Asylwerber in Arbeit: Koalition uneins über neue Lage
Arbeit. Der Arbeitsminister will Asylwerber per Erlass weiter vom Arbeitsmarkt fernhalten. Die Grünen orten „klassische türkise Rhetorik“.
Wien. Wer sich in Österreich um Asyl bewirbt, soll nicht arbeiten dürfen, bis er einen positiven Bescheid erhält – auf diesem Standpunkt steht die ÖVP. Der grüne Koalitionspartner sowie mehrere Nichtregierungsorganisationen sehen das anders. Nun hat ein Urteil des Höchstgerichts die Debatte neu belebt: Der Verfassungsgerichtshof hat, wie berichtet, zwei ältere Erlässe für gesetzeswidrig erklärt. Demnach durften Asylwerber lediglich als Erntehelfer und Saisonkräfte beschäftigt werden. Nun sollen sie auch zu anderen Jobs grundsätzlich Zugang bekommen.
Sie dürfen damit unter bestimmten Bedingungen in allen Berufen arbeiten – und zwar dann, wenn eine Stelle nicht mit einer Arbeitskraft aus dem Inland oder aus der EU bzw. mit einem Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten besetzt werden kann. Der Regionalbeirat des Arbeitsmarktservice (AMS) muss jeden einzelnen Fall prüfen. Laut Arbeitsminister Martin Kocher soll der Zugang für Asylwerber aber wie gehabt restriktiv bleiben. Kocher hat einen entsprechenden neuen Erlass an das AMS übermittelt. Ziel sei es, „die bisherige strenge Praxis im Vollzug beizubehalten“. Asylwerber könnten in Österreich nicht generell Arbeit suchen. „Sie werden nicht vom AMS vermittelt und dürfen auch nicht von privaten Anbietern vermittelt werden“, heißt es in einer Stellungnahme. Es seien alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die offene Stelle mit verfügbaren Inländern oder in den Arbeitsmarkt integrierten Ausländern zu besetzen.
33.217 Flüchtlinge ohne Job
Konkret ist laut dem neuen Erlass bei jedem Bewilligungsantrag für einen Asylwerber ein Ersatzkraftstellungsverfahren einzuleiten. Dabei sind geeignete Arbeitskräfte, insbesondere aus dem Potenzial der Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, auszuwählen und dem Arbeitgeber als Ersatzarbeitskräfte zuzuweisen. Nur wenn das nicht möglich ist, können Asylwerber zum Zug kommen. Beim AMS geht man davon aus, dass sich durch den neuen Erlass wenig ändert. Üblicherweise könne man Ersatzkräfte stellen. „Lediglich Lehrstellen im Gastrobereich und Baunebengewerbe sind leichter mit Asylwerbern zu besetzen.“
Die Grünen sehen die Reaktion des Koalitionspartners indes als „klassische türkise Rhetorik“. Der Zugang für Asylwerber zum Arbeitsmarkt sei nach dem VfGH-Urteil da. Den neuen Erlass hätte es „schlichtweg nicht gebraucht“, sagt Sozialsprecher Markus Koza. Die strenge Arbeitsmarktprüfung sei längst rechtlicher Normalzustand und gängige Praxis. Virulent ist das Thema, weil die Wirtschaft brummt und es so viele offene Stellen gibt wie noch nie. Gleichzeitig sind rund 350.000 Menschen arbeitslos oder in einer AMS-Schulung.
Derzeit laufen rund 19.000 Asylverfahren in Österreich. Wem Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, der hat freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Beim AMS waren im Juni 33.217 anerkannte Flüchtlinge und Schutzberechtigte registriert, fünf Prozent weniger als vor einem Jahr. Im Juni 2016 waren es 25.109. Die meisten kommen aktuell mit rund 14.000 aus Syrien.
Österreich ist beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber im internationalen Vergleich restriktiv. Die Industrieländerorganisation OECD empfiehlt, Asylwerber arbeiten zu lassen, wenn klar ist, dass jemand mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben darf. Vor allem aus der Wirtschaft gab es immer wieder Stimmen, die darauf drängten, den Zugang für Asylwerber zum Arbeitsmarkt zu lockern.
Die alten Erlässe wurden vom VfGH gekippt, weil sie die Beschäftigung von Asylwerbern stärker einschränken, als es gesetzlich vorgegeben ist. Erlässe dürfen jedoch die Rechtslage nur auslegen, nicht neu gestalten. Rechtsgestaltende Regelungen müssten als Verordnung kundgemacht werden, monierte der VfGH (V 95-96/2021-12). Wobei aber auch das voraussetzt, dass es im Gesetz eine Verordnungsermächtigung gibt.