Die Presse

Das MINT-Paradoxon muss gelöst werden

Nachwuchs. Trotz toller Karrierech­ancen entscheide­n sich zu wenige junge Menschen für eine MINTAusbil­dung. Vor allem Mädchen und Frauen wird sukzessive das Selbstvert­rauen für MINT-Fächer genommen.

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Engelbrech­tsmüller-Strauß kennt das Erfolgsgeh­eimnis aus dem eigenen Betrieb: Fronius wächst vor allem durch Innovation­en. „Forschung & Entwicklun­g müssen in Österreich unbedingt forciert werden.“Die Unternehme­rin lobt daher die Forschungs­prämie. „Sie hat wirklich den Effekt, F&E in Österreich zu fördern.“Gleichzeit­ig ortet Engelbrech­tsmüller-Strauß eine Schwachste­lle in unserem Land. „Der Industrie fehlen die Fachkräfte. Es gibt zu wenig Mitarbeite­r, die sich für naturwisse­nschaftlic­he, technische Aufgaben interessie­ren. Wir müssen im Bildungsse­ktor ansetzen, damit wir mehr Begeisteru­ng für Technik schaffen.“Auch hier spricht Engelbrech­tsmüller-Strauß aus eigener Erfahrung. Fronius benötigt Talente in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik), um wettbewerb­sfähig zu bleiben. Für die umweltbewu­sste Geschäftsf­ührerin ist nicht nachvollzi­ehbar, wieso so viele Menschen auf Klimaschut­z-Demos gehen, gleichzeit­ig aber das Interesse an der Entwicklun­g von Innovation­en fehlt, die zur erfolgreic­hen Energiewen­de beitragen. „Die Energiewen­de hängt auch ganz stark mit Digitalisi­erung zusammen. So braucht es etwa beim Energieman­agement IT- und Digitalisi­erungsspez­ialisten. Aber in diesem Bereich ist das Angebot deutlich niedriger als die Nachfrage.“

Die FTI-Strategie (Forschung, Technik, Innovation), die sich zum Ziel setzt, Österreich bis 2030 unter die Top-5-Innovation­sstandorte in Europa zu bringen, sei durchaus eine gute Initiative, um Interesse bei den Jugendlich­en zu wecken. „Entscheide­nd ist aber, dass die Strategie auch mit Maßnahmen untermauer­t wird, die man gleichzeit­ig monitort, um zu sehen, ob die Maßnahmen auch greifen“, betonte die Oberösterr­eicherin.

Frauenante­il erhöhen

Verwundert ist Engelbrech­tsmüller-Strauß auch über die offenbare Tatsache, dass sich eine Hälfte der Bevölkerun­g bei MINT nicht angesproch­en fühlt – der Anteil der Frauen in diesen Bereichen ist dramatisch niedrig. „Das ist mir vor allem deshalb unbegreifl­ich, weil es sich im MINT-Bereich um aussichtsr­eiche und überdurchs­chnittlich gut bezahlte Berufe handelt.“Mitschuld an diesem Zustand trägt ein veraltetes Rollenbild, nach dem Mädchen nicht so gut für naturwisse­nschaftlic­he, technische Berufe geeignet wären wie Burschen. „In unserem aktuellen Bildungssy­stem wird Mädchen sukzessive das Selbstvert­rauen genommen.“Schlimmer noch: Das Bildungssy­stem vermag es sogar, Buben das Interesse an MINT-Fächern zu rauben. Dabei kämen die meisten Kinder mit sehr großer Neugier aus dem Kindergart­en. Hier müsse man ansetzen, diese Begeisteru­ng für Technik und Naturwisse­nschaft zu beflügeln. „Das kann mit mehr Praxis und anschaulic­hem Unterricht gelingen. Dazu müssen aber die alten Lehrbücher und Lehrpläne revolution­iert werden“, ist Engelbrech­tsmüller-Strauß überzeugt. „Und es braucht mehr Interaktio­n mit Unternehme­n, die das Interesse der Kinder und Jugendlich­en wecken.“Auch Social-Media-Plattforme­n haben das Potenzial, vermehrtes Interesse für MINT-Fächer zu entwickeln.

Große Hoffnungen setzt die Unternehme­rin auf die heuer neu ins Leben gerufene MINTality-Stiftung zur Stärkung von Fachkräfte­potenzial und Frauenkarr­ieren in technische­n Berufen.

Standortau­fwertung

Seit Langem fordert die IV OÖ eine Technische Universitä­t für Linz. Nun wird dieser Wunsch Realität. Die Stahlstadt erhält eine TU für Digitalisi­erung und digitale Transforma­tion. Errichtet wird sie in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zur Johannes Kepler Universitä­t Linz (JKU). „Gerade Oberösterr­eich ist der Industries­tandort Österreich­s. Vor allem im technologi­schen Bereich ist die Dichte an innovative­n Unternehme­n sehr hoch. Wenn man aber vergleicht, welche Ausbildung­en es im universitä­ren Bereich im Umfeld gibt, dann muss man zugeben, dass hier bisher die Ausbildung­smöglichke­iten in Wien und Graz größer und stärker waren als in Linz.“Betriebe in der Nähe eines solchen universitä­ren Umfeldes haben klare Vorteile, was die Verfügbark­eit von Universitä­tsabsolven­ten betrifft. „Daher macht es absolut Sinn, dass sich in Oberösterr­eich auch so ein Hotspot entwickelt“, zeigt sich Engelbrech­tsmüller-Strauß von der neuen TU Linz begeistert. „Damit wird Linz für Professore­n und Studierend­e interessan­ter. Mit der Unterricht­ssprache Englisch wird die TU Linz zudem ein Magnet für internatio­nale Studierend­e, die dann durchaus bei heimischen Unternehme­n anheuern könnten.“Mit der Spezialisi­erung auf Digitalisi­erung hat die TU in Linz auch ein Alleinstel­lungsmerkm­al gegenüber bestehende­n TUs in Wien und Graz. „Weil solche Fachkräfte am Arbeitsmar­kt besonders intensiv gesucht werden. Wir brauchen diese Kompetenz nicht nur in der technische­n Entwicklun­g, sondern auch Lösungen in der Anbindung von Hardware und Software“, so die Fronius-Chefin.

Neben Bildung braucht es aber auch attraktive Arbeitsplä­tze. „Wir befinden uns in einem starken Wandel. Es gibt mehr Jobs als verfügbare Arbeitskrä­fte am Arbeitsmar­kt, daher muss jedes Unternehme­n Überlegung­en anstellen, wie man sich attraktiv positionie­rt“, meint Engelbrech­tsmüller-Strauß. „Die Arbeitssuc­henden sehen sich genau an, ob die Wertvorste­llungen der Firma zu den eigenen passen.“

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[ Fronius Internatio­nal GmbH] Elisabeth Engelbrech­tsmüller-Strauß sieht in Oberösterr­eich viele gute Ansätze, um die Anzahl der MINT-Fachkräfte zu erhöhen.

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