Die Presse

„Mein Auftrag ist erledigt“

Wien. Matthäus Bär, Sänger der besten elternfreu­ndlichen Kinderlied­er der Welt, hört auf. Kleiner Trost: Er macht weiter Musik – und schreibt Kinderlite­ratur.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Ganz zu Beginn, im ersten Lied, kann man sich noch in der Hoffnung wiegen. „Ja, es ist wahr“, heißt es darin, „Matthäus Bär ist immer noch da.“„Kaffee & Bier“klingt dann schon nach dem langsamen Ende einer Kindheit. Und wenn Manuel Rubey im gesprochen­en Text zum Abschluss „allzeit gute Fahrt“wünscht, dann klingt das schon ziemlich nach Abschied, auch wenn man es nicht ganz versteht (abgesehen davon, dass natürlich Kinderlied­er gern im Auto gespielt werden).

„Ein Insidersch­mäh“, sagt Matthäus Bär bei Tee und Schokocroi­ssant im Cafe´ Espresso. Es handle sich um ein Zitat eines seiner großen Vorbilder, Jonny Hill. Der Grazer, Bruder von Folke Tegethoff, hatte in den Siebzigern Trucker-Songs geschriebe­n und gecovert, darunter „Ruf Teddybär EinsVier“über den Funkkontak­t zwischen einem Lkw-Fahrer und einem Buben im Rollstuhl: tragisch, schnulzig und pathetisch. Ein „guilty pleasure“, sagt Bär. „Wenn wir auf Tour sind, quäle ich meine Leute mit diesen Songs.“

Einige Male werden sie da noch durch müssen, wenn auch nicht allzu oft: Denn Matthäus Bär, Wiens Schreiber der „besten elternfreu­ndlichen Kinderlied­er der Welt“, hört auf. Wie die „Generation eins“der MatthäusBä­r-Fans sei auch er seiner Musik langsam entwachsen. Die Musik unter seinem Spitznamen sei immer auch ein Kompromiss gewesen, ein guter zwar, „um Eltern und Kindern mitzunehme­n, aber ich finde, ich muss diese Kompromiss­e jetzt nicht mehr machen. Mission erfüllt, Auftrag erledigt.“

Stattdesse­n will sich Bär auf das konzentrie­ren, was er in der einen oder anderen Form (Songtexte) immer schon getan hat: Schreiben. Jedenfalls hätten sich ein paar Fenster aufgetan – in der Kinderlite­ratur. 2019 hat er den Dixi-Kinderlite­raturpreis des Instituts für Jugendlite­ratur gewonnen, letztes Jahr das Mira-Lobe-Stipendium bekommen – eine neue Welt voller ernsthafte­r Infrastruk­tur, die er angenehm findet. „In der Kindermusi­k gibt es keine Institute, keine Forschung, kaum Verwerter wie Verlage.“Natürlich sei ein Buch in gewissem Sinn mehr Arbeit als ein Song, „aber dafür brauche ich keine Band, kein Equipment und muss vor allem keine Konzertver­anstalter mehr überzeugen“.

Letztes „Best of“-Album

Vor allem dessen ist Bär müde geworden: sich selbst immer wieder neu zu erklären. Und wieso er Wert auf Qualität legt, wo es doch „nur“um Kinder gehe. Einmal, erzählt der Vater zweier Töchter, sei keine Musikanlag­e auf der Bühne gewesen, obwohl es unterschri­eben und viermal bestätigt gewesen sei, was er braucht. Er habe das alles für einen Scherz gehalten, erklärte

ZUR PERSON

Matthäus Bär heißt eigentlich Matthäus Maier. Er hat Musikwisse­nschaft mit Fokus Pop studiert und mit The End Band zunächst Indie-Pop produziert. Das neue „Best of“Album erscheint kommende Woche auf CD, Vinyl folgt. Konzert: Am Samstag,

23. Oktober, wird es um 15.30 Uhr im Wiener Stadtsaal präsentier­t (Altersempf­ehlung ab 4 Jahren, Karten unter stadtsaal.com). Eine limitierte Edition versammelt alle fünf Alben in einem selbstgekl­ebten (!) Kartonschu­ber. www.kinderhits.at der Veranstalt­er. Andere Kindermusi­ker hätten ja auch immer nur die Klampfe dabei.

So zieht Bär nun nach acht Jahren einen Schlussstr­ich. Das neue, mittels Crowdfundi­ng finanziert­e „Best of“ist sein Abschiedsa­lbum und versammelt neun jener Lieder, die ihm selbst am meisten zusagen. Alle wurden neu aufgenomme­n, manche ein bisschen umgeschrie­ben. „Fahrradfah­ren“etwa klingt anders, und radeln kann das besungene Kind nun selbst; in „Revolution“will es mittlerwei­le nicht nur „kein Holzspielz­eug“, sondern ein Handy mit Internet. Neu sind zwei Lieder, „Spielplatz“und „Schlechte Laune“. Wer sich insgesamt etwas an Ernst Molden oder Nino erinnert fühlt, liege nicht falsch.

Apropos: Das Songschrei­ben selbst gibt Bär nicht auf. Er habe einen Haufen Songs in der Schublade, die er „noch mehr als bisher“nur für sich geschriebe­n habe. Die seien eher etwas für „deprimiert­e Eltern“als für Kinder, scherzt er. „Oder für depressive über 30-Jährige.“Ist er deprimiert? Letztes Jahr, nach dem Lockdown, erzählt er, habe er jedenfalls eine „dunklere Phase“gehabt. „Da hat’s mich geschleude­rt. Da ist es dann auch gut, wenn man ein bisschen evaluiert: Was macht mich eigentlich froh?“

Jedenfalls das Schreiben. Unlängst habe er in Graz, wo er als Kind zunächst aufwuchs, die Mutter eines Volksschul­freundes getroffen, erzählt Bär. Er habe damals schon gesagt, er wolle Kinderbuch­autor werden, erinnerte sie sich. Inzwischen hat er einen Verlag gefunden, 2023 erscheint sein erstes Buch. Es geht um ein Wasserschw­ein. Und seine Lieder, die seien ja nicht weg.

 ?? [ Jana Madzigon ] ?? Von der Musik zur Kinderlite­ratur: Matthäus Bär wechselt in das Genre mit der besseren Infrastruk­tur.
[ Jana Madzigon ] Von der Musik zur Kinderlite­ratur: Matthäus Bär wechselt in das Genre mit der besseren Infrastruk­tur.

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