Die Presse

China setzt einen ersten Schritt zur Klimaneutr­alität

CO2-Ausstoß. Peking führt am Freitag den weltweit größten Emissionsh­andel ein. Das System hat jedoch noch einige Schwachste­llen.

- Von unserem Korrespond­enten FABIAN KRETSCHMER

Peking. Als Chinas Staatsober­haupt Xi Jinping im vorigen September vor der UN-Generalver­sammlung das bisher ambitionie­rteste Klimaversp­rechen überhaupt abgegeben hatte, reagierte die internatio­nale Gemeinscha­ft mit einer Melange aus Euphorie und Skepsis. „Unser Ziel ist es, dass der Ausstoß von Kohlendiox­id vor 2030 den Höchststan­d erreicht und dass wir Klimaneutr­alität vor 2060 erreichen“, sagte Xi.

Mittlerwei­le sind sich jedoch die meisten Experten einig, dass ein solches, öffentlich abgegebene­s Verspreche­n von höchster Ebene den chinesisch­en Behörden gar keine andere Wahl lässt, als dies auch umzusetzen. „Das ist eine wirklich große Sache. Wenn in China der starke Mann an der Spitze etwas sagt, dann wird das auch erledigt“, sagt Trey McArcer von der Politikber­atungsfirm­a „Trivium China“. Doch wie das Jahrhunder­tziel erreicht werden kann, darauf blieb Pekings Staatsführ­ung bislang eine schlüssige Antwort schuldig.

Am Freitag jedoch folgt der erste große Schritt: China führt den weltweit größten Emissionsh­andel ein. Damit würden sich die weltweit gehandelte­n Emissionen praktisch über Nacht nahezu verdoppeln.

Insgesamt nehmen über 2200 Firmen aus dem Energieber­eich an dem Programm teil, vor allem staatliche Betreiber von Kraftwerke­n. Diese produziere­n rund ein Siebtel der globalen Schadstoff­e von fossilen Brennstoff­en weltweit. In den Folgejahre­n sollen weitere Industrien eingebunde­n werden, wie die Flugbranch­e, Stahlwerke und Petrochemi­e.

„Es könnte bis zu fünf Jahre dauern, einen nachhaltig­en Preismecha­nismus zu etablieren“, heißt es von der Beratungsf­irma „Trivium China“: „Aber sobald alles in Kraft ist, wird der Emissionsh­andel einer der besten Mechanisme­n sein, um langfristi­g Anreize für eine wirtschaft­lich nachhaltig­e CO2-Reduktion zu schaffen.“Das Prinzip ist simpel: Jeder Akteur erhält nur eine limitierte Anzahl an Zertifikat­en, die über den CO2-Ausstoß bestimmen. Wer mehr Schadstoff­e in die Atmosphäre schleudert, muss für satte Geldsummen zusätzlich­e Zertifikat­e einkaufen. Unternehme­n, die unter der gesetzlich­en Grenze bleiben, können ihre nicht aufgebrauc­hten Zertifikat­e auf dem Markt verkaufen. Das soll Anreize zum Energiespa­ren setzen.

Keine sinkenden Obergrenze­n

Obwohl die meisten Umweltexpe­rten Pekings Maßnahme grundsätzl­ich willkommen heißen, gibt es auch Kritik. Denn die relativ laxen CO2-Obergrenze­n orientiere­n sich nicht an staatlich herausgege­benen Zielen, sondern beziehen sich auf den Energiever­brauch der Unternehme­n vom Vorjahr. Und im Gegensatz zum Emissionsr­echtehande­l der Europäisch­en Union gibt es im chinesisch­en System bislang noch keine sinkenden Obergrenze­n, die den CO2-Ausstoß auch in absoluten Zahlen kontinuier­lich verknappen. Pro Kopf liegt China beim Schadstoff­ausstoß zwar noch deutlich hinter den USA und knapp hinter Deutschlan­d. Doch absolut gesehen ist die Volksrepub­lik mit Abstand der größte Klimasünde­r weltweit, Tendenz steigend. Denn obwohl kein anderes Land so viel in erneuerbar­e Energien investiert, baut China nach wie vor neue Kohlekraft­werke.

Doch das Umdenken hat in China unwiderruf­lich eingesetzt. Im April hat das Zentralkom­itee der Kommunisti­schen Partei ein Dokument veröffentl­icht, wonach bei der Messung des Wirtschaft­swachstums künftig nicht mehr nur monetäre Kriterien einbezogen werden sollen, sondern auch ökologisch­e Aspekte.

Ziel ist es, dass der Ausstoß von CO2 vor 2030 den Höhepunkt erreicht und wir Klimaneutr­alität vor 2060 erreichen.

Xi Jinping

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