Die Presse

Gekonnt Murmeln am Klavier

Wellenklän­ge. Millycent ist Österreich­s einzige Mumble-Rapperin. Die Pianistin hat sich ihr Genre selbst erfunden. Jetzt konzertier­t sie in Lunz am See.

- VON SAMIR H. KÖCK

Manches, was zunächst wie Lärm auf mich wirkte, gefiel mir ein Jahr später sehr gut,“erzählt Millycent über ihre braven Anfänge. Eine klassische Klavierleh­rerin hat ihr Talent zur Improvisat­ion früh erkannt und sie ermutigt. Beim Jazzpianis­ten Reinhard Micko, der sie auf Bill Evans brachte, erfuhr sie den nächsten Entwicklun­gsschritt. „Die Harmonik, die Art, wie Evans bekannte Stücke in Neues verwandelt­e, hat mich fasziniert. Eine Zeit lang habe ich extrem viel Jazz gehört. Auch in der Zeit, als ich in London gejobbt habe.“

Sie eroberte sich Clubs wie das berühmte Vortex, ging beinah jeden Abend hin. „Rasch war ich mit ein paar Menschen aus der Szene befreundet.“Trotzdem dachte die 1990 als Emilie Groz in Wien Geborene noch längst nicht dran, sich beruflich Richtung Musik zu orientiere­n. Das passierte erst nach einem weiteren Auslandsau­fenthalt. Diesmal war das Ziel Rumänien. Millycent arbeitete in einem von Priestern geleiteten Erstaufnah­mezentrum für jugendlich­e Obdachlose. „Dort gab es ein Klavier. Nach den Gebeten habe ich gespielt. Ein paar Jugendlich­e machen mit, wir haben dann gejammt. Irgendwann wollte der Leiter, dass ich eine Band mit den Jugendlich­en aufbaue. Dadurch bin ich erst draufgekom­men, dass ich etwas mit Musik machen könnte.“

Dass sie nach den Jahren der Klassik und nach einem Jazzpianos­tudium an der Uni in Linz bei Christoph Cech zu ihrem eigentlich­en Stil gekommen ist, ist der Landluft des Burgenland­s geschuldet. Exaktere Erklärunge­n gibt es keine. Bei einem Hoffest erfand sie sich eine eigene Musik, den Mumble Rap. „Kurioserwe­ise habe ich das für mich und meine Möglichkei­ten erfunden und dann bemerkt, dass es dieses Genre eh schon gab,“lacht sie über sich selbst.

Den Anwesenden hat ihre Performanc­e sofort gefallen. „Zunächst dachte ich ja, ich müsste nach dem Studium voll die Jazzerin werden und Swing spielen. Aber in diesem spontanen Moment habe ich mich sofort wohlgefühl­t. Es passierte aus dem Bauch heraus.“Der ist selten ein schlechter Ratgeber.

Seltsame Texte torpediere­n

Millycent hat eigene Stücke, adaptiert allerdings auch Songs von anderen für ihre Zwecke. „Ich bin ein totaler Beatles-Fan, also habe ich mir ,I Feel Fine’ vorgenomme­n. Oder auch Billy Joels ,She´s Always A Woman To Me’.“In Letzterem wechselt sie die Perspektiv­e, singt es aus der Sicht der Frau. In anderen Liedern verändert sie radikal die Texte. „Ich suche mir Lieder, deren Texte ein wenig seltsam sind. Und die torpediere ich dann. Nicht zuletzt Machotexte.“Ist sie eine Hardcorefe­ministin? „Schon eine Feministin, aber nicht hardcore. Ich mag gern, wenn die Menschen einander nett begegnen. Möglichst mit Humor. Das mit dem Zeigefinge­r liegt mir nicht. Denkanstöß­e auslösen ja, aber pädagogisc­h nötigen möchte ich niemanden. Ich finde es lustig, wenn mich Leute auf andere Gedanken bringen. Umgekehrt hoffe ich, dass es auch so ist.“

Bei ihren Auftritten fühlen sich die Hörer sehr wohl. Ist das, was zwischen ihr und dem Publikum passiert, eher ein stummer Dialog oder Call & Response? „Die Leute dazu animiert, dass sie mitmachen, das habe ich erst einmal gemacht. Das war super lustig. Aber so etwas permanent zu machen, fände ich öde. Es muss spontan bleiben.“Sicher ist, dass sie einen engen Kontakt zu ihrem Publikum hat. „Ich denke schon darüber nach, was ich in Konzerten interessan­t finde. Nina Simone und Voodoo Jürgens finde ich beide, so unterschie­dlich sie sind, total super.“

Und weil man als gute Performeri­n nicht nur an die da unten denken darf, sondern auch an sich selbst, grübelt sie auch darüber nach, was sie von der Musik selbst will. „Manchmal ist sie mir simpel Ausdrucksm­ittel, dann aber auch ein Gegenpol zu meiner augenblick­lichen Verfassthe­it“, sagt Millycent. „Manchmal tanze ich auch innerlich, während ich spiele.“Für das Wellenklän­ge-Festival wird sie jedenfalls auch etwas Spaßiges einbauen. „Ich freue mich schon sehr darauf. Ich habe einen Matineeter­min in einem wahnsinnig schönen Gebäude mit viel Geweih an der Wand. Ich werde mich ein bisserl mit alpinen Motiven spielen.“

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[ Clemens Fabry] Millycent ist am kommenden Sonntag zu Gast beim Wellenklän­geFestival in Lunz.

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