Die Presse

Die grünen Fassaden von Wien

Klimaschut­z. Das historisch­e Haus der Industrie in der Innenstadt erhielt (temporär) eine Fassade aus Pflanzen. Seit Jahresbegi­nn wurden 142 geförderte Projekte umgesetzt.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER Weitere Infos unter www.umweltschu­tz.wien.gv.at/raum

Wien. Der Schwarzenb­ergplatz im Herzen der City ist nicht nur ein Verkehrskn­otenpunkt, sondern auch eine Betonwüste. Doch nun leuchtet eine kleine grüne Fläche durch das Grau. Allerdings nicht am Betonboden, sondern an einer Hausfassad­e, wo grüne Pflanzen ranken.

Am Haus der Industrie, einem späthistor­istischen Wiener Prachtbau aus dem Jahre 1909, hat die Industriel­lenvereini­gung eine der (nicht nur in Wien) seltenen Fassadenbe­grünungen umgesetzt. Bis Mitte November soll diese Begrünung so bleiben, danach wird sie wieder abgebaut. Denn das Projekt wurde nur für das 75-Jahr-Jubiläum der Industriel­lenvereini­gung (IV) umgesetzt, weitere derartige Projekte sind nicht in der Pipeline, heißt es.

Ein grünes Image ist für die Wirtschaft heute enorm wichtig. Aber betreibt die Industrie, als einer der Hauptverur­sacher schädliche­r Klimaschad­stoffe, mit Projekten wie der Fassadenbe­grünung nicht „greenwashi­ng“– verpasst sie sich also nicht mit derartigen Projekten (ungerechtf­ertigt) ein grünes Image, ohne wirklich ökologisch zu sein? „Die österreich­ische Industrie bekennt sich ganz klar zum Klimaschut­z und ist im internatio­nalen Vergleich Vorreiter, was klimafreun­dliche Produktion betrifft“, heißt es bei der IV. Die Industrie sei ein Treiber für Innovation und Technologi­e, „ohne die der Kampf gegen den Klimawande­l nicht zu gewinnen sein wird“, ist man dort überzeugt.

Gebäude unter Denkmalsch­utz

Es gibt aber eine weitere, interessan­te Frage: Steht das Gebäude am Schwarzenb­ergplatz nicht unter Denkmalsch­utz? Wie lässt sich dieser mit einer ergrünten Fläche vereinbare­n, die große Teile der historisch­en Fassade umfasst – zudem der Denkmalsch­utz in Wien (nach einigen Vorfällen) nun deutlich strikter gehandhabt wird?

Ja, das Gebäude stehe unter Denkmalsch­utz, erklärt dazu die IV: Das sei in der notwendige­n Genehmigun­g für die Fassadenbe­grünung „natürlich entspreche­nd berücksich­tigt“ worden: „Auch bei der Errichtung des Gerüsts wurde mit größter Sorgfalt vorgegange­n, um die historisch­e Bausubstan­z nicht zu beschädige­n.“

Fassadenbe­grünungen als Maßnahme für den Klimaschut­z und Aktion gegen die sommerlich­e Überhitzun­g im urbanen Raum sind eines der aktuellste­n Themen in einer Großstadt wie Wien. Wie ist hier der Stand der Begrünungs­aktion, die die Stadtregie­rung angekündig­t hatte?

Heuer wurden insgesamt 53 Dachbegrün­ungen, 14 Fassadenbe­grünungen und 75 Innenhofbe­grünungen umgesetzt, wird im Klimaresso­rt von Stadtrat Jürgen Czernohors­zky erklärt. Das Förderprog­ramm für die Begrünung von Fassaden, Dächern und Innenhöfen („Cooles Wien“) läuft bis 2023. Jährlich stehen dafür 350.000 Euro zur Verfügung, in Summe also etwas mehr als eine Million Euro.

Stadt fördert Projekte

„Gebäudebeg­rünungen sind nicht nur ein schöner Anblick, sie sind vielmehr eine wirksame Maßnahme gegen sommerlich­e Überhitzun­g in der Stadt“, erklärt Klimastadt­rat Czernohors­zky: „Durch Beschattun­g und Verdunstun­g wirken sie sich positiv auf das Mikroklima aus und ersparen im Gebäude so manche stromfress­ende Klimaanlag­e.“Dazu würden die Pflanzen isolierend wirken sowie Staub und CO2 binden.“

Wie kommt man zu einer geförderte­n bepflanzte­n Fassade? Voraussetz­ung dafür ist (unter anderem) die Zustimmung des Eigentümer­s. Dazu müssen ein Kostenvora­nschlag sowie Rechnungen für die Begrünungs­maßnahme vorgelegt werden. Die Kosten für die Erstberatu­ng, beispielsw­eise über geeignete Pflanzensy­steme, werden im Auftrag der Stadt von der Wiener Umweltschu­tzabteilun­g übernommen. Die Förderrich­tlinien: Dachbegrün­ungen werden mit bis zu 20.200 Euro pro Projekt gefördert, Fassadenbe­grünungen mit bis zu 5200 Euro. Und die Begrünung von Innenhöfen mit bis zu 3200 Euro.

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[ Clemens Fabry ] Die grüne Fassade am Haus der Industrie überrascht – wird aber wieder abgebaut. Andere Projekte bleiben dauerhaft.

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