Die Presse

„Ich gehe davon aus, dass Rendi-Wagner bleibt“

Interview. SPÖLandesp­arteichefi­n Birgit Gerstorfer über die Landtagswa­hl in Oberösterr­eich und den starken Gegenwind aus dem Bund.

- VON JULIA WENZEL

Die Presse: „Pam ist meine Vorsitzend­e“, sagten Sie über SPÖChefin Rendi-Wagner zu den „Oberösterr­eichischen Nachrichte­n“. Damit sind Sie derzeit die Einzige, die sich offen hinter sie stellt. Wird sie ihre „Platzhalte­rfunktion“, wie es Beobachter nennen, noch bis zur OÖ-Wahl am 26. September durchhalte­n? Birgit Gerstorfer: Davon gehe ich aus. Es gibt eine klare Aussage seitens Rendi-Wagners, nämlich dass sie bleibt. Deshalb gehe ich davon aus, dass das natürlich so sein wird am 26. September.

Dass sich Rendi-Wagner und Doskozil noch einmal versöhnen, ist für viele hochrangig­e SPÖ-Politiker unwahrsche­inlich. Sogar von Abspaltung­stendenzen ist die Rede. Könnte es bald eine Doskozil-Partei geben?

Von meiner Seite gibt es da keinen Kommentar dazu, weil ich das, was ich von anderen erwarte, selbst tue. Nämlich nicht in der Öffentlich­keit Parteiinte­rna zu diskutiere­n.

Wann haben Sie das letzte Mal mit Rendi-Wagner gesprochen? Wir telefonier­en sehr regelmäßig, auch in dieser Zeit. Das war vorher oft so und ist jetzt auch so.

Die Landtagswa­hl wird noch mehr als sonst im Bund mit Spannung erwartet. Sie dürfte endgültig über das Schicksal der SPÖ-Chefin entscheide­n. 2015 gab es mit 18,21 Prozent das schlechtes­te Ergebnis in der 2. Republik. Was ist Ihr Ziel?

Ich sage immer zwei plus zwei: Einen zweiten Regierungs­sitz ( in Oberösterr­eich gilt das Proporzpri­nzip in der Regierung, Anm.) und Zweite im Bundesland werden. Das eine bedingt fast das andere.

Sie liegen derzeit bei 21 Prozent. Das würde Sie zufriedens­tellen? Mir geht es darum, dass wir dazugewinn­en und das zweite Regierungs­mandat erhalten. Jedes Prozent mehr ist mir hochgradig willkommen. Es ist machbar, weil wir derzeit bei den Themen der Menschen sind. Das ist, nach Corona, allen voran Arbeit, Arbeit, Arbeit. Wenn ich draußen mit den Menschen rede, werde ich nicht gefragt, was ist denn bei euch in der Bundespart­ei los, sondern nach Kindergart­enplätzen, Pflege und Arbeitslos­igkeit.

Ironischer­weise spricht Doskozil gerade von einem „Kindergart­enniveau“in der SPÖ. Der Rückenwind aus dem Bund muss sich derzeit nach Gegenwind anfühlen. Wie sehr behindert er Ihren Wahlkampf?

Die Diskussion­en, Kickl löst Hofer ab oder ob der Kanzler angeklagt wird oder nicht, sind auch kein Rückenwind. Keine Landespart­ei in Oberösterr­eich hat mit Blick auf die Bundespart­ei gerade einen Rückenwind. Ich mache Politik für die Menschen in Oberösterr­eich und die wissen das. Internes ist intern zu besprechen, und Sachpoliti­k ist für die Menschen zu machen. Das war immer mein Motto.

Ein großes Thema in Oberösterr­eich war zuletzt die drohende Schließung des Steyrer MANWerks. Die SPÖ habe Seite an Seite mit den Arbeitern gekämpft, sagte Rendi-Wagner in einem TV-Interview. 30 Prozent der Belegschaf­t droht nach wie vor die Kündigung. Kann man das als Erfolg bezeichnen?

Ich glaube schon, dass man es als Rettung bezeichnen kann. Von Anfang April bis Ende Mai hat es so ausgesehen, als würden alle Arbeitsplä­tze verloren gehen. Was sich die SPÖ auf die Fahnen heften kann, ist, dass man sich beim ersten Kaufangebo­t nicht über den

Tisch ziehen hat lassen. Hätte es nicht die Abstimmung gegeben, die die Betriebsrä­te herbeigefü­hrt haben, hätte sich die Situation anders dargestell­t. Natürlich ist es so, dass noch nicht alles ausverhand­elt wurde. Aber genau dafür hat man ja rote Gewerkscha­ften.

MAN und BMW sind in der Region beliebte Arbeitgebe­r. Bei MAN wird etwa 50 Prozent mehr gezahlt, als im Kollektivv­ertrag steht. Auch Studierend­e arbeiten deshalb dort gern im Sommer. Der neue Eigentümer, Siegfried Wolf, will immer noch 30 Prozent mehr zahlen. Ihr öffentlich­es Engagement betrifft recht privilegie­rte Arbeitnehm­er.

Wäre der Standort gar nicht weitergefü­hrt worden, hätten nicht nur die 2000 MAN-Arbeiter ihren Job verloren, sondern bis zu 8000 in der ganzen Region. Die Mitarbeite­r haben eine ausgezeich­nete Qualifikat­ion, machen ein Spitzenpro­dukt und hatten eine Standortga­rantie, die zum Zeitpunkt der Diskussion­en noch nicht einmal ein Jahr alt war. Wir haben andere Branchen, in denen es genauso wichtig ist, dass man etwa für den Mindestloh­n von 1700 Euro kämpft. Doch die Branchen bringen eben unterschie­dliche Lohnniveau­s mit sich. Ich würde es mir anders wünschen, aber so ist es. Es ist wichtig, um jeden Arbeitspla­tz zu kämpfen. Auch um die, die vielleicht schnell wieder einen finden.

Wegen des Fachkräfte­mangels hofften andere Firmen insgeheim darauf, dass es die MAN-Mitarbeite­r auf den Arbeitsmar­kt spült. Es gibt neben den MAN-Arbeitern auch noch die Bäckerei um’s Eck, die Gastronomi­ebetriebe. Abgesehen davon, dass dabei Kommunalst­euern verloren gehen. Für die Stadt Steyr hätte das massive Einschnitt­e bedeutet und auch für die anderen Bürger und Bürgerinne­n.

In Wien schließt die Migration demografis­che Lücken auf dem Arbeitsmar­kt. Das bringt uns zum Thema Asyl, das ein Grund für den offenen Streit zwischen Rendi-Wagner und Doskozil ist. Sie gelten als dem linken SPÖ-Lager zugehörig.

Man muss Migration auf mehreren Eben diskutiere­n. Sechs Jahre Entscheidu­ngsphase ( im Fall der getöteten Leonie, Anm.) ist eine riesengroß­e Belastung. Wenn Menschen in Konflikt mit dem Gesetz kommen, bin ich wie viele andere Österreich­er der Meinung, dass sie nicht berechtigt sind, hier zu bleiben.

In Oberösterr­eich soll bald eine große, neue Digital-Uni entstehen. Braucht es die?

Das muss man den Bundeskanz­ler und den Herrn Landeshaup­tmann fragen. Unter den Universitä­ten gibt es durchaus kritische Blicke darauf, ob man diese neue TU braucht. Aktuell ist sie eigentlich nur dazu da, Schlagzeil­en zu füllen. Man weiß nicht, wo sie stehen soll, die Inhalte sind nicht entschiede­n. Es wird spannend, was da auf Kosten der Steuerzahl­er investiert wird.

Sie sind also gegen die Uni?

Es gibt sicherlich große Bildungsno­twendigkei­ten im Bereich der Digitalisi­erung und Technik, da brauchen wir nicht diskutiere­n. Die Frage ist nur, ob das die bestehende­n Standorte nicht auch selbst können.

 ?? [ APA ] ?? Die oberösterr­eichische SPÖ-Spitzenkan­didatin stellt sich weiterhin offen hinter die Bundespart­eiobfrau.
[ APA ] Die oberösterr­eichische SPÖ-Spitzenkan­didatin stellt sich weiterhin offen hinter die Bundespart­eiobfrau.

Newspapers in German

Newspapers from Austria