Öffentlich begehbare Stiegen sind zu sichern. Ob sie jemand aus gutem Grund nutzen will, wegen Irrtums oder weil er wissen will, wo sie hinführen, ist sekundär. Wo führt das hin? Neugierde erlaubt
Unfall.
Wien. Wie genau muss man prüfen, wohin eine unbeschilderte Treppe führt? Von dieser Frage hing es ab, ob eine verletzte Frau Schmerzengeld erhält. Und einig waren sich die Gerichtsinstanzen in ihrer Einschätzung nicht gerade.
der Fall spielt in Linz, die betroffene Frau kennt sich dort nicht aus. Sie kam aus einem Hotel und wollte in eine Tiefgarage unter dem Areal gelangen. die Wegweiser dorthin sah sie nicht. Aber sie fand gegenüber, auf dem Platz vor dem Linzer Wissensturm, eine frei zugängliche Stiege. der Turm heißt so, weil darin die Volkshochschule und die Stadtbibliothek beheimatet sind. Und auch die Frau strebte nach Wissen, nämlich nach jenem, wohin die Treppe führt. Nur gelangt man über diese gar nicht zur Garage, sondern nur zur Trafostation des Wissensturms.
So weit kam die Frau aber gar nicht, sie stürzte nämlich noch vor der ersten Stufe. denn es war ein Wintertag, und auf der Fläche beim Stiegenabgang lag unter dem Schnee Eis.
Aber musste die Stadt mit so etwas rechnen? das Landesgericht Linz wies die Klage der beim Sturz verletzten Frau ab. der Treppen-p abgang sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. die Frau hätte merken müssen, dass das nicht der Weg zur Garage sei.
Mit Ortsunkundigen rechnen
das Oberlandesgericht Linz betonte hingegen, dass der Treppenabgang nicht abgesperrt war. Also müsse man damit rechnen, dass Ortsunkundige den Weg nutzen. deswegen aber sollte die Stiege auch in einem Zustand sein, in dem Passanten nichts passiert. die Frau habe deswegen Recht auf Schadenersatz. die Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH) sei aber zulässig, damit er klären könne, was für unbeschilderte Treppen gelte.
Auch der OGH machte klar, dass es vorkommen könne, dass Passanten zu einem frei zugänglichen Treppenabgang neben einer
Tiefgaragenausfahrt gehen. Warum jemand die Stiegen nutzen wolle, tue nicht viel zur Sache. „Es spielt dabei keine entscheidende Rolle, ob jemand die Treppe benützen will, weil er tatsächlich den Traforaum aufsuchen muss, ob er dort irrtümlich einen Tiefgaragenzugang sucht oder aus schlichter Neugier herausfinden möchte, wohin die Treppe führt, ob er sich auf den Stufen ausruhen oder sich an das Geländer lehnen möchte“, sprachen die Höchstrichter.
der OGH betonte auch, dass man bei Schutzmaßnahmen der öffentlichen Hand mehr Verantwortung aufbürden könne als der Allgemeinheit. Es habe jedenfalls keinen Grund gegeben, die Fläche vor dem Stiegenabgang (etwa im Gegensatz zu nahen Fahrradabstellplätzen) nicht von Eis und Schnee räumen zu lassen.
doch hätte die Frau vorsichtiger gehen müssen, meinte der OGH (8 Ob 102/20p). denn es war ersichtlich, dass der Weg gefährlich ist. Sie bekomme daher Schadenersatz, aber nur den halben.