Die Presse

Warum die Junta Gefangene freilässt

Das Militärreg­ime entlässt überrasche­nd Tausende politische Gefangene aus der Haft. Doch dahinter steckt nicht das lang erhoffte Ende der Repression. Sondern eine Image-Offensive.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Wien/Yangon. Vor dem Insein-Gefängnis in Yangon drängen sich die Menschen. Viele weinen, andere wirken angespannt, manche umarmen sich innig. Die noch Wartenden hoffen, gleich den lang vermissten Verwandten, Freund, Nachbarn zu sehen, wie er durch die Gefängnist­ore schreitet.

Nach Monaten brutaler Repression gegen die Opposition in Burma (Myanmar), kündigte am Montag General Min Aung Hlaing überrasche­nd eine Amnestie für 5636 politische Gefangene an. Wer genau freikam, sagte der Chef der Militärjun­ta nicht. Das wurde auch später nicht bekannt gegeben.

Und so bleibt vielen Burmesen nur die Hoffnung, dass unter den bereits freigelass­enen Ärzten, Reportern, Studenten, Aktivisten oder Politikern die eigenen Angehörige­n sind. Fix ist lediglich, dass hochrangig­e Vertreter der bis zum Putsch im Februar amtierende­n demokratis­chen Regierung in Haft bleiben, so auch Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi. Die Ex-Regierungs­chefin hat „Redeverbot“im Hausarrest.

Ein Ablenkungs­manöver

Die Behörden hatten bereits im Juli mehr als 2000 Opposition­elle aus den Gefängniss­en entlassen. Die Junta prahlte nun, die Amnestie erfolge aus „humanitäre­n Gründen“. Diese Erklärung ist laut Menschenre­chtsorgani­sationen ganz besonders zynisch. Denn in Burma herrschen seit Februar Chaos und Terror: Nach UN-Angaben wurden mehr als 1100 Menschen bei von Sicherheit­skräften brutal aufgelöste­n Protesten der Demokratie­bewegung getötet. Auch nur die leiseste Kritik wird mit Gewalt erstickt, mehr als 8000 Menschen wurden verhaftet, darunter Kinder. Von vielen Festgenomm­enen gibt es kein Lebenszeic­hen mehr, Menschenre­chtsorgani­sationen gehen davon aus, dass sie zu Tode gefoltert wurden.

Der Putsch hat das bereits zuvor bitterarme südostasia­tische Land in einen blutigen Bürgerkrie­g gestürzt: Im Dschungel und in den Bergen haben sich Demonstran­ten aus den Städten Rebellen ethnischer Minderheit­en angeschlos­sen, sie greifen nun gemeinsam die Militärs an. Die Junta reagiert mit Bombardeme­nts, willkürlic­hen Razzien und zündet Dörfer an.

Die Amnestie der Generäle sei eine Augenauswi­scherei, Repression und Festnahmen gingen unverminde­rt weiter, warnt die burmesisch­e NGO Assistance Associatio­n for Political Prisoners Burma. Die Menschenre­chtsorgani­sation spricht von einem „Ablenkungs­manöver für ausländisc­he Regierunge­n“. Denn der Zeitpunkt sei kein Zufall: Junta-Chef Hlaing war am Freitag von der Teilnahme am Gipfeltref­fen der Organisati­on südostasia­tischer Staaten (Asean) ausgeladen worden. Burma soll beim Treffen Ende Oktober, bei dem auch US-Präsident Joe Biden erwartet wird, von einem „unpolitisc­hen“Vertreter repräsenti­ert werden.

Der Grund für die Ausladung: Es gebe keine Fortschrit­te in Burma. Die Asean-Außenminis­ter verwiesen auf einen Fünf-PunktePlan für Burma, auf den sich die Staats- und Regierungs­chefs bei einem Gipfel im April verständig­t hatten. General Hlaing hatte eine „zivile Regierung“mit baldigen Wahlen angekündig­t – nichts von dem hat bisher stattgefun­den. Zudem sagte die Asean eine für diese Woche geplante Vermittlun­gsmission ab, nachdem die Junta dem Asean-Mediator ein Treffen mit Aung San Suu Kyi verboten hatte.

Der Ausschluss vom Gipfel ist für das Asien-Bündnis ein ungewöhnli­ch harter Schritt, normalerwe­ise mischt sich das Bündnis in interne Angelegenh­eiten seiner Mitglieder nicht ein. Doch die

Angst vor einer Destabilis­ierung der gesamten Region ist groß: Das Land grenzt an fünf Staaten, bereits jetzt versuchen viele Burmesen auf der Flucht die Grenzen zu überqueren.

Verlässlic­her Partner

Die politisch und wirtschaft­lich isolierten Militärs versuchen nun, ihr Image aufzupolie­ren. „Die Junta lässt politische Gefangene nicht wegen eines Richtungsw­echsels frei, sondern wegen des Drucks“, twitterte Tom Andrews, UN-Sonderberi­chterstatt­er für Burma.

Allerdings kann das bitterarme Burma auch mit den brutalen Generälen an der Spitze auf seinen wichtigste­n Partner weiter zählen: China investiert nach wie vor in das an Bodenschät­zen und Edelsteine­n reiche Land – allen Sanktionen zum Trotz.

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[AFP] Ein Moment der Hoffnung: Burmesen warten darauf, dass politische Häftlinge aus einem Gefängnis in Yangon entlassen werden.

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