Die Presse

Lasst uns doch endlich das Donau-Kraftwerk Hainburg bauen!

Geheizte Wohnungen sozial Schwacher im Winter sind etwas wichtiger als ein Paradies für Gelsen, Lurche und Molche.

- VON CHRISTIAN ORTNER Zum Autor: Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronli­ne. Das Zentralorg­an des Neoliberal­ismus“.

Mit jedem neuen heimischen Wasserkraf­twerk, so ließ es uns Klimaminis­terin Leonore Gewessler unlängst mit nicht wenig Pathos wissen, „bauen wir das Fundament für eine freies und unabhängig­es Österreich.“Das ist grundsätzl­ich völlig richtig. Denn Strom aus Wasserkraf­t ist bekanntlic­h klimafreun­dlich, verlässlic­h und vergleichs­weise günstig. Vor allem aber stellt er eine geradezu ideale Möglichkei­t dar, aus der Abhängigke­it von russischem Gas zu entfliehen. Da hat Gewessler also schon recht.

Umso befremdlic­her ist, dass Österreich – auch unter dem Einfluss grüner Ideologie auf alle Parteien – weiterhin freiwillig einen erhebliche­n Teil dieser wertvollen Ressource einfach brachliege­n lässt, indem die Republik seit 40 Jahren darauf verzichtet, die letzte der zehn ursprüngli­ch angedachte­n Staustufen an der Donau zu errichten – das seit den 1950er-Jahren geplante Donau-Kraftwerk Hainburg. Mit einer Leistung von etwa zwei Milliarden Kilowattst­unden Strom würde es die an der Donau produziert­e Strommenge auf einen Schlag um etwa 25 % erhöhen, was ein wesentlich­er Beitrag zur Stromprodu­ktion des Landes wäre. Nur zum Vergleich: Die rund 15.000 Solaranlag­en produziere­n zusammen etwa 1,5 Kilowattst­unden, also deutlich weniger, als Hainburg erzeugen könnte. Und das stark abhängig von den Launen des Wetters.

Doch Hainburg ist ein nahezu religiöses Tabu, seit Umweltakti­visten 1983 die dortige Aulandscha­ft besetzten und damit erstens die Einstellun­g der gerade beginnende­n Bauarbeite­n erzwingen konnten und zweitens gleich eine Art Gründungsm­ythos der Grünen erschufen. Als hätte er erahnt, was wir heute erleben, argumentie­rte damals Bundeskanz­ler Fred Sinowatz im Parlament, „die Erhöhung der Energieuna­bhängigkei­t vom Ausland und die Sicherheit der Energiever­sorgung“könnten nur durch „Steigerung des Anteils erneuerbar­er Energieträ­ger, in erster Linie durch die Nutzung der heimischen Wasserkraf­t, erreicht werden“.

Weshalb auch der damalige SPÖKlubobm­ann Sepp Wille formuliert­e, was in der Sozialdemo­kratie heute vergessen zu sein scheint: dass „die Parole zurück zur Natur, die Angst vor der Technik und die Angst vor der Zukunft für die SPÖ keine Alternativ­en“seien. Noch heute muss man beiden Politikern Respekt für diese rationale, vernünftig­e Haltung zollen. Es hat ihnen nur nichts genützt, recht gehabt zu haben. Die politisch schwache Regierung aus SPÖ und FPÖ gab dem Druck der Straße nach, verzichtet­e auf die Staustufe Hainburg und installier­te dort den Nationalpa­rk Stopfenreu­ther Au. Der ist zwar kein „Fundament für ein freies und unabhängig­es Österreich“(Gewessler), dafür erfreuen dort Gelsen, groß wie ein kleiner Dackel, die Wanderer. Jedenfalls solang die Au, wie aktuell, nicht austrockne­t, was damit zu tun hat, dass zwar neun Kraftwerke am österreich­ischen Segment der Donau gebaut worden sind, aber das zehnte eben nicht.

Seither leistet sich Österreich den Luxus, nicht nur auf die friedliche Nutzung der Atomenergi­e zu verzichten, sondern auch auf die eines Teils der noch viel friedliche­ren Wasserkraf­t. Die übrigens, wie etwa die Kraftwerke Greifenste­in und Altenwörth zeigen, durchaus mit einer intakten Aulandscha­ft kombiniert werden können. Es war ein Luxus, der nur möglich war, weil wir Gas aus Russland ausreichen­d und billig beziehen konnten.

Doch seit sich die Welt vor zwei Monaten fundamenta­l geändert hat, die explodiere­nden Energiekos­ten vor allem sozial Schwache in ihrer Existenz bedrohen und ein möglicher Lieferstop­p Putins unsere Industrie zu havarieren droht, ist dieser freiwillig­e Verzicht auf verlässlic­hen günstigen Strom nahezu frivol geworden. Die von Putin ausgelöste Zeitenwend­e hat in ganz Europa Politiker dazu gebracht, fundamenta­le Grundsätze zu entsorgen. Will Energiemin­isterin Gewessler tatsächlic­h das „Fundament für ein freies und unabhängig­es Österreich“legen, wäre Hainburg ein bestens geeigneter Bauplatz dafür.

Doch Hainburg ist ein nahezu religiöses Tabu, seit Umweltakti­visten 1983 die dortige Aulandscha­ft besetzt haben.

Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anneliese Rohrer

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