Der Corona-Tod Colin Powells bewegt die USA
Der Ex-Außenminister und Trump-Kritiker erlag 84-jährig dem Virus.
Wien/Washington. Tagelang war die Nation ums Wohl des ExPräsidenten Bill Clinton besorgt. Als einen Tag nach Clintons Entlassung aus der Klinik Colin Powell im Walter-ReedMilitärspital nahe Washington überraschend und trotz Vollimmunisierung im Alter von 84 Jahren an den Komplikationen einer Corona-Erkrankung starb, war die Anteilnahme der US-Öffentlichkeit am Tod des früheren Außenministers groß – mit Ausnahme der Trump-Fans.
Die Republikaner hatten Powell, einen General und Gentleman, 1995 vergeblich zu einer Kandidatur gegen den demokratischen Präsidenten gedrängt. In seiner Autobiografie „An American Journey“hatte er gerade seinen Aufstieg als Sohn jamaikanischer Immigranten aus der South Bronx von New York zum ersten afroamerikanischen Generalstabschef geschildert. Im Zuge der „Operation Desert Storm“gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein war der oberste US-Militär 1991 zur populären Figur avanciert.
Moderater versus „Neocons“
Bei der republikanischen Vorwahl in New Hampshire 1996 errang Powell dann sogar die meisten Stimmen, obwohl er sich gar nicht zur Wahl gestellt hatte. „Ich bin ein Problemlöser, kein Ideologe“, erklärte er. Später bekannte sich der Karrieresoldat, der schon Ronald Reagan als Nationaler Sicherheitsberater gedient hatte, zur Grand Old Party. George W. Bush bestellte ihn 2001 schließlich zum Außenminister, als der der Pragmatiker und Erfinder der „Powell Doktrin“– des Prinzips einer überwältigenden militärischen Übermacht im Kriegsfall – gegen Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und die „Neocons“in Teufels Küche geriet.
Powell riet dazu, sich auf den Afghanistan-Krieg zu konzentrieren statt im Irak eine neue Front zu eröffnen. Seine Präsentation im UN-Sicherheitsrat 2003 samt manipuliertem Dossier über das Massenvernichtungsarsenal Saddams betrachtete er später selbst als Debakel. Vor der zweiten Amtszeit Bushs nahm er 2005 seinen Abschied aus der Politik, um 2008 für die Wahl Barack Obamas einzutreten – und später auch für Hillary Clinton und Joe Biden. Nach scharfer Kritik an Donald Trump („eine nationale Schande“) und nach dem Sturm aufs Kapitol im Jänner trat Powell letzthin aus der Partei aus.