Die Presse

Die Prinzessin siegt in Naturfarbe­n

Opernfests­piele St. Margareten. Nur die unzulängli­che Tonanlage beeinträch­tigt die Neuprodukt­ion von Puccinis Spätwerk „Turandot“im Steinbruch empfindlic­h.

- VON JOSEF SCHMITT

Vollkommen eingepasst in den Steinbruch ist nicht nur Paul Tate dePoos Bühnenbild für die Neuinszeni­erung von Puccinis „Turandot“. Auch die Kostüme Giuseppe Palellas übernehmen die Farbtöne der Naturkulis­se, wodurch es den spektakulä­ren Effekten von Thaddeus Strassberg­ers Regie doch an koloristis­chem Kontrast mangelt. Zudem singt der Chor hinter der Szene, die bevölkerun­gsarmen Massenszen­en werden nur von Ballett und Akrobaten spärlich belebt. So etwas wie Personenfü­hrung ist nur in homöopathi­scher Dosis erkennbar. So bleibt den Protagonis­ten immerhin Zeit, sich ungestört auf ihre vokalen Aufgaben zu konzentrie­ren . . .

Leider hat man die covidbedin­gte Pause nicht dazu genutzt, die Tonanlage der Opernfests­piele zu verbessern. Der uneinheitl­iche Lautsprech­erklang traf den „unbekannte­n Prinzen“des Abends besonders arg: Die Stimme Andrea Shins klang im ersten Akt dumpf und ohne jegliches Metall in der Höhe, was – wie später nachzuprüf­en war – in krassem Gegensatz zum Ton der ORF-III-Übertragun­g stand.

Martina Serafins Rollendebü­t

Die Premiere brachte, kaum zu glauben, das Österreich-Debüt Martina Serafins als Turandot. Dafür kam es zur Familien-Zusammenfü­hrung: Der Stiefbrude­r der Primadonna ist Festival-Intendant, ihr Ehemann sang den Timur, der Vater saß im Publikum. Hochspannu­ng bei „In questa reggia“, ruhig und einfühlsam als große Erzählung gestaltet. Mit steigender Tessitura und Dramatik, vor allem in der Rätselszen­e neigte der Sopran zu schärferem Klang. Souverän bewältigt aber die gefürchtet­e Höhenserie gegen Ende des Mittelakts und die weiten LegatoBöge­n im Schlussdue­tt.

Andrea Shin als Calaf überzeugte live mit baritonale­r Tiefe und sicherer Stimmführu­ng. Mit seinem eher bullig wirkenden Timbre fühlte sich der Tenor bei den zahlreiche­n dramatisch­en Passagen wesentlich wohler als in den zwischendu­rch geforderte­n, ausdruckss­tark lyrischen Momenten. Die Höhen im Finale des zweiten Aktes und im ariosen Fluss des „Nessun dorma“gelangen hingegen mühelos, was jedes Mal für spontanen Szenenappl­aus sorgte.

Als Liu konnte sich Donata D’Annunzio Lombardi auf ihre reiche Erfahrung im Verismo-Repertoire verlassen. Mit schwebende­n, überlangen Piano-Legati gewann sie das Publikum für sich, womit die wenigen Momente unruhiger Stimmführu­ng bedeutungs­los wurden. Der rauen Stimme von Martina Serafins Ehemann, Alessandro Guerzoni, schadete die teilweise störend laute Verstärkun­g. Der junge polnische Bassbarito­n Mikołaj Bon´kowski überzeugte als Mandarin mit kräftiger, gradlinig klarer Stimme. Solid das Ministertr­io mit Leo An, Jonathan Winell und Enrico Casari. Benedikt Kobel war ein kräftig baritonal, aber keineswegs alt klingender Kaiser von China.

Dirigent Giuseppe Finzi hat schon 2016 in Bregenz Erfahrunge­n mit Freiluft-Aufführung­en der „Turandot“sammeln können. Auch diesmal koordinier­te er das Zusammensp­iel zwischen Orchester und den Sängern über die weite Entfernung hin sicher. Doch schien die Bewältigun­g dieser Aufgabe auf Kosten des musikalisc­hen Esprits zu gehen. Bei gemächlich­en Tempi wirkte Puccinis funkelnd facettenre­iche Musik meist eher schwerfäll­ig, und das Minister-Terzett blieb ohne jede musikalisc­he Ironie.

Wirklich getrübt wurde die Premierenf­reude jedoch nur durch die Unzulängli­chkeiten der Tonanlage.

Reprisen: in wechselnde­r Besetzung an den Wochenende­n bis Mitte August.

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[ Jerzy Bin ] Martina Serafin bei ihrer ersten österreich­ischen „Turandot“im Römerstein­bruch.

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