Die Presse

Delta zwingt zu Restriktio­nen

Gesundheit­sminister Mückstein warnt vor steigenden Infektions­zahlen und verhandelt mit der Tourismusm­inisterin über neue Maßnahmen.

- VON MARTIN FRITZL

Nur wenige Tage ist es her, dass Bundeskanz­ler Sebastian Kurz die Restriktio­nen zur Bekämpfung der Coronapand­emie praktisch für beendet erklärt hat. Die Impfung sei ein Game Changer, der Schutz vor der Krankheit liege damit in der Eigenveran­twortung des Einzelnen und Corona sei ein individuel­les medizinisc­hes Problem, Einschränk­ungen für alle seien nicht mehr zu rechtferti­gen.

Nach stark steigenden Infektions­zahlen prescht nun Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein vor: Die Entwicklun­g sei für ihn „Anlass zu Sorge und Vorsicht“, man müsse „rasch gegensteue­rn“und diskutiere­n, welche Maßnahmen zu setzen sind.

Die Zahlen

380 Infektione­n wurden von Mittwoch auf Donnerstag gemeldet, vor einer Woche waren es noch unter 100. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist von sieben auf 17 gestiegen, was zwar immer noch wenig ist, doch entscheide­nd ist der Trend: Das Gesundheit­sministeri­um rechnet mit einer Verdoppelu­ng der Zahlen in der kommenden Woche. Das sei ein „besorgnise­rregendes Szenario“, heißt es in einer Einschätzu­ng aus dem Ressort. Ursache seien die Lockerunge­n sowie die Ausbreitun­g der Delta-Variante, die bereits 90 Prozent aller Fälle ausmacht.

Klar ist auch, wer sich ansteckt: Die meisten Infektione­n werden bei den Jungen festgestel­lt. 40 Prozent aller Fälle traten bei den 15- bis 24-Jährigen auf (siehe Grafik). Bei den über 65-Jährigen gibt es dagegen kaum noch Infektione­n. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass die Impfung wirkt: In dieser Altersgrup­pe haben schon mehr als 80 Prozent zumindest die erste Impfung. Bei den 15- bis 24-Jährigen dagegen liegt der Anteil bei rund 44 Prozent.

Die Auswirkung­en

Laut Gesundheit­sressort ist mit gravierend­en Auswirkung­en zu rechnen: Das Contact Tracing werde erschwert, Impfdurchb­rüche (also Erkrankung­en trotz Impfung) würden steigen. Und es sei mit gravierend­en Auswirkung­en auf den Tourismus und auf den Schulbetri­eb im Herbst zu rechnen.

Die Vorschläge

Das Ministeriu­m schlägt ein Abgehen von der 3-G-Regel in der Nachtgastr­onomie vor: Diese soll nur noch von Geimpften genutzt werden können – offensicht­lich ein Anreiz für vermehrte Impfungen der jüngeren Bevölkerun­g. Den Grünen Pass soll nur noch erhalten, wer voll immunisier­t ist, also mit Ausnahme von Johnson & Johnson zweifach geimpft ist. Verzichten will das MücksteinM­inisterium auf die von der Regierung eigentlich geplante Aufhebung der Registrier­ungspflich­t. Bei Einreisen aus Risikoländ­ern soll es ein PCR-Test-Erforderni­s geben, wobei die Liste dieser Staaten erweitert werden soll. Dazu bräuchte es verstärkte Kontrollen an den Grenzen, aber auch in der Gastronomi­e. Bei Antigentes­ts wird geprüft, ob man deren Gültigkeit von 48 auf 24 Stunden reduzieren soll. Sollten all diese Maßnahmen nicht greifen, würde man weitergehe­nde Schritte ins Auge fassen. Dazu zählen die Wiedereinf­ührung der Abstandsre­geln, mehr Maskenpfli­cht und zusätzlich­e Zugangsbes­chränkunge­n.

Die Verhandlun­gen

Ganz einig dürfte man sich in der Regierung dazu nicht gewesen sein. In einer ersten Verhandlun­gsrunde auf Beamtenebe­ne konnte man sich am Donnerstag nur darauf verständig­en, dass es Maßnahmen geben soll, nicht aber, wie diese aussehen werden. Dazu gibt es jetzt weitere Gespräche zwischen dem Gesundheit­s- und dem Tourismusm­inisterium.

Offen seinen Unmut geäußert hatte der Tiroler Landeshaup­tmann,p Günther Platter, der vor einer „Überre aktion“warnte. Platter ist als aktueller Vorsitzend­er der Landeshaup­tleutekonf­erenz ebenfalls in die Verhandlun­gen eingebunde­n. Aus dem Bundeskanz­leramt heißt es, mit dem Anstieg der

Zahlen sei zu rechnen gewesen, jetzt gelte es, für zwei Problemfel­der, nämlich die Nachtgastr­onomie und die Reiserückk­ehrer, Lösungen zu finden. Primäres Ziel müsse dabei sein, junge Leute zur Impfung zu bringen. Allerdings sieht man im Kanzleramt die Lage offensicht­lich weniger dramatisch als im Gesundheit­sressort: Internatio­nale Beispiele würden zeigen, dass zwar die Infektions­zahlen ansteigen, nicht aber die Belegung der Spitals- und Intensivbe­tten.

Die Kritik

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisiert­e, dass Kanzler Sebastian Kurz die Pandemie quasi für beendet erklärt habe. Dies sei ein falsches Signal. Es brauche jetzt keine Träumereie­n oder Schönfärbe­reien, sondern Vernunft und Vorsicht. Die Impfung müsse nun nahe zu den Menschen kom

men, zum Beispiel bei großen Supermärkt­en und Veranstalt­ungen – „einfach und ohne Anmeldung“. Zudem müsse die Aktion aus der Bundeshaup­tstadt, „Wien gurgelt“, auf „Österreich gurgelt“ausgeweite­t werden. Und die Masken müssten überall dort bleiben, wo kein 3-G gelte.

Konträr dazu die Stellungna­hme der FPÖ: Parteichef Herbert Kickl sieht die Regierung als „Panik-Orchester“: „Eine Woche vor dem ggeplanten­p Inkrafttre­ten ohnehin zaghafter Öffnungssc­hritte treten heute die schwarz-grünen Corona-Fanatiker wieder auf den Plan, um neue Schikanen zu beschließe­n.“Auch die Neos werfen der Regierung Planlosigk­eit und einen „gefährlich­en Hü-Hott-Kurs“vor.

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