Delta zwingt zu Restriktionen
Gesundheitsminister Mückstein warnt vor steigenden Infektionszahlen und verhandelt mit der Tourismusministerin über neue Maßnahmen.
Nur wenige Tage ist es her, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz die Restriktionen zur Bekämpfung der Coronapandemie praktisch für beendet erklärt hat. Die Impfung sei ein Game Changer, der Schutz vor der Krankheit liege damit in der Eigenverantwortung des Einzelnen und Corona sei ein individuelles medizinisches Problem, Einschränkungen für alle seien nicht mehr zu rechtfertigen.
Nach stark steigenden Infektionszahlen prescht nun Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein vor: Die Entwicklung sei für ihn „Anlass zu Sorge und Vorsicht“, man müsse „rasch gegensteuern“und diskutieren, welche Maßnahmen zu setzen sind.
Die Zahlen
380 Infektionen wurden von Mittwoch auf Donnerstag gemeldet, vor einer Woche waren es noch unter 100. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist von sieben auf 17 gestiegen, was zwar immer noch wenig ist, doch entscheidend ist der Trend: Das Gesundheitsministerium rechnet mit einer Verdoppelung der Zahlen in der kommenden Woche. Das sei ein „besorgniserregendes Szenario“, heißt es in einer Einschätzung aus dem Ressort. Ursache seien die Lockerungen sowie die Ausbreitung der Delta-Variante, die bereits 90 Prozent aller Fälle ausmacht.
Klar ist auch, wer sich ansteckt: Die meisten Infektionen werden bei den Jungen festgestellt. 40 Prozent aller Fälle traten bei den 15- bis 24-Jährigen auf (siehe Grafik). Bei den über 65-Jährigen gibt es dagegen kaum noch Infektionen. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass die Impfung wirkt: In dieser Altersgruppe haben schon mehr als 80 Prozent zumindest die erste Impfung. Bei den 15- bis 24-Jährigen dagegen liegt der Anteil bei rund 44 Prozent.
Die Auswirkungen
Laut Gesundheitsressort ist mit gravierenden Auswirkungen zu rechnen: Das Contact Tracing werde erschwert, Impfdurchbrüche (also Erkrankungen trotz Impfung) würden steigen. Und es sei mit gravierenden Auswirkungen auf den Tourismus und auf den Schulbetrieb im Herbst zu rechnen.
Die Vorschläge
Das Ministerium schlägt ein Abgehen von der 3-G-Regel in der Nachtgastronomie vor: Diese soll nur noch von Geimpften genutzt werden können – offensichtlich ein Anreiz für vermehrte Impfungen der jüngeren Bevölkerung. Den Grünen Pass soll nur noch erhalten, wer voll immunisiert ist, also mit Ausnahme von Johnson & Johnson zweifach geimpft ist. Verzichten will das MücksteinMinisterium auf die von der Regierung eigentlich geplante Aufhebung der Registrierungspflicht. Bei Einreisen aus Risikoländern soll es ein PCR-Test-Erfordernis geben, wobei die Liste dieser Staaten erweitert werden soll. Dazu bräuchte es verstärkte Kontrollen an den Grenzen, aber auch in der Gastronomie. Bei Antigentests wird geprüft, ob man deren Gültigkeit von 48 auf 24 Stunden reduzieren soll. Sollten all diese Maßnahmen nicht greifen, würde man weitergehende Schritte ins Auge fassen. Dazu zählen die Wiedereinführung der Abstandsregeln, mehr Maskenpflicht und zusätzliche Zugangsbeschränkungen.
Die Verhandlungen
Ganz einig dürfte man sich in der Regierung dazu nicht gewesen sein. In einer ersten Verhandlungsrunde auf Beamtenebene konnte man sich am Donnerstag nur darauf verständigen, dass es Maßnahmen geben soll, nicht aber, wie diese aussehen werden. Dazu gibt es jetzt weitere Gespräche zwischen dem Gesundheits- und dem Tourismusministerium.
Offen seinen Unmut geäußert hatte der Tiroler Landeshauptmann,p Günther Platter, der vor einer „Überre aktion“warnte. Platter ist als aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ebenfalls in die Verhandlungen eingebunden. Aus dem Bundeskanzleramt heißt es, mit dem Anstieg der
Zahlen sei zu rechnen gewesen, jetzt gelte es, für zwei Problemfelder, nämlich die Nachtgastronomie und die Reiserückkehrer, Lösungen zu finden. Primäres Ziel müsse dabei sein, junge Leute zur Impfung zu bringen. Allerdings sieht man im Kanzleramt die Lage offensichtlich weniger dramatisch als im Gesundheitsressort: Internationale Beispiele würden zeigen, dass zwar die Infektionszahlen ansteigen, nicht aber die Belegung der Spitals- und Intensivbetten.
Die Kritik
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisierte, dass Kanzler Sebastian Kurz die Pandemie quasi für beendet erklärt habe. Dies sei ein falsches Signal. Es brauche jetzt keine Träumereien oder Schönfärbereien, sondern Vernunft und Vorsicht. Die Impfung müsse nun nahe zu den Menschen kom
men, zum Beispiel bei großen Supermärkten und Veranstaltungen – „einfach und ohne Anmeldung“. Zudem müsse die Aktion aus der Bundeshauptstadt, „Wien gurgelt“, auf „Österreich gurgelt“ausgeweitet werden. Und die Masken müssten überall dort bleiben, wo kein 3-G gelte.
Konträr dazu die Stellungnahme der FPÖ: Parteichef Herbert Kickl sieht die Regierung als „Panik-Orchester“: „Eine Woche vor dem ggeplantenp Inkrafttreten ohnehin zaghafter Öffnungsschritte treten heute die schwarz-grünen Corona-Fanatiker wieder auf den Plan, um neue Schikanen zu beschließen.“Auch die Neos werfen der Regierung Planlosigkeit und einen „gefährlichen Hü-Hott-Kurs“vor.