Wer führt den ÖVP-Ausschuss?
Koalition. Die Grünen wollen Ruhe im neuen U-Ausschuss – ohne Wolfgang Sobotka. Der Nationalratspräsident überlegt aber noch.
Wien. Im März 2018 musste Wolfgang Sobotka nicht lang überlegen. Der Nationalratspräsident (ÖVP) stellte klar: Er werde sicher nicht den Vorsitz in dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss führen, der dubiose Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) beleuchten wollte. „Das Parlament ist der Ort der Aufklärung“, sagte Sobotka damals. „Um diese Transparenz auch nach außen zu leben, und keinerlei Spekulation aufgrund meines zuvor ausgeführten Amtes als Innenminister zuzulassen, habe ich Präsidentin Doris Bures gebeten, den Vorsitz zu übernehmen.“
Im Mai 2020 klang Sobotka ganz anders. Die Befragungen im U-Ausschuss zur „mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung“sollten bald losgehen. Mit Sobotka als Vorsitzenden – auch wenn die Opposition sich massiv dagegen wehrte. „Ich bin mit Sicherheit nicht befangen“, sagte er.
Und im Oktober 2021? Sobotka wägt noch ab. Vergangene Woche brachten SPÖ, FPÖ und Neos ein sogenanntes Verlangen für den nächsten U-Ausschuss ein. Er soll sich um die mutmaßliche Korruption der ÖVP drehen. Wird Sobotka hier den Vorsitz übernehmen? Er wisse es noch nicht, richtet ein Sprecher am Montag aus. „Der Geschäftsordnungsausschuss wird über die Einsetzung beraten und der Präsident wird weitere Fragen zu gegebener Zeit entscheiden.“
Falls Sobotka die Meinung der Abgeordneten in seine Überlegungen miteinbeziehen sollte: Der Koalitionspartner hat seine Einstellung schon deutlich artikuliert. „Wir würden uns wünschen, dass er den Vorsitz übergibt“, sagte Nina Tomaselli, grüne Fraktionschefin im Ibiza-Ausschuss, zur „ZiB 2“.
Gemeinsam mit David Stögmüller wird sie auch im neuen U-Ausschuss sitzen. Und auch ihr Parteikollege hat eine klare Meinung: „Wir halten es im Sinne der geordneten und ungestörten Aufklärung für wünschenswert, dass Sobotka den Vorsitz abgibt“, sagt er zur „Presse“. Sobotkas bisherige Vorsitzführung habe immerhin „große Unruhe in den U-Ausschuss“gebracht. „Und die Bürgerinnen und Bürger erwarten sich jetzt, dass der U-Ausschuss in Ruhe arbeiten kann.“
Formal kann niemanden Sobotka zu einem Rückzug zwingen. Die Geschäftsordnung des Untersuchungsausschusses sieht vor, dass der Nationalratspräsident den Vorsitz übernimmt. Er kann sich bei einzelnen Sitzungen von einem Abgeordneten-Kollegen vertreten lassen: Andreas Hanger wurde zum Beispiel für seine ruhige Vorsitzführung im Ibiza-Untersuchungsausschuss immer gelobt, bis er zum kantigen Fraktionschef der ÖVP wurde. Ist Sobotka verhindert, kann auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) oder der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) übernehmen. Die beiden könnten die Vorsitzführung auch ganz übernehmen, wenn sich Sobotka freiwillig zurückzieht.
Im Ibiza-Ausschuss betonte Sobotka, dass Türkis-Blau untersucht wurde. Da er in dieser Zeit nicht Innenminister war, wollte er sich nicht zurückziehen. Ob das auch auf den nächsten U-Ausschuss zutrifft, ist eine Streitfrage: Formal wird die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) ab Dezember 2017 untersucht. Sobotka wechselte damals ins Parlament. Allerdings soll auch die Vorbereitung auf Kurz’ Machtübernahme beleuchtet werden – auch, als Sobotka noch Innenminister war.
Befragungen im März?
Etwas Zeit bis zu einer Entscheidung bleibt noch: Der Geschäftsordnungsausschuss muss bis zum 10. November tagen und den U-Ausschuss absegnen. Dann stimmt noch einmal das Parlament darüber ab. Die Grünen wollen jedenfalls den U-Ausschuss so schnell wie möglich einsetzen. Eine Verzögerung soll es nicht geben. Spätestens im März, hört man im Nationalrat, rechnet man mit den ersten Befragungen.