einem russischen Oligarchen übernommen werden soll, um seiner Londoner Investmentfirma nach dem Brexit eine Banklizenz in der EU zu sichern. Würde man nach Inspiration für einen Wirtschaftskrimi suchen, bei der Posojilnica Bank (Poso) könnte man aus dem Vollen schöpfen.
Zur Vorgeschichte: Es begann 1872 in einem beschaulichen Dorf in Kärnten, in St. Jakob im Rosental. Die Kärntner Slowenen gründeten in der damaligen Monarchie eine eigene Bank – sie wollten ihre Volksgruppe unabhängiger vom Wohlwollen des österreichischen Souveräns machen. Dafür wählten sie eine in dieser Zeit populäre Organisationsform: die Genossenschaft. Vom Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen ab Mitte des 19. Jahrhunderts angestoßen, beruhte sie auf gegenseitiger Hilfe und gemeinschaftlicher Verwaltung ihrer Mitglieder. Doch der gleichzeitig in Europa aufkeimende Nationalismus verstärkte die ethnischen Feindseligkeiten und gipfelte schließlich im Ersten Weltkrieg. Einige Jahre danach wurde die Poso innerhalb der neuen Landesgrenzen in den Raiffeisensektor eingegliedert.
Raiffeisen rettet Poso vor der Pleite
Abgesehen von der Zeit des Zweiten Weltkriegs funktionierte das lang gut. Die Poso behielt ihre Unabhängigkeit, hatte ein eigenes Spitzeninstitut und wurde zweisprachig geführt. Doch eines Tages überkam sie der Übermut. So wie die große Hypo Alpe Adria ließ sich auch die kleine Poso dazu hinreißen, in das benachbarte Slowenien und Kroatien mit riskanten Fremdwährungskredite zu expandieren. Ab 2013 ließen sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht mehr verbergen, es folgten Millionenverluste bis die Bank 2015 vor der Pleite stand. Das institutionelle Einlagensicherungssystem des Raiffeisensektors sprang mit rund 73 Mio. Euro ein. Das machte Raiffeisen – konkret die im internen Sicherungssystem vertretenen Institute wie die Landesbanken, Wohnbaubank oder die Raiffeisen Bank International (RBI) gemäß ihrer Anteile – mit knapp 97 Prozent zum Mehrheitseigentümer der Poso. Die übrigen drei Prozent sind auf rund 9000 überwiegend zur slowenischen Minderheit gehörende Genossenschafter verteilt, darunter kleine Betriebe, Landwirte und Privatpersonen.
Anschließend begann Raiffeisen die Poso zu sanieren: Das Spitzeninstitut Zveza verschmolz mit den Poso-Banken, die Filialen wurden auf sieben reduziert, Werte berichtigt und notleidende Kredite verkauft. Auf den ersten Blick mit Erfolg: Im vergangenen Jahr wies die Poso erstmals wieder einen kleinen Gewinn von 36.000 Euro aus. Doch bei einer Bilanzsumme von 462 Mio. Euro hat sie immer noch 70 Mio. Euro fauler Kredite in ihrem Portfolio. Allein diese zu verwalten kostet rund zwei Mio. Euro. Die CostIncome-Ratio übersteigt 100 Prozent – das bedeutet, die Kosten sind höher als die Erträge. Es lässt sich also kaum sagen, die Bank hätte eine prosperierende Zukunft vor sich. Zumal das klassische Bankgeschäft in Österreich auch ohne Altlasten unter Druck ist.
Behörde verbietet Abspaltung
Umso überraschter war man bei Raiffeisen, als Ende 2019 Kaufinteressenten für die Poso auftauchten. Das beste Angebot legte die in London ansässige Investmentfirma mit einer Zweitniederlassung in Moskau und einem zur kleinen Regionalbank völlig konträren Geschäftsmodell. Sie war sogar bereit, nicht nur einzelne Teile der Poso, sondern den gesamten Betrieb zu übernehmen und mit rund 50 Mio. Euro etwas mehr als den Buchpreis zu bezahlen. Erleichtert, die Südkärntner Bürde loszuwerden, einigte sich Raiffeisen im Juli 2020 mit Sova Capital. Der Kaufvertrag sieht vor, dass die Poso in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt wird. Und hier begannen die Probleme. Auch weil die slowenischen Vertreter nicht früh genug eingebunden wurden, wie der Verein slowenischer Genossenschafter kritisiert. Es wurde sogar der Vorstandschef der Bank abgelöst, weil er sich gegen den Deal gestellt hatte.
Grundsätzlich ist es kein großer Aufwand, den Bankbetrieb aus einer Genossenschaft herauszulösen und in eine AG zu übertragen. Doch ohne die Genehmigung der Finanzmarktaufsicht (FMA) geht im sensiblen Bankenbereich nur wenig. Sie müsste der AG eine neue Banklizenz erteilen. Allerdings hat sie nicht vor, das zu tun: In einer Vorabmitteilung ließ sie die Beteiligten wissen, dass die Bank eigenständig, also außerhalb des Raiffeisensektors, nicht überlebensfähig sei. Raiffeisen versucht nun die FMA vom Gegenteil zu überzeugen, bevor die Behörde die offizielle Absage erteilt.
Sowohl vonseiten der Raiffeisen als auch der Sova heißt es auf Anfrage, man halte entschlossen an der Transaktion fest, die Kaufsumme liege bereits auf einem Treuhandkonto. Die FMA hätte bei ihrer Prüfung nicht berücksichtigt, dass die Sova einen Plan für die Poso hat: Sie will 20 Mio. Euro zuschießen, wohlhabende Privatkunden mitbringen, die Zentrale in Klagenfurt behalten, eine Filiale in Wien eröffnen und die Bank zu ihrer Drehscheibe in der EU machen.
Inoffiziell wird auch Kritik an der Behörde angebracht: Mit diesem „formalistischen Zugang“schade sie dem österreichischen Bankenstandort – man könne sich ja theoretisch auch in einem anderen EU-Staat niederlassen. Auch Raiffeisen droht hinter den Kulissen mit einer Zerschlagung der Poso in Form einer Fusion mit den lokalen Raiffeisenbanken, sollte der Verkauf nicht klappen.
Kontakte ins Finanzministerium
Doch im Hintergrund wird bereits an einer neuen Variante gearbeitet: Statt die Bank in eine AG abzuspalten, sollen nun die Genossenschaftsanteile einzeln herausgekauft werden. Das ist zwar deutlich aufwendiger, aber dafür wäre keine Erlaubnis der FMA notwendig. Man sei bereits mit einigen Genossenschaftern in Kontakt. Die Transaktion sei bereits zu weit fortgeschritten, um nun einen Rückzieher zu machen, heißt es.
Die Sova hat bisher keine Kosten gescheut, um den Kauf über die Bühne zu bringen. Lange vor dem offiziellen Anbot wurden Beratungsfirmen und Anwaltskanzleien engagiert, zuletzt sind zwei PR-Agenturen dazugekommen. Man knüpfte früh Kontakte ins Finanzministerium, persönliche Treffen unter dem damaligen Generalsekretär und ehemaligen Öbag-Chef Thomas Schmid wurden arrangiert. Der Deal schaffte es sogar in den Ibiza-Untersuchungsausschuss: Die Netzwerkerin Gabriela Spiegelfeld wurde befragt, ob die neue Öbag-Chefin Christine Catasta in Österreich für Sova lobbyiert hätte. Die Öbag antwortet auf „Presse“-Nachfrage: Catasta kenne die Sova aus ihrer früheren Tätigkeit als PwC-CEO, wäre aber nicht persönlich zuständig gewesen. Derartige Vorarbeiten vor größeren Transaktionen seien international üblich, argumentieren die Sova-Vertreter.
Ziel des Investors: Banklizenz in der EU
Die Aufregung rund um den Verkauf der Poso liegt nicht zuletzt an dem Mehrheitseigentümer der Sova Capital: Roman Awdejew. Der Russe mit zypriotischem Pass gehört mit einem von Forbes geschätzten Vermögen von 1,7 Mrd. US-Dollar nicht nur zu den Reichsten der Welt, sein Name fand sich auch auf einer 2018 vom US-Treasury Department veröffentlichten Liste mit 96 Oligarchen, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehen sollen. Der 53-Jährige hält unter anderem die Mehrheit an der Credit Bank of Moscow, ist Miteigentümer der Apothekenkette 36.6, besitzt den Fußballklub Torpedo Moskau und viele weitere Beteiligungen über seine Investmentgesellschaft Rossium. Die Anteile an der Sova verwaltet Awdejew über sein Family Office Blendiser Corporation mit Sitz in Zypern.
Vonseiten der Sova wird betont, dass ihr Eigentümer nicht operativ tätig sei, auch nicht im Aufsichtsrat sitze und mit dem Kauf der Poso nichts zu tun habe. Es wird aber kein Geheimnis daraus gemacht, dass die Sova nach dem Brexit auf der Suche nach einer Banklizenz in der EU ist – und dank der Raiffeisenbank nun wieder eine hätte.
Die Russland-Verbindungen sieht man auch an dem ursprünglich für die neue Poso vorgesehenen Vorstandschef: Igor Strehl war früher CEO der VTB Bank und Vorstand der Sberbank Europa in Wien. Derzeit berät der Russe mit seiner Dunaj Consulting unter anderen Dienstleistungen Privatpersonen und Firmen, wie sie mit der Verlagerung ihres Wohn- oder Unternehmenssitzes Steuern sparen können und hilft bei Bemühungen um die österreichische Staatsbürgerschaft.
Sollte der neue Plan, die Genossenschafter der Poso herauszukaufen, funktionieren, steht aber die nächste regulatorische Hürde im Weg: das Eigentümerkontrollverfahren. Dabei wird von der FMA und EZB geprüft, ob der Käufer fit & proper – vereinfacht gesagt: ausreichend qualifiziert und redlich – ist, um eine Bank zu übernehmen und zu führen.