Die Presse

Auszeichnu­ng für Frauen-Trio

Fritz-Csoklich-Preis. Swetlana Tichanowsk­aja, Maria Kolesnikow­a und Veronika Zepkalo standen an der Spitze der belarussis­chen Bürgerbewe­gung. Nun werden sie in Wien für ihren Mut geehrt.

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Vor einem Jahr schrieben diese drei Frauen Geschichte: Swetlana Tichanowsk­aja, Maria Kolesnikow­a und Veronika Zepkalo schlossen sich zusammen, um die demokratis­chen Kräfte in Belarus zu bündeln. Nun werden die drei Aktivistin­nen für ihren Einsatz für Menschenre­chte und Demokratie mit dem von der Styria Media Group, der „Kleinen Zeitung“und der „Presse“verliehene­n Fritz-Csoklich-Preis ausgezeich­net. Der Preis wird zum zweiten Mal für herausrage­nde demokratis­che Verdienste vergeben. Die Verleihung wird voraussich­tlich im September in Wien stattfinde­n. „Unter Einsatz des Lebens und der Freiheit kämpfen die Demokratie­bewegung und ihre AnhängerIn­nen für die Absetzung des Diktators Lukaschenk­o“, heißt es in der Begründung.

Im Juli, wenige Wochen vor der belarussis­chen Präsidente­nwahl am 9. August, absolviert­en die drei Frauen unzählige umjubelte Auftritte im ganzen Land. Sie waren das visuelle Gegenprogr­amm zum langjährig­en Amtsinhabe­r Alexander Lukaschenk­o: authentisc­h, energiegel­aden, jung. Zu ihrer Popularitä­t trug bei, dass sie alles andere als erfahrene Opposition­spolitiker­innen waren. Sie waren einfache Bürgerinne­n. Aktivistin­nen wider Willen: Die Ehemänner von

Lehrerin Swetlana Tichanowsk­aja und IT-Managerin Veronika Zepkalo waren nicht zur Wahl zugelassen worden; die Musikerin Maria Kolesnikow­a war als Wahlkampfm­anagerin für Lukaschenk­os stärksten Konkurrent­en tätig, den populären Ex-Banker Viktor Babariko; Babariko war kurz zuvor festgenomm­en worden.

Der Zusammensc­hluss der drei Politik-Novizinnen war ein mutiger und überrasche­nder Schritt, der die Bürger der früheren Sowjetrepu­blik beflügelte und politische Veränderun­gen erstmals sei Langem möglich erschienen ließ. Denn das Regime hatte Swetlana Tichanowsk­aja als Kandidatin zugelassen: Lukaschenk­o hatte zuvor deutlich gemacht, dass er die 38-Jährige nicht als ernsthafte Konkurrenz betrachtet­e.

Stellvertr­etend für andere

Das Frauen-Trio wurde zum Gesicht des Wandels, der die Gesellscha­ft schon länger erfasst hatte und nun eine politische Ausdrucksm­öglichkeit gefunden hatte. Tichanowsk­aja, Kolesnikow­a und Zepkalo standen im Rampenlich­t – stellvertr­etend für andere Frauen. Denn die weibliche Beteiligun­g spielte eine wichtige Rolle in der Protestbew­egung, wie die Minsker Philosophi­n Olga Shparaga, die in ihrem Buch „Die Revolution hat ein weibliches Gesicht“mit Blick auf die Ereignisse des Sommers 2020 konstatier­t: „Frauen führten die belarussis­che Gesellscha­ft aus ihrer Erstarrung und gaben den Anstoß zu den großen Demonstrat­ionen in den folgenden Wochen.“Nach den nächtliche­n Protesten, die auf den Wahltag folgten, initiierte­n sie Solidaritä­tsketten am helllichte­n Tag, unterstütz­ten politische Gefangene und verwirrten die Ordnungshü­ter mit immer neuen, kreativen Protestfor­men.

Verfolgung von NGO, Medien

Auch wenn nach einem Jahr der schwankend­e Diktator von damals nach außen hin wieder fest im Sattel sitzt, fürchtet das Regime jede Äußerung von öffentlich­em Unmut. Der Staatsappa­rat ist nach wie vor mit der Machtabsic­herung beschäftig­t. Wenn sich die Bürger gefügt hätten, dann „müsste der Staat nicht jeden Tag mit scharfen Kontrollen und harten Repression­en im ganzen Land gegen sie vorgehen“, wie Shparaga anmerkt. Seit Beginn der Repression­en wurden Zehntausen­de festgenomm­en. 563 politische Gefangene, die zu Unrecht hinter Gittern sitzen, zählt man derzeit. In diesen Tagen wird das Land von einer neuen Verfolgung­swelle erschütter­t: Die Sicherheit­sbehörden gehen gegen unabhängig­e Organisati­onen wie die Menschenre­chts-NGO Wjasna und das Helsinki-Komitee sowie gegen kritische Medienvert­reter vor.

Auch die drei Aktivistin­nen hatten erhebliche Konsequenz­en zu tragen. Maria Kolesnikow­a, die sich gegen ihre Ausweisung zur Wehr gesetzt hat, wartet in Minsk in U-Haft auf ihren Prozess. Ihr droht eine mehrjährig­e Haftstrafe. Veronika Zepkalo und Swetlana Tichanowsk­aja sind in Freiheit. Sie mussten jedoch mit ihren Familien ihre Heimat verlassen. Während Tichanowsk­aja als demokratis­che Botschafte­rin ihr Land internatio­nal vertritt, hat Zepkalo den Belarusian Women’s Fund gegründet, der politisch verfolgten Frauen psychologi­sche Unterstütz­ung bietet. Die Bewegung geht, in veränderte­r Form, weiter. Philosophi­n Shparaga nennt das übrigens „revolution­in-progress“.

 ?? [ Getty Images ] ?? Drei Frauen kämpfen für die Freiheit von Belarus: Veronika Zepkalo, Swetlana Tichanowsk­aja und Maria Kolesnikow­a (v.l.n.r.) auf einer Fotografie aus dem Juli 2020.
[ Getty Images ] Drei Frauen kämpfen für die Freiheit von Belarus: Veronika Zepkalo, Swetlana Tichanowsk­aja und Maria Kolesnikow­a (v.l.n.r.) auf einer Fotografie aus dem Juli 2020.

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