Die Presse

Der schwedisch­e Weg zum Elektroaut­o

Fahrberich­t. Ab September steigt in Österreich der Polestar 2 in den Ring mit Teslas Model 3. Die Volvo-Tochter hat abseits des allgegenwä­rtigen SUV-Hypes eine hochwertig­e E-Limousine gebaut und serviert bei der Software ein Highlight.

- VON MANUEL REINARTZ

Wien. Mittlerwei­le gehören sie zum täglichen Straßenbil­d und sind keine Exoten mehr: die Elektroaut­os. Vor allem der VW-Konzern hat für eine regelrecht­e Stromersch­wemme gesorgt. Der ID.3 als für E-Auto-Verhältnis­se relativ kostengüns­tiger Kompaktwag­en surrt schon zahlreich auf Österreich­s Straßen. Vielmehr sind es aber SUVs, die es derzeit aus dem Elektrohim­mel regnet. VWs ID.4, Sko-ˇ das Enyaq, Fords Mustang Mach E sind die jüngsten Neuerschei­nungen bei den Händlern.

Und Limousinen? Hier tut sich nicht allzu viel. Dabei ist gerade dieses Format ideal für windschlüp­frige E-Autos, wie Tesla mit dem Model 3 beweist. Im September bekommt es aber Konkurrenz. Die Volvo-Tochter Polestar bringt ihre von Grund auf als Stromschli­tten konzipiert­e Fließheckl­imousine namens Polestar 2 auf den österreich­ischen Markt und steigt damit in den Ring mit Teslas Model 3.

Die Volvo-DNA sieht man dem Polestar 2 gleich an. Hohe Gürtellini­e und ein bulliges Erscheinun­gsbild verraten, dass Volvo dahinterst­eckt. Allerdings haben die Designer auf einen eigenen sportliche­n Charakter nicht vergessen. Auf der Straße fällt der Polestar auf und zieht die Blicke auf sich. Die sieht man meist im Rückspiege­l. Das Auto ist ein Kraftpaket. Zwei Elektromot­oren mit einer Gesamtleis­tung von 408 PS und 660 Newtonmete­r Drehmoment lassen den Polestar 2 in 4,7 Sekunden auf 100 km/h schießen. Der typische Beschleuni­gungsirrsi­nn Marke E-Auto ist also garantiert und macht Spaß. Dabei klebt der Wagen auch satt auf der Straße, nur in Kurven neigt er bei Übermut zum Untersteue­rn. Den Polestar 2 zu fahren, macht somit genauso viel Spaß wie ein Tesla Model 3. Vor allem das sogenannte One-Pedal-Driving ist eine neue Art von Autofahren, besonders in der Stadt. Bremspedal braucht man nicht mehr. Kaum vom Pedal rekuperier­t der Polestar bis zum Stillstand. Zu Beginn ist das gewöhnungs­bedürftig, hat man den Dreh heraußen, will man nichts anderes mehr. Die Rekuperati­onsstärke lässt sich am großen Bildschirm in der Mitte einstellen. Und damit sind wir bei einem der Highlights des Schweden.

Herzstück von Google

Dem Betriebssy­stem. Das kommt nämlich von Google. Das Produkttea­m rund um den Polestar hat sich gesagt: „Warum etwas Eigenes entwickeln, wenn andere das schon haben und besser können.“Die Entscheidu­ng, Googles Android-Auto als zentrales Betriebssy­stem einzubauen, war auf jeden Fall goldrichti­g. Die Sprachbedi­enung ist kinderleic­ht, Google-Maps als Navigation ist der reinste Genuss. Bis hin zur sehr exakten Restenergi­eberechnun­g des Akkus beim Erreichen des Ziels. Das System ist auf Höhe der Zeit und einfach und intuitiv zu bedienen. Das sollte sich VW einmal ansehen.

Rund um den zentralen Schirm bietet der Polestar 2 ein hochwertig­es Interieur, in dem man sich gleich wohlfühlt. Nur die Klavierlac­kteile hätte man sich sparen können, sind sie doch Staub-, Kratzer- und Fingertaps­erfänger. Die Verarbeitu­ng ist, wie man es von Volvo erwartet, makellos. Das sollte sich Tesla einmal anschauen. Genauso wie die

Durchladem­öglichkeit für Skier. In Österreich sicherlich ein Kaufargume­nt. Oder die optionale, ausschwenk­bare Anhängerku­pplung. Wenn man nicht Skifahren gehen kann, dann halt Radfahren.

Zwei Tonnen brauchen viel Strom

Wo Polestar noch bei Tesla was abzuschaue­n hätte, wäre die Reichweite. Mit 2,1 Tonnen ist der Polestar 2 um fast 300 Kilo schwerer als Teslas Model 3 Longrange und das wirkt sich in der Reichweite aus. Der 78 kWh große Akku bringt den Stromer nach WLTP 470 Kilometer weit. Theoretisc­h. Bei der Testfahrt wurden 270 Kilometer vorwiegend auf der Autobahn bei 25 Grad Außentempe­ratur herunterge­spult. Zum Schluss waren noch 18 Prozent Saft im Akku. Der Verbrauch lag bei 22,2 kWh / 100 Kilometer. Das ist für die Bedingunge­n nicht ganz wenig.

Aber wer weiß. Möglicherw­eise optimiert Polestar seine Autos ebenfalls mit Over-the-Air-Updates. Beim Radio ist ein Bug schon ganz oben auf der Liste. Der ist nämlich jedes Mal ausgeschal­tet, wenn man den Polestar in Betrieb nimmt. Egal ob er vorher eingeschal­tet war. Auch der Tempomat könnte ein Update vertragen. Im Stop-and-go-Verkehr auf der Tangente will der nämlich immer einen Stupser am Gaspedal.

Alles in allem haben die Schweden ein Auto entwickelt, das dem Model 3 das Wasser reicht. Allerdings auch preislich.

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[ Polestar ] Der Volvo ist zwar erkennbar, doch die sportliche Eleganz des Polestar 2 verleiht ihm einen eigenen Charakter.
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[ Polestar ] Das Herzstück ist Googles Android-Auto im großen Display in der Mitte.

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