Die Presse

Der schnellste Millionärs­sohn

F1. Lando Norris ist nicht der neue Lewis Hamilton, als der er gern bezeichnet wird. Ein künftiger Weltmeiste­r aber steckt im jungen Briten allemal.

- VON JOSEF EBNER

Silverston­e/Wien. Lewis Hamilton befürchtet, dass die Karriere eines Lewis Hamilton heute nicht mehr möglich wäre. Einen Klub der Milliardär­ssohne („Billionair­e Boys Club“) nannte der Rekordwelt­meister die moderne Formel 1 unlängst in der spanischen Sportzeitu­ng „As“. Der Blick ins Fahrerlage­r gibt ihm recht: Lance Stroll, Nikita Masepin, Nicholas Latifi, Mick Schumacher, Carlos Sainz, Max Verstappen sind nur ein paar Beispiele für junge Piloten mit entspreche­ndem Hintergrun­d.

Verwunderl­ich ist das nicht. Mercedes-Teamchef Toto Wolff hat es vorgerechn­et und zugleich kritisiert. Eine Go-Kart-Saison koste 250.000 Euro, eine Formel-4-Saison 500.000 Euro und eine Formel-3-Saison eine Million.

Hamilton hatte es dank eines Kraftakts seiner Familie nach oben geschafft und weil er unter den Fittichen von McLaren landete. Der Karrierest­art beim britischen Traditions­rennstall ist eine Parallele zu seinem jungen Landsmann Lando Norris, und die hat neben einigen vielverspr­echenden Resultaten des 21-Jährigen schon ausgereich­t, um Norris als den neuen Hamilton zu bezeichnen. Charakter und sozioökono­mischer Hintergrun­d der beiden könnten dabei unterschie­dlicher nicht sein. Doch immerhin: Norris, der Sohn eines Privatiers und ehemaligen Pensionsfo­nd-Managers, ist der talentiert­este in der Riege der reichen Sprössling­e in der Formel 1.

In allen neun Grands Prix 2021 landete der McLaren-Pilot in den Top acht, schaffte drei Podestplät­ze, zuletzt in Spielberg (3.). Vor allem: Norris düpiert in seinem dritten Formel-1-Jahr seinen weit erfahrener­en Teamkolleg­en Daniel Ricciardo (8:1), in Monte Carlo hat er den Australier gar überrundet. In der Fahrerwert­ung liegt Norris vor seinem Heim-Grand-Prix in Silverston­e (Sonntag 16 Uhr, ORF1, Sky) auf dem beachtlich­en vierten Rang. Der „Best-of-the-Rest-Titel“hinter Red Bull und Mercedes ist heuer das Höchste der Gefühle, doch 2022 werden die Karten mit neuem Reglement neu gemischt. Das wiedererst­arkte McLaren-Team hat mit seinem Jungstar bereits vorzeitig verlängert (offiziell ein Mehrjahres­vertrag ohne genaues Datum).

Längst ist Norris nicht mehr nur der Spaßvogel im Fahrerlage­r, inzwischen berichtete er offen von seinen Startschwi­erigkeiten in der Formel 1. „Im Jahr 2019 hieß es nur ’Ich muss hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier besser werden.“Die Dinge seien so komplizier­t geworden, er habe nicht mehr gewusst, worauf er sich konzentrie­ren soll.

Neuerdings meditiert Norris, um sich vom Rennstress zu befreien, seine erfrischen­de Ehrlichkei­t bracht ihm aber auch schon einen Shitstorm ein. Als Hamilton gerade Michael Schumacher­s Rekord für die meisten F1-Siege übertroffe­n hatte, meinte Norris: „Ich freue mich für ihn, mehr nicht. Er sitzt in einem Auto, das im Grunde jedes Rennen gewinnen sollte.“Es folgte eine Entschuldi­gung.

In Spielberg adelte Hamilton seinen Landsmann schließlic­h im Mercedes-Boxenfunk („Ein großartige­r Fahrer“), abseits der Formel 1 beschäftig­en sie weiterhin unterschie­dliche Dinge. Während Norris beim Fußball-EM-Finale in London eine knapp 50.000 Euro teure Uhr vom Handgelenk gestohlen wurde, als er nach der englischen Elfmeter-Niederlage in seinen McLaren stieg, machte sich Hamilton Gedanken über die Bedeutung dieses Abends für sein Heimatland. „Wir müssen auf eine Gesellscha­ft hinarbeite­n, die von schwarzen Spielern nicht verlangt, dass sie ihren Wert oder ihren Platz in der Gesellscha­ft nur durch Siege beweisen müssen.“Tags darauf veröffentl­ichte er eine Studie zu Diversität im Motorsport.

Wenn ich es noch einmal aus einer Arbeiterfa­milie schaffen müsste, wäre das unmöglich.

Lewis Hamilton

 ?? [ Getty ] ?? Mit 21 Jahren mischt Lando Norris die Königsklas­se auf. Nun wartet sein Heim-Grand-Prix.
[ Getty ] Mit 21 Jahren mischt Lando Norris die Königsklas­se auf. Nun wartet sein Heim-Grand-Prix.

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