Vielfaches Vogelgezwitscher im Waldviertler Serail
Opernfestival Gars. Mozarts türkisches Singspiel kommt in der Burgruine mit Begleitung von Streichquintett und Akkordeon aus.
Regietheater-Allergiker haben es nicht leicht heutzutage. Von Madrid bis Moskau werden mittlerweile fast nur noch Opernproduktionen gezeigt, an denen sich irgendein Regisseur mit seinen Ideen austoben durfte. Doch es gibt sie noch hie und da, Bastionen der behutsam-historischen Regie. So ein Ort ist die Garser Burg, deren mittelalterliche Mauern dem Strom der Aktualisierungen und Bearbeitungen trotzen.
Klassische Kostüme, ein Bühnenbild, das nur aus der Burgmauer und den Fenstern und Türen besteht, ein paar Teppiche und Laternen: Die diesjährige Inszenierung von Mozarts „Entführung aus dem Serail“durch die junge Regisseurin Lisa Padouvas könnte, so wie sie ist, aus den Fünfzigerjahren stammen – auch den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts . . .
Dennoch war der Abend keineswegs stinklangweilig. Das war der komödiantischen Leistung einiger Sänger zu verdanken, allen voran Jacques-Greg Belobos Osmin. Einen so kuschlig-liebenswürdigen Bösewicht lernt man nicht alle Tage kennen. Auch Siyabonga Maqungo erwies sich als begnadeter Komödiant und ließ die Verliebtheit des Belmonte auch hörbar werden. Solch musikalische Qualitäten entfalteten dagegen Tamara Ivanisˇ (Blonde) und Ian Spinetti (Pedrillo) nur bedingt: Ivanisˇ setzte zwar als Schauspielerin pfiffig Pointen, traf aber Mozarts Töne hie und da weniger punktgenau, Spinetti hingegen wirkte im Spiel noch hölzerner, als er sang. Sooyeon Lee machte sich gar nicht erst die Mühe, der Konstanze schauspielerische Tiefe zu verleihen. Dafür gelang es ihr, in ihrer heiklen Auftrittsarie („Ach ich liebte“) trefflich mit den zwitschernden Schwalben um die Wette zu singen – eignet ihrem Sopran doch durchaus etwas Vogelgesangartiges: hell leuchtend, durchaus kräftig, in der Höhe etwas dünn.
Dass man die großen PrimadonnenArien dennoch nur bedingt genießen konnte, lag an der Begleitung. Tristan Schulzes Fassung der Partitur für Streichquintett und Akkordeon holt zwar das meiste aus den gebotenen Möglichkeiten. Das Ensemble klang aber in unglücklicheren Momenten wie ein Feiertagsfamilienorchester. Intendant Johannes Wildner an der ersten Geige konnte den Sängern zudem wenig bieten, wenn sie nach einem Dirigenten und metrischem Halt suchten.
Doch war musikalisch trotz des oft ungenauen Ensembles nicht alles verloren. So verlieh das Akkordeon Lees gefühlvoll gesungener „Traurigkeit“einen aparten Pariser Touch. Optischen Genuss boten drei große Feuerschalen in den Fenstern der Burgmauer. Dazu mystisch blaue Beleuchtung, frischer Abendwind (wer Decken mitgebracht hatte, war im Vorteil!) – das OpenAir-Erlebnis überwog. Regietheater-Flüchtlingen, die nicht auf musikalische Topqualität bestehen, garantiert Gars einen gemütlichen Abend.
Neun Reprisen bis 7. August. Info: www.gars.at