Impfnachzügler Wenn die Spritze per
Südosteuropa. Die Region fällt wegen sinkender Infektionen und hoher Impfskepsis bei der Impfquote immer mehr zurück. Das Ziel weitgehender Immunisierung vor der nächsten Covid-Welle wird wohl großteils verfehlt.
Belgrad. Erst plagte den EU-Impfnachzügler Bulgarien der Mangel an Impfstoff – und nun der Überfluss. Das Haltbarkeitsdatum ungenutzter Impfstoffdosen drohe bald abzulaufen, warnt düster Krassimir Gigow von Bulgariens nationalem Impfrat: „Das ist schlicht unannehmbar.“
Europaweit haben rückläufige Infektionszahlen und die Sommerferien das Impftempo stark gedrosselt. Immer weiter hinkt dabei vor allem der impfskeptische Südosten dem EU-Mittel hinterher: Das Ziel der weitgehenden Immunisierung ihrer Bevölkerung bis zur nächsten, spätestens im Herbst erwarteten Infektionswelle rückt für immer mehr Länder der Balkanregion in unerreichbare Ferne.
Laut „Our World in Data“sind in Bulgarien gar erst 14,52 Prozent der Gesamtbevölkerung zumindest einmal geimpft – genau 40 Prozentpunkte weniger als das EU-Mittel von 54,2 Prozent. Niedrig sind die Impfquoten auch in den EU-Ländern Rumänien (24,8 Prozent) und Kroatien (38 Prozent). Im EU-Wartesaal auf dem Westbalkan sieht es nicht besser aus. Im Kosovo sowie in Bosnien und Herzegowina ist nicht einmal jeder zehnte, in Albanien und Nordmazedonien jeder fünfte und in Montenegro nur jeder vierte Bewohner zumindest einmal geimpft.
Nach dem Sprint ging die Luft aus
Dank chinesischer und russischer Impfstoffbruderhilfe konnte sich immerhin Serbien zu Jahresbeginn zwar wochenlang als Impfvorreiter wähnen, ja lag sogar im europäischen Vergleich gut da. Aber inzwischen ist das Interesse spürbar erlahmt. Nach dem ersten Sprint liegt auch Serbiens Impfquote (40,75 Prozent) klar unter EU-Durchschnitt.
Nicht nur die vermeintliche CoronaAtempause und die Sommerferien sind für die erlahmte Nachfrage verantwortlich. Der Anteil der schlechter erreichbaren Landbevölkerung ist in den Balkanstaaten ebenso groß wie die Anfälligkeit für die durch die sozialen Medien geisternden Verschwörungstheorien. Impfmuffel fühlen sich durch die Debatten um die Sicherheit des
AstraZeneca-Serums genauso bestärkt wie durch die vor allem von Politikern forcierten Impfkampagnen.
„Ich mache grundsätzlich das Gegenteil von dem, was unser Präsident sagt“, begründet im Zentrum von Belgrad ein T-ShirtHändler seinen Impfunwillen mit der Ablehnung von Serbiens autoritär gestricktem Staatschef, Aleksandar Vuciˇc.´
Mit Zuckerbrot und Peitsche versuchen die Balkanregenten, ihre unwilligen Landsleute zu Impfungen zu bewegen. Eher erfolglos hat Serbien versucht, mit Prämien und Einkaufsgutscheinen die geringe Impfbereitschaft zu erhöhen. In Kroatien soll die Höhe staatlicher Corona-Beihilfen künftig vom Impfgrad der Belegschaft der betroffenen Betriebe abhängen – und es wird die Einführung einer Impfpflicht zumindest für Beschäftigte des Gesundheits- und Schulwesens angedacht.
Jeder Ungeimpfte, der sich infiziere und sterbe, habe dies dem „eigenen Zögern“zu verdanken, ärgert sich Kroatiens Premier, Andrej Plenkovic:´ „Es gibt keinen rationalen Grund, sich nicht impfen zu lassen.“