Rote Brigaden killen den machtlosen Verdi
Oper Graz. „La forza del destino“in einer überladenen, aber keineswegs schlüssigen Neuinszenierung.
Es beginnt alles so herkömmlich wie immer, bloß der Schuss, der den alten Marchese di Calatrava tötet, kommt nicht aus Don Alvaros weggeworfener Pistole, sondern wird in die Luft abgefeuert von einer in samtigen Purpur gewandeten Security-Crew unter dem Kommando der Wahrsagerin und Marketenderin Preziosilla. In der neuen Grazer „Macht des Schicksals“ist sie zur Kommentatorin oder Moderatorin der unheilvollen Vorgänge in der Familiensaga avanciert, mit ihrer roten Brigade (die alle Nebenrollen bedient) verkörpert sie mit feuerroter Mähne lässig-lasziv bis frech-frivol das Schicksal.
Angestrengtes bis nerviges Dramaturgentheater, das versucht, oberg’scheit daher zu kommen, und meint, unbedarften Zuschauern alles und jedes mit dem Holzhammer erklären zu müssen, ergibt eine verkrampfte Familienaufstellung, der die Hauptsache fehlt: Vertrauen in die wertvolle
Musik Giuseppe Verdis. Die transportiert eigentlich alles, formt mit Farben und Klängen Charaktere, erklärt Szenen mit Melodien und kann vor allem zwischen den Zeilen lesen, enthält also alles, was das Geheimnis der Kunstform Oper ausmacht.
Insofern macht die Neuproduktion wenigstens Sinn, als die Grazer Philharmoniker unter der so umsichtigen wie kompetenten Leitung des Italieners Matteo Beltrami mit Leidenschaft und Dramatik die Partitur erfüllen und die verwirrende Handlung plausibel illustrieren. Beltrami kann Sänger begleiten und führen, sodass sich jenseits der aufgesetzten Optik doch Atmosphären und Situationen aufbauen können. Weit weniger Lorbeeren hat sich das Besetzungsbüro verdient: ringsum biederes Mittelmaß. Die zerbrechliche Leonora der Rumänin Aurelia Florian leidet bei meist klarer Linienführung unter Höhenproblemen, der gewichtige Aldo Di Toro versucht, seinen schmalen, etwas nasalen Tenor zum Schmettern zu bringen, der Parodie entkommt er aber nicht ganz. Mariusz Godlewski würde mit strammem Bariton als Zweitbesetzung des Don Carlo bestehen, Mareike Jankowski verleiht der aufgewerteten Preziosilla beste Figur. Harmlos und löchrig der finnische Bass Timo Riihonen als Padre Guardiano. Die rundeste Leistung des Abends: Neven Crnic´ (von Salzburgs Young Singers Project) als nicht blödelnder Fra Melitone.
All das ergibt natürlich keine schlüssige „La Forza del Destino“. Die Inszenierung Eva-Maria Höckmayrs vertraut einer szenischen Materialschlacht (Bühne: Momme Hinrichs). Auf der Drehbühne ein AltarTriptychon mit Sonntags- und Wochentagsansichten. Doppelbilder, Spiegelungen, Projektionen, Videos. Dazu dichtes Bühnengewusel, spielt sich doch alles vor kriegerischem Hintergrund ab. Nur noch unfreiwillig komisch die Klosterszene: Leonora darf in einem gläsernen Sarkophag probeliegen, in den zuvor der Marchese gebettet war.