Musik muss Handarbeit sein
Dream Pop. Multiinstrumentalist René Mühlberger hat sich als Kopf von Velojet einen Namen gemacht. Jetzt macht er als Pressyes verführerische Sommermusik.
APsychedelic Journey“warnt ein silbernes Pickerl auf dem Cover. Die Klänge, die man dann vernimmt, sobald das gelbe Vinyl auf dem Plattenteller ist, ziehen einen radikal aus dem Hier und Heute ab. Sanft schaukelnde Melodien, aufgeladen mit kleinen zauberischen Effekten, katapultieren in Zeiten zurück, als die Zukunft noch Verheißungen versprach.
„Breeze In Breeze Out“, das zweite Album von Pressyes, lässt am linearen Zeitkonzept zweifeln. Ist René Mühlberger, der Schöpfer dieses introspektiven und unendlich entspannten Meisterwerks, am Ende eine Art Hippiewiedergänger? „Das könnte schon sein,“lacht er. „Für mich ist Pressyes eine Art Zufluchtsort. Er ist sommerlich und wohl auch hippiemäßig. Der digitale Musikeralltag ist mir zu stressig. Das Projekt Pressyes lebt vom Sommer und vom Reisen. Diese Musik mache ich nur, wenn gerade kein Stress ist. Deshalb hat es ja auch vier Jahre gedauert seit dem ersten Pressyes-Album.“
Die Wohnung, die er mit seiner Frau, der Bassistin Marlene Lacherstorfer, und seiner neugeborenen Tochter teilt, ist voller Musikinstrumente. Dies, obwohl er auch im burgenländischen Großhöflein ein Studio betreibt, in das sich jüngst auch Bilderbuch für zwei Monate zurückgezogen haben. Auf seinem neuen Opus verwendete er ausschließlich analoge Synthesizer. „Deren Sounds sind sehr griffig und ich mag das Arbeiten damit, weil die Geräte so einfach sind. Ich bin kein Typ, der permanent Updates und Plugins braucht. Das Digitale grenze ich so weit wie möglich aus. Ich will, dass Musik Handarbeit ist. Auf der Platte kommen keine Instrumente und Geräte vor, die nach 1980 gebaut wurden. Nur mischen tu ich am Computer.“
Reisen im VW-Bus in den Süden
René Mühlbacher steht nämlich als Gitarrist, der er hauptsächlich ist, mit beiden Beinen in der Realität. Mit seiner früheren Rockband Velojet hat der aus Steyr gebürtige Mühlberger von 2003 bis 2015 dem Sender FM4 jede Menge Kraftfutter zugeführt und hat auch als Produzent von Cari Cari viel geleistet. Zudem spielt er seit Jahren gemeinsam mit Marlene in der Band des deutschen Popsängers Clueso. Dort genießt er es, dass er einfach nur Sideman sein kann. Und natürlich auch den Segen der großen Produktion. „Keine Verstärker schleppen, das beste Essen. Außerdem kann ich immer etwas dazulernen.“Aber dennoch ist er froh, hauptsächlich in Österreich Musik machen zu können. „In Deutschland gibt es ein Musikbusiness, bei uns nicht. Aus diesem Grund kommen bei uns die originelleren Sachen raus.“Natürlich tourt er mit seinem Zeug auch in Deutschland, aber noch viel größeren Anklang finden seine Sounds etwa in Südfrankreich und in Spanien. Das behagt ihm, der regelmäßig zu ausgedehnten Reisen im VW-Bus aufbricht. Warum gerade dieses Fahrzeug, das die Gegenkultur der späten Sechzigerjahre so stark symbolisiert? „Wohl in erster Linie deshalb, weil ich das Gefühl haben muss, autark zu sein. Und diese Wagen kann man selbst reparieren. Auch wieder Handarbeit. Ich besitze mittlerweile schon mehrere VW-Busse und auch einen Käfer. Und selbstverständlich alle nötigen Reparaturbücher dazu. Letztes Jahr sind wir nach Sardinien gefahren. Nach der zweitägigen Anreise bin ich drei Tage unter dem Auto gelegen. Das ist auch eine Art Entspannung. Da tun mir zwar dann die Hände weh, aber mein Gehirn kann sich wieder etwas Neues überlegen.“
Weiterer Nebeneffekt dieser Strawanzerei mit alten Automobilen sind die stimmungsvollen Videos, die dabei entstehen. „Die machen wir mit einer alten analogen Kamera. Wir lieben diese Ästhetik, sie harmoniert perfekt mit dem warmen Licht des Südens.“Der Do-it-yourself-Charme kommt besonders beim Video von „Lus U“zum Tragen. Unter der strahlenden Oberfläche lauern kleine Widerhaken. Wie bei vergleichbaren internationalen Kollegen wie Khruangbin und Tame Impala ist die sommerliche Ästhetik von dunklen Unterströmungen kontrastiert.
Live sind Pressyes nun zum Quintett aufgestockt geworden. Selbstverständlich mit Marlene. Die beiden ergänzen einander ideal. „Ich bin introvertierter und lebe meine Traumwelt am liebsten im Studio aus. Marlene lebt hingegen voll im Jammen und Livespielen auf. Ich mag das Spielen auch sehr gern, aber das Bauen der Tracks taugt mir noch mehr.“