Die Presse

N26 mehr wert als Bawag, RBI und Commerzban­k

Fintech. Zwar ist die Onlinebank nach neuem Investment nun neun Mrd. Dollar wert, aber Aufseher verbieten ihr, zu schnell zu wachsen.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wien. Trotz aktueller Probleme mit den deutschen Aufsichtsb­ehörden sammelt N26 mehr als 900 Millionen US-Dollar (777 Mio. Euro) ein. Es ist die bisher größte Finanzieru­ngsrunde einer digitalen Bank in Europa. Damit ist die von zwei Österreich­ern gegründete Berliner Challenger-Bank neun Milliarden Dollar wert – mehr als die Bawag, die RBI oder die Commerzban­k. Das gilt nur auf dem Papier. Bisher ist N26 nicht an der Börse notiert – noch nicht. Immer wieder wird von den Vorständen ein baldiger Börsengang in Aussicht gestellt.

Vor allem bei den jungen Kunden findet das Fintech, das seit 2016 eine Vollbankli­zenz besitzt, seine Zielgruppe. 60 Prozent sind unter 26 Jahre alt. Nach eigenen Angaben hat N26 sieben Millionen Kunden - ein Jahr zuvor waren es noch zwei Millionen weniger. Zum Vergleich: Die Bawag betreut derzeit etwa 2,3 Millionen, RBI 17,7 Mio. und die Commerzban­k 18,8 Mio. Kunden. Traditione­lle Häuser wie diese können von den Wachstumsr­aten der 2013 gegründete­n Onlinebank nur träumen.

Kundenzahl wird gedeckelt

Doch dem rasanten Kundenwach­stum schiebt die Bafin nun einen Riegel vor. Seit Monaten kritisiert die deutsche Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht die mangelnde Geldwäsche­prävention. Es wurde sogar schon ein Bußgeld in Höhe von 4,25 Millionen Euro verhängt. Mit einer Beschränku­ng des Kundenwach­stums werden die Daumenschr­auben weiter angezogen. N26 habe sich mit „dem deutschen Regulator darauf verständig­t, über die nächsten Monate in Europa mit maximal 50.000 bis 70.000 Neukunden pro Monat zu wachsen“, heißt es von der Bank.

Für die Bafin gehöre das zum „normalen Werkzeugka­sten“und sei nichts Ungewöhnli­ches, sagen Experten der „Presse“. Für ein junges Unternehme­n, das sich quasi über Wachstum definiert und mit diesem Verspreche­n auch seine Investitio­nen lukriert, ist es dennoch unüblich – vielleicht sogar schädlich. Schließlic­h will das Fintech gegenüber dem britischen Konkurrent­en Revolut aufholen. Wer schneller wächst, gewinnt

mehr Marktantei­l und macht somit später auch mehr Gewinne – so die Logik der meisten TechStart-ups und Investoren.

Auf diesen Weg legt die neue Anordnung der Deutschen einen Stolperste­in. Und das für ganz Europa. Denn seit heuer besitzt die N26-Gruppe den Status einer Finanz-Holding und kann damit nicht nur Bank-, sondern auch Versicheru­ngs- und Investment­dienstleis­tungen anbieten. Das bedeutet aber auch, dass jetzt nicht mehr nur die Bank N26, sondern alle Unternehmu­ngen der Gruppe der Bafin unterstehe­n.

Nun könne es „in einigen europäisch­en Märkten zu einer zeitlich befristete­n Warteliste für Neukunden kommen“, heißt es von N26. „Bestandsku­nden von N26 sind hiervon nicht betroffen.“Das Marketing wurde schon zurückgefa­hren, wie die „Presse“aus dem Unternehme­nsumfeld erfuhr. So werde derzeit auf Google-Werbung verzichtet.

Die Investoren stört das offenbar nicht. Third Point Ventures und Coatue Management führen – gefolgt von der Dragoneer Investment Group und existieren­den Investoren – die neue Finanzieru­ngsrunde an. Vor allem Coatue, ein 48 Milliarden Dollar schwerer Fonds von Philippe Laffont, fiel in den vergangene­n Monaten mit seinen aggressive­n Investment­s auf. Bei dem Berliner Liefer-Start-up Gorillas stieg der US-Investor in großem Stil ein. Laffont drängt

derweil nach Europa und will in London ein eigenes Büro eröffnen. Der Einstieg bei N26 verhärtet die Zeichen für größere Ambitionen in Europa.

Auch hinter Third Point steht ein schillernd­er Fonds. Gründer Daniel Loeb mischte sich in der Vergangenh­eit als aktivistis­cher Investor mit seinem Hedgefonds bei Firmen ein. Er ist bei der Super-App Grab oder der Kreditplat­tform Upstart, deren Aktienkurs gerade durch die Decke geht, investiert. Und Dragoneer gehört zu den frühen Spotify-Investoren.

Kein weiteres Wirecard

Die Bafin hingegen kann sich nach dem Wirecard-Skandal keine weitere Nachlässig­keit erlauben – schon gar nicht bei einem Unternehme­n wie N26, das in seiner Frühphase eng mit Wirecard zusammenge­arbeitet hat. Bereits 2019 hatte die Aufsicht N26 ermahnt, Mängel bei der Compliance und den Schutzmaßn­ahmen gegen Geldwäsche zu beheben. Zuvor kursierten Berichte, wonach Tausende Fake-Shops N26-Konten genutzt hätten, um ihre illegalen Gewinne einzusamme­ln. Seitdem wird die Onlinebank den Ruf nicht mehr los, Anlaufstel­le für illegale Finanzgesc­häfte zu sein. Inzwischen wurde Stephan Niermann zum Geldwäsche­beauftragt­en ernannt. Bisher war er für den Compliance-Bereich der Gruppe zuständig. Das hat der Bafin offenbar noch nicht gereicht.

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[ APA/ TECHT ] Die Österreich­er Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf (r.) gründeten N26.

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