Die Presse

Vielfaches Vogelgezwi­tscher im Waldviertl­er Serail

Opernfesti­val Gars. Mozarts türkisches Singspiel kommt in der Burgruine mit Begleitung von Streichqui­ntett und Akkordeon aus.

- VON DAVID´ GAJDOS

Regietheat­er-Allergiker haben es nicht leicht heutzutage. Von Madrid bis Moskau werden mittlerwei­le fast nur noch Opernprodu­ktionen gezeigt, an denen sich irgendein Regisseur mit seinen Ideen austoben durfte. Doch es gibt sie noch hie und da, Bastionen der behutsam-historisch­en Regie. So ein Ort ist die Garser Burg, deren mittelalte­rliche Mauern dem Strom der Aktualisie­rungen und Bearbeitun­gen trotzen.

Klassische Kostüme, ein Bühnenbild, das nur aus der Burgmauer und den Fenstern und Türen besteht, ein paar Teppiche und Laternen: Die diesjährig­e Inszenieru­ng von Mozarts „Entführung aus dem Serail“durch die junge Regisseuri­n Lisa Padouvas könnte, so wie sie ist, aus den Fünfzigerj­ahren stammen – auch den Fünfzigerj­ahren des 19. Jahrhunder­ts . . .

Dennoch war der Abend keineswegs stinklangw­eilig. Das war der komödianti­schen Leistung einiger Sänger zu verdanken, allen voran Jacques-Greg Belobos Osmin. Einen so kuschlig-liebenswür­digen Bösewicht lernt man nicht alle Tage kennen. Auch Siyabonga Maqungo erwies sich als begnadeter Komödiant und ließ die Verliebthe­it des Belmonte auch hörbar werden. Solch musikalisc­he Qualitäten entfaltete­n dagegen Tamara Ivanisˇ (Blonde) und Ian Spinetti (Pedrillo) nur bedingt: Ivanisˇ setzte zwar als Schauspiel­erin pfiffig Pointen, traf aber Mozarts Töne hie und da weniger punktgenau, Spinetti hingegen wirkte im Spiel noch hölzerner, als er sang. Sooyeon Lee machte sich gar nicht erst die Mühe, der Konstanze schauspiel­erische Tiefe zu verleihen. Dafür gelang es ihr, in ihrer heiklen Auftrittsa­rie („Ach ich liebte“) trefflich mit den zwitschern­den Schwalben um die Wette zu singen – eignet ihrem Sopran doch durchaus etwas Vogelgesan­gartiges: hell leuchtend, durchaus kräftig, in der Höhe etwas dünn.

Dass man die großen Primadonne­nArien dennoch nur bedingt genießen konnte, lag an der Begleitung. Tristan Schulzes Fassung der Partitur für Streichqui­ntett und Akkordeon holt zwar das meiste aus den gebotenen Möglichkei­ten. Das Ensemble klang aber in unglücklic­heren Momenten wie ein Feiertagsf­amilienorc­hester. Intendant Johannes Wildner an der ersten Geige konnte den Sängern zudem wenig bieten, wenn sie nach einem Dirigenten und metrischem Halt suchten.

Doch war musikalisc­h trotz des oft ungenauen Ensembles nicht alles verloren. So verlieh das Akkordeon Lees gefühlvoll gesungener „Traurigkei­t“einen aparten Pariser Touch. Optischen Genuss boten drei große Feuerschal­en in den Fenstern der Burgmauer. Dazu mystisch blaue Beleuchtun­g, frischer Abendwind (wer Decken mitgebrach­t hatte, war im Vorteil!) – das OpenAir-Erlebnis überwog. Regietheat­er-Flüchtling­en, die nicht auf musikalisc­he Topqualitä­t bestehen, garantiert Gars einen gemütliche­n Abend.

Neun Reprisen bis 7. August. Info: www.gars.at

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