Lasst uns doch endlich das Donau-Kraftwerk Hainburg bauen!
Geheizte Wohnungen sozial Schwacher im Winter sind etwas wichtiger als ein Paradies für Gelsen, Lurche und Molche.
Mit jedem neuen heimischen Wasserkraftwerk, so ließ es uns Klimaministerin Leonore Gewessler unlängst mit nicht wenig Pathos wissen, „bauen wir das Fundament für eine freies und unabhängiges Österreich.“Das ist grundsätzlich völlig richtig. Denn Strom aus Wasserkraft ist bekanntlich klimafreundlich, verlässlich und vergleichsweise günstig. Vor allem aber stellt er eine geradezu ideale Möglichkeit dar, aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu entfliehen. Da hat Gewessler also schon recht.
Umso befremdlicher ist, dass Österreich – auch unter dem Einfluss grüner Ideologie auf alle Parteien – weiterhin freiwillig einen erheblichen Teil dieser wertvollen Ressource einfach brachliegen lässt, indem die Republik seit 40 Jahren darauf verzichtet, die letzte der zehn ursprünglich angedachten Staustufen an der Donau zu errichten – das seit den 1950er-Jahren geplante Donau-Kraftwerk Hainburg. Mit einer Leistung von etwa zwei Milliarden Kilowattstunden Strom würde es die an der Donau produzierte Strommenge auf einen Schlag um etwa 25 % erhöhen, was ein wesentlicher Beitrag zur Stromproduktion des Landes wäre. Nur zum Vergleich: Die rund 15.000 Solaranlagen produzieren zusammen etwa 1,5 Kilowattstunden, also deutlich weniger, als Hainburg erzeugen könnte. Und das stark abhängig von den Launen des Wetters.
Doch Hainburg ist ein nahezu religiöses Tabu, seit Umweltaktivisten 1983 die dortige Aulandschaft besetzten und damit erstens die Einstellung der gerade beginnenden Bauarbeiten erzwingen konnten und zweitens gleich eine Art Gründungsmythos der Grünen erschufen. Als hätte er erahnt, was wir heute erleben, argumentierte damals Bundeskanzler Fred Sinowatz im Parlament, „die Erhöhung der Energieunabhängigkeit vom Ausland und die Sicherheit der Energieversorgung“könnten nur durch „Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger, in erster Linie durch die Nutzung der heimischen Wasserkraft, erreicht werden“.
Weshalb auch der damalige SPÖKlubobmann Sepp Wille formulierte, was in der Sozialdemokratie heute vergessen zu sein scheint: dass „die Parole zurück zur Natur, die Angst vor der Technik und die Angst vor der Zukunft für die SPÖ keine Alternativen“seien. Noch heute muss man beiden Politikern Respekt für diese rationale, vernünftige Haltung zollen. Es hat ihnen nur nichts genützt, recht gehabt zu haben. Die politisch schwache Regierung aus SPÖ und FPÖ gab dem Druck der Straße nach, verzichtete auf die Staustufe Hainburg und installierte dort den Nationalpark Stopfenreuther Au. Der ist zwar kein „Fundament für ein freies und unabhängiges Österreich“(Gewessler), dafür erfreuen dort Gelsen, groß wie ein kleiner Dackel, die Wanderer. Jedenfalls solang die Au, wie aktuell, nicht austrocknet, was damit zu tun hat, dass zwar neun Kraftwerke am österreichischen Segment der Donau gebaut worden sind, aber das zehnte eben nicht.
Seither leistet sich Österreich den Luxus, nicht nur auf die friedliche Nutzung der Atomenergie zu verzichten, sondern auch auf die eines Teils der noch viel friedlicheren Wasserkraft. Die übrigens, wie etwa die Kraftwerke Greifenstein und Altenwörth zeigen, durchaus mit einer intakten Aulandschaft kombiniert werden können. Es war ein Luxus, der nur möglich war, weil wir Gas aus Russland ausreichend und billig beziehen konnten.
Doch seit sich die Welt vor zwei Monaten fundamental geändert hat, die explodierenden Energiekosten vor allem sozial Schwache in ihrer Existenz bedrohen und ein möglicher Lieferstopp Putins unsere Industrie zu havarieren droht, ist dieser freiwillige Verzicht auf verlässlichen günstigen Strom nahezu frivol geworden. Die von Putin ausgelöste Zeitenwende hat in ganz Europa Politiker dazu gebracht, fundamentale Grundsätze zu entsorgen. Will Energieministerin Gewessler tatsächlich das „Fundament für ein freies und unabhängiges Österreich“legen, wäre Hainburg ein bestens geeigneter Bauplatz dafür.
Doch Hainburg ist ein nahezu religiöses Tabu, seit Umweltaktivisten 1983 die dortige Aulandschaft besetzt haben.
Morgen in „Quergeschrieben“: Anneliese Rohrer