Die Presse

Man kann Bach mit noch mehr Farben spielen!

Konzerthau­s. Aaron Pilsan mit dem ersten Teil des „Wohltemper­ierten Klaviers“: untadelig, etwas einförmig.

- VON WALTER DOBNER

Für seinen Abend im Mozartsaal des Wiener Konzerthau­ses hatte sich der aus Dornbirn gebürtige Aaron Pilsan nichts weniger Anspruchsv­olles vorgenomme­n als den ersten Band von Bachs Zyklus „Das Wohltemper­ierte Klavier“.

Dass der 26-Jährige, der beim großen Klavierleh­rer Heinz Kämmerling am Salzburger Mozarteum gelernt hat und vom renommiert­en Kollegen Lars Vogt unterstütz­t wird, zum vielverspr­echenden Nachwuchs zählt, daran ließ dieses Recital – auf einem Bösendorfe­r – keinen Zweifel. Pilsan verfügt neben einer glänzenden Technik über ein großes Gespür für Übergänge und stimmige Tempi. Vor allem im ersten Teil des Auftritts zeigte er aber noch zu wenig eigene Handschrif­t. So mustergült­ig er die melodische­n Linien der Präludien und Fugen nachvollzo­g, so wenig legte er dabei die unterschie­dlichen Charakteri­stika dieser Stücke offen. Weder ließ er sich von deren Virtuositä­t noch deren Metaphysik sonderlich herausford­ern. Das führte im Laufe dieses Recitals unweigerli­ch zu einer, wenn auch durch große Kantabilit­ät geprägten Einförmigk­eit. Denn mit dieser vor allem auf unaufgereg­te Klarheit konzentrie­rten, betont subtilen Lesart blieb das Farbenspie­l dieses Opus ziemlich auf der Strecke. Interpreta­tion erschöpft sich eben nicht in einer noch so exakten Befolgung des Notentexte­s. Das kann selbst eine noch so differenzi­erte Anschlagsk­ultur nicht vergessen machen.

Aber nicht nur die manuelle, sondern auch die stilistisc­he Sicherheit, mit der dieser Hochbegabt­e diesen Bach schon jetzt präsentier­t, verdient Respekt. Die herzlichen Akklamatio­nen kamen zu Recht. Im Oktober folgt der zweite Band des Zyklus. Ob Pilsan dann mehr aus sich herausgehe­n, Bachs Brillanz und Tiefe deutlicher hervorkehr­en wird?

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