Wiener Betriebe erschließen neue Geldquellen
Finanzierung. Wenn Wiener Unternehmen Geld für neue Projekte brauchen, setzen sie auf einen bunten Mix aus klassischen und alternativen Finanzierungen. Was im Kommen ist und was wichtig bleibt.
Im Alltag der Wiener Unternehmen spielen alternative Finanzierungen eine immer größere Rolle. Das zeigt eine neue Studie, die im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien durchgeführt wurde. So wurden im vergangenen Jahr in Wien nur mehr elf Prozent der Unternehmensinvestitionen über einen klassischen Bankkredit finanziert. Mittlerweile ebenso viele Betriebe haben in den vergangenen drei Jahren bereits alternative Finanzierungen genutzt.
Wien setzt dabei deutlicher auf Alternativen als der Rest von Österreich: Im langjährigen Vergleich ergibt sich für Wien ein deutlicher Rückgang bei Bankenfinanzierungen, bei den alternativen Finanzierungen erreicht Wien den höchsten Wert aller Bundesländer. Gefragt sind vor allem Stille Beteiligungen, gefolgt von Crowdfunding und Business Angels. Zwei Drittel aller Investitionen kommen dabei auf weniger als 100.000 Euro.
Marktstart per Crowdfunding
Die zwei nebenberuflichen Unternehmerinnen Martina und EvaMaria Halmer starteten am 5. Oktober eine erste Crowdfunding-Aktion über die Plattform Kickstarter. „Wir haben im Vorfeld einige Plattformen durchgescreent, hier sind wir hängen geblieben, weil wir mit unserem Produktdesign hier am besten reinpassen“, erzählt Martina Halmer. Die beiden Frauen haben Rucksäcke entworfen, die sowohl vom Design als auch von der Funktion her einiges können. Mit der Crowdfunding-Finanzierung wollen sie ihre ersten 50 bis 60 Stück dieser Rucksäcke in Österreich fertigen lassen und damit in den Markt einsteigen. Dafür brauchen sie 5000 Euro.
Über die noch laufende Kickstarter-Kampagne haben sie derzeit bereits rund die Hälfte davon aufgebracht. „Wenn die Finanzierungsrunde klappt, wollen wir in Geschäfte gehen – vor allem in kleine – und versuchen, unser Angebot schrittweise auszubauen“, sagt
Halmer. Auch an eine Portfolio-Erweiterung ist bereits gedacht: Eine Handtasche, eine XL-Version für größeres Sportgerät und ein Clip-on für Fahrräder sind angedacht.
Der international engagierte Crowdsourcing-Experte Reinhard Willfort sieht in Österreich rechtlich gute Rahmenbedingungen für Schwarmfinanzierungen und auch ausreichend finanzielle Ressourcen: „Es liegt ja viel Geld auf den Sparbüchern, für das man kaum Zinsen bekommt.“Das Wissen über die Möglichkeiten sei in den Betrieben aber noch nicht breit etabliert. „Hier gilt es, emotionalen Boden zu bereiten und Gedankenbremsen zu lösen“, so der Experte.
Am ehesten gelingen Schwarmfinanzierungen mit Produkten, die herzeigbar sind und Emotionen erzeugen, weiß Willfort. Die Finanzierungsform sei für viele kleinund
mittelständische Betriebe möglich, nicht nur für Start-ups. Mit diesem Finanzierungsweg minimiere man jedenfalls das eigene finanzielle Risiko: „Klappt es nicht, kann man sich etwas Neues überlegen, noch bevor viel Geld in ein falsches Projekt investiert wird.“
Finanzierungen kombinieren
Crowdfinanzierungen ließen sich zudem gut mit Krediten und Förderungen kombinieren. „Funktioniert die Crowdfinanzierung, dann bekommt man den Kredit und auch die Förderung leichter“, so der Experte. Welches Modell man wähle, sollte man sich vorher genau überlegen, da die rechtlichen Vorgaben sehr unterschiedlich sind.
Nach der Studie der WK Wien plant bereits jeder fünfte Betrieb für kommende Projekte alternative Finanzierungen zu nutzen. Crowdfunding
und Business Angels stehen dabei im Vordergrund. Auch das Interesse an Venture Capital und Mitarbeiterbeteiligungen steigt laut der Befragung massiv. Wie viel davon tatsächlich umgesetzt wird, ist aber offen. Vor allem bei vielen Gründern steht der Wunsch nach einem Bankkredit weiterhin hoch im Kurs, berichtet die Wiener Unternehmensberaterin Doris Knor.
Dieser Wunsch sei nicht immer einfach zu realisieren, weiß Knor, die in der WK Wien seit 24 Jahren vor allem Neugründern und Betriebsübernehmern im Tourismus beratend zur Seite steht: „Die Banken sind in den letzten Jahren sehr restriktiv geworden. Bei Gründern verlangen sie meist 50 Prozent Eigenkapital und 100 Prozent Besicherung.“Hat ein Konzept Erfolgsaussichten, unterstützt die Beraterin der WK Wien auch bei den nächsten Schritten: Erstellung des Businessplans, Gespräche mit der Bank, Einreichung für Förderungen etc. Förderstellen wie die Wiener Kreditbürgschafts- und Beteiligungsbank (WKBG) oder die Wirtschaftsagentur Wien seien für das Durchbringen von Kreditwünschen bei Banken sehr wichtig. „Banken haben ihre Vorgaben, die sie einhalten müssen“, bekräftigt Knor.
Beratung durch die WK Wien
Als Informationsplattform zu Finanzierungsund Bankfragen hat sich nicht zuletzt im Zuge der Corona-Krise die Ombudsstelle für Unternehmensfinanzierung der WK Wien bewährt. Sie hilft bei Krediteinreichungen, berät zu Finanzierungsmöglichkeiten, vermittelt Gespräche bei Bankpartnern, veranstaltet betriebs- und finanzwirtschaftliche Workshops und informiert zur Insolvenzprävention.
In einem normalen Jahr wird die Ombudsstelle für Unternehmensfinanzierung von rund 500 Wiener Unternehmen kontaktiert. Im ersten Corona-Jahr 2020 waren es 1000. Auch heuer ist die Nachfrage höher. Hauptthemen sind aktuell das Insolvenzrecht, die Gesprächsvorbereitung und das Beschwerdemanagement mit der Bank, der Zahlungsverkehr, die neuen Regeln der Geldwäsche-Prävention und die Corona-Hilfen. Die Betreuung durch diese ServiceEinrichtung der WK Wien ist für Wiener Unternehmen kostenlos.