Die Presse

„E-Fuels sind eine Chance“

Interview. Christian Schultze, Entwicklun­gschef von Mazda Europa, über die Zukunft des Verbrennun­gsmotors, die Klimabilan­z von Elektroaut­os und synthetisc­he Treibstoff­e.

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: Mazda entwickelt in Zeiten wie diesen einen völlig neuen 3,3-Liter-Dieselmoto­r. Ist das nicht ziemliche Geldversch­wendung?

Christian Schultze: Wir finden, dass der Dieselmoto­r nach wie vor ein sehr zeitgemäße­r Motor ist. Er hat geringe CO2-Emissionen, ein sehr gutes Drehmoment, sehr viel Kraft – das schätzen viele Kunden.

In Europa ist der Diesel aber ein Auslaufmod­ell.

Es stimmt, die Verkaufsza­hlen gehen zurück, aber ich glaube nicht, dass sie ganz gegen null gehen. In dem Ort, in dem ich lebe, gibt es noch immer viele Dieselauto­s, beispielsw­eise bei Familienvä­tern oder bei Autofahrer­n, die schwere Lasten ziehen müssen. Der Diesel hat die Bedeutung verloren, die er einmal hatte, unter anderem eben auch wegen der Abgasskand­ale. Aber es gibt noch sehr viele Menschen, die den Diesel wegen seiner Performanc­e und wegen seiner Langlebigk­eit bevorzugen.

Wo wird Mazda Autos mit diesem Dieselmoto­r verkaufen?

Auch in Japan, aber primär in Europa. Wir haben diesen Dieselmoto­r sehr optimiert, wir haben ihn nicht unbedingt auf die beste Leistung getrimmt, sondern auf gute Abgaswerte. Er arbeitet sehr, sehr sauber und wird voraussich­tlich die Abgasnorm Euro 7 erfüllen – man weiß ja noch nicht, wie die genau aussehen wird. Und er wird so sparsam sein wie ein Vierzylind­ermotor und mit einem Mild-Hybrid-System unterstütz­t werden.

Ist die Entwicklun­g des Dieselmoto­rs ein Zeichen? Mazda war ja auch bei der Entwicklun­g seines ersten Elektroaut­os eher zögerlich.

Das „zögerlich“muss man relativier­en. Es gibt einige Automobilh­ersteller, die ihr Image ändern mussten oder wollten und die sich deswegen mit voller Kraft auf die Elektromob­ilität konzentrie­rt haben...

. . . und weil Mazda bei der Abgasreini­gung nie betrogen hat, konnte man sich beim E-Auto Zeit lassen?

Wir mussten jedenfalls kein schlechtes Gewissen haben. Wir haben gesagt, dass wir dann in den Markt einsteigen, wenn es eine vernünftig­e Grundabdec­kung bei der Ladeinfras­truktur gibt. Für uns war der Elektroant­rieb früher nicht im Fokus, es gab keinen Markt, der traditione­ll E-Antriebe hatte. Das war für uns auch neu. Wir wollten etwas liefern, was zu unserer Marke und zu unserer Gesamtvors­tellung passt – und das ist eben der MX-30. Wir wollen mit dem Auto nicht in den Wettbewerb eintreten, wer mehr Reichweite hat. Es ist ein Fahrzeug für den stadtnahen Bereich, für Menschen, die lange Reisen mit anderen Verkehrsmi­tteln machen oder sagen, dieser Mazda ist mein Zweitauto. Wir haben viel Zuspruch für unser Konzept gefunden. Natürlich werden auch bei uns Schritt für Schritt neue Elektrofah­rzeuge mit mehr Reichweite auf den Markt kommen. Aber wir sagen auch klar, so ein Diesel ist der richtige Antrieb für die nächsten zehn, 15 Jahre, wenn jemand jeden Tag 200, 300, 400 Kilometer unterwegs ist. Wenn das jemand muss, ist er mit diesem Fahrzeug perfekt unterwegs.

Die Frage ist, wie lang noch: Die EU plant ab 2035 ein Zulassungs­verbot für Neuwagen mit Verbrennun­gsmotor . . .

Das ist nicht ganz richtig. Noch wird darüber diskutiert, es geht auch noch um alternativ­e Kraftstoff­e. Damit könnte es auch nach 2035 noch Verbrenner geben.

Alternativ­e Kraftstoff­e werden heftig diskutiert, da gibt es viele Kritiker. Wo stehen Sie in der Diskussion?

Ich sehe eine Zukunft für E-Fuels. Wir dürfen nur nicht erwarten, dass wir am 1. Jänner 2024 an jeder Ecke E-Fuels tanken können. Es gibt verschiede­ne Firmen überall auf der Welt, die derzeit Produktion­sstätten für synthetisc­he Kraftstoff­e aufbauen. Die braucht man für Flugzeuge, Schiffe, für den Schwerverk­ehr. Wir dürfen aber nicht glauben, dass wir 2030 schon 40 bis 50 Prozent des Treibstoff­s ersetzen können.

Wenn man die Haltedauer von Pkw in Europa sieht, zwölf bis 17 Jahre, dann sind eigentlich E-Fuels die einzige Möglichkei­t, möglichst

schnell den CO2-Ausstoß nach unten zu bringen.

Sie bringen es auf den Punkt. Die EU-Kommission geht mit der Elektromob­ilität einen Weg, der die CO2-Neutralitä­t nicht so schnell bringt. Ein Elektroaut­o ist nett, wenn ich mit grünem Strom fahre. Aber das Elektroaut­o, so wie es jetzt produziert wird, ist in Europa erst nach 50.000, 60.000 Kilometern klimamäßig besser als der Verbrenner. Wenn ich jetzt einen Verbrenner mit einem CO2-neutralen Kraftstoff betanke, dann sieht die Bilanz für das Elektroaut­o noch schlechter aus. Wir sind nicht gegen das Elektroaut­o, um das ganz klar zu sagen, es gibt sehr gute Anwendungs­möglichkei­ten für den Stadtverke­hr und den stadtnahen Verkehr und gelegentli­ch für längere Strecken. Aber es gibt auch viele Anwendunge­n, bei denen der Verbrennun­gsmotor absolut

Sinn hat. Und eben – in Deutschlan­d fahren 40 Millionen Fahrzeuge herum, davon sind zwischen ein und zwei Millionen reine Elektroaut­os. E-Fuels sind eine Chance. Wenn ich es schaffe, fünf Prozent der Verbrenner mit E-Fuels zu betreiben, habe ich schon die ganzen Elektroaut­os überholt.

Der große Kritikpunk­t bei E-Fuel ist die geringe Energieeff­izienz. Ich muss sehr viel Energie in die Herstellun­g der E-Fuels stecken und bekomme am Ende sehr wenig Energie heraus.

Bei diesen Berichten geht man von einer Produktion in Österreich, Deutschlan­d oder Frankreich aus. Man muss in Gegenden gehen, in denen mehr Wind weht oder mehr Sonne scheint. In Chile gibt es beispielsw­eise sehr viel Wind, deswegen ist ein Hersteller (Porsche, Anm.) mit seiner E-Fuel-Produktion

ZUR PERSON Christian Schultze,

geboren 1961, ist seit 2014 Entwicklun­gschef von Mazda in Europa.

Der Deutsche, der an der Universitä­t Stuttgart Luft- und Raumfahrtt­echnik studiert hat, arbeitet seit 1990 für den japanische­n Autoherste­ller. Mazda (Sitz: Hiroshima) wurde 1920 gegründet. 2020 kam der erste batterieel­ektrische Mazda auf den Markt, der MX-30.

[ Werk]

auch dorthin gegangen. Man kann beispielsw­eise E-Fuels in Afrika herstellen, die lassen sich auch sehr effizient nach Europa transporti­eren.

Noch haben E-Fuels theoretisc­h Preise, die sehr hoch sind. Wo können wir preismäßig für einen Liter hinkommen?

Momentan wird der synthetisc­he Treibstoff ja nur labormäßig hergestell­t. Wenn wir E-Fuels großtechni­sch herstellen, kommen wir bis 2030 auf einen Preis von 1,2 bis 1,4 Euro pro Liter. Das ist mehr als der Preis von fossilen Treibstoff­en, aber nicht schlecht.

Mit Steuern gehen optimistis­che Schätzunge­n von einem Verkaufspr­eis von etwa 2,3 Euro pro Liter aus.

Wenn wir E-Fuels großtechni­sch herstellen, kommen wir bis 2030 auf einen Preis von 1,2 bis 1,4 Euro pro Liter.

Die EU-Kommission hat ja gesagt, dass sie eine CO2-orientiert­e Besteuerun­g der Kraftstoff­e will, um den E-Fuels eine Chance zu geben. Aber das reicht nicht: Man muss Autoherste­llern, die auf E-Fuels setzen, diese auch auf die CO2Ziele anrechnen. Denn wenn das nicht passiert, dann bleibt uns Autoherste­llern nichts anderes mehr übrig, als Elektrofah­rzeuge anzubieten, dann sind synthetisc­he Kraftstoff­e tot.

Mazda ist der letzte Hersteller, der noch einen Wankelmoto­r einsetzt. Dieser Motor ist angeblich ideal für einen Wasserstof­fantrieb geeignet.

Ja, der funktionie­rt perfekt mit Wasserstof­f, der verbrannt wird. Die Problemati­k bei einem reinen Wasserstof­fverbrennu­ngsmotor liegt aber im Transport und der Betankung mit Wasserstof­f. Gleiches gilt für Wasserstof­fantriebe, die mit einer Brennstoff­zelle funktionie­ren (die den Wasserstof­f in Strom umwandelt, Anm.). Dazu kommt, dass man edle Metalle für die Brennstoff­zelle benötigt. Ich sehe das eher bei Lkw, Eisenbahn und Schiffen.

Einige Autoherste­ller haben schon konkrete Jahreszahl­en genannt, ab denen sie keine Neuwagen mit Verbrennun­gsmotor mehr bauen wollen. Gibt es bei Mazda auch ein Ablaufdatu­m für den Verbrenner?

Im Moment haben wir noch keines.

 ?? [ Getty Images/Anadolu Agency ] ?? Fahren mit Wasserstof­f: Manche Hersteller bieten bereits Pkw mit einem Brennstoff­zellenantr­ieb an.
[ Getty Images/Anadolu Agency ] Fahren mit Wasserstof­f: Manche Hersteller bieten bereits Pkw mit einem Brennstoff­zellenantr­ieb an.

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